Wirtschaftsministerium legt Konzept für grüne Leitmärkte vor
Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat das Konzept "Leitmärkte für klimafreundliche Grundstoffe" vorgestellt. Sogenannte grüne Leitmärkte sollen die Nachfrage nach klimafreundlich hergestellten Grundstoffen wie Stahl und Zement stärken. Solche Grundstoffe könnten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt und möglicherweise auch über Quoten eingeführt werden. Ziel ist, dass grüne Produkte und Prozesse zunehmend wettbewerbsfähig werden und sich die Märkte mittel- bis langfristig selbst tragen, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.
Das Konzept ist zunächst nur ein Vorschlag des Hauses von Minister Habeck. Betroffen sind zunächst vier Produkte der energieintensiven Grundstoffindustrie - neben Stahl und Zement auch die chemischen Grundstoffe Ammoniak und Ethylen. Im Fokus steht die Frage, wann Grundstoffe grün sind. Aufbauend auf entsprechenden Definitionen könnten unter anderem Label und Kennzeichnungssysteme dazu beitragen, die Nachfrage nach grünen Grundstoffen zu stärken und Leitmärkte zu entwickeln, hofft das Wirtschaftsministerium.
Öffentliche Beschaffung und Quoten
Das Konzeptpapier zeigt auch mögliche Förderinstrumente auf. So könne die öffentliche Beschaffung klimafreundliche Produkte im Vergabeprozess bevorzugen. Weitere mögliche Maßnahmen, die auf europäischer Ebene umzusetzen seien, seien verbindliche Produktanforderungen und möglicherweise Quoten für klimafreundliche Grundstoffe. Ein mögliches Quotensystem soll beim Inverkehrbringer der Produkte ansetzen, also beim Autohersteller oder Windradbauer.
"Unsere Vision ist das Windrad aus grünem Stahl, das auf einem Fundament aus grünem Zement fußt und das E-Auto, das nicht nur CO2-frei fährt, sondern auch aus grünem Stahl hergestellt wurde", sagte Habeck in Berlin. Dazu müssten Angebot und Nachfrage nach klimaneutralen Prozessen und Produkten Hand in Hand gehen. Während Maßnahmen wie CO2-Bepreisung, Förderprogramme oder Klimaschutzverträge vor allem auf die Angebotsseite zielten, würden mit den grünen Leitmärkten jetzt auch die Nachfrageseite in den Blick genommen.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hatte sich im Februar 2023 für grüne Leitmärkte statt Klimaschutzverträge ausgesprochen. Nun sollen sich beide Instrumente ergänzen. "Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass sie die Nachfrage nach grünen Produkten stärken und diese mittel- bis langfristig wettbewerbsfähig sind", so Habeck. Es gehe darum, energieintensive Produktion in Deutschland zu halten.
Erster Vorstoß aus der Stahlindustrie
Habeck verwies auch auf Vorstöße aus der Industrie wie die Kennzeichnung LESS (Low Emission Steel Standard) der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Stahlbranche habe sich ausgezeichnet als "First Mover", so Habeck. Aber auch die Zementindustrie wolle dekarbonisieren. Diese wird vor allem auf CO2-Abscheidung, -speicherung und -nutzung (CCUS) setzen. Die dazu notwendigen Änderungen des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes sollen in Kürze ins Kabinett gehen, deutete der Minister an.
Warnung vor Bürokratie
Das Konzept für die grünen Leitmärkte soll private Initiativen wie die der Stahlindustrie flankieren und zugleich die Ansätze auf europäischer und internationaler Ebene in Foren voranbringen. Aus der Industrie kommt grundsätzliche Zustimmung. "Wir müssen die Energiewende zum Business Case machen", sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), gegenüber energate. Deshalb sei es gut, dass der Wirtschaftsminister einen Impuls gebe.
Große Entrup warnte zugleich vor neuer Bürokratie. Im Konzept sieht der VCI einerseits positive Ansätze - etwa, dass bei der Definition für klimafreundliche Produkte auf dem Ansatz des Product Carbon Footprint aufgesetzt werde. Eher problematisch sieht der VCI die "extrem ambitionierten Schwellenwerte". Diese legen fest, auf welcher Stufe ein Grundstoff emissionsarm ist und ab wann er als "near zero" gilt.
BDI: "Ohne Käufer nutzt das 'grünste' Produkt nichts"
Auch der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sieht die grünen Leitmärkte als eine sinnvolle Ergänzung zu den angebotsseitigen Instrumenten, warnt aber auch vor "überbordender Bürokratie". Die Wirtschaftsvereinigung Stahl spricht sich insbesondere dafür aus, das öffentliche Beschaffungswesen konsequent auf den Kauf von CO2-reduzierten Produkten und Prozessen auszurichten und Anreize für den Kauf von emissionsarmen Produkten - auch auf europäischer Ebene - zu verankern. Carsten Rolle, Abteilungsleiter für Klima- und Energiepolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte es gegenüber energate, dass nun auch die Nachfrageseite in den Blick genommen werde. "Das ist gut, denn ohne Käufer nutzt das 'grünste' Produkt nichts", so Rolle.
Dass solche Produkte teurer werden, erwartet das Wirtschaftsministerium schon. Nach Schätzungen wären die Kosten für ein mit klimafreundlich hergestellten Werkstoffen produziertes Auto aber kleiner als die Kosten für eine neue Metallic-Lackierung, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. /ck