Wirtschaftsministerium krempelt Fernwärmerecht um
Essen/Berlin (energate) - Zwei Jahre hat die Fernwärmebranche darauf gewartet. Nun ist er da, der neue Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) für eine Novelle der AVBFernwärmeverordnung (AVBFernwärmeV). Der Entwurf, der energate vorliegt, soll vor allem eins erreichen, die Rahmenbedingungen in der Fernwärme für Versorger und Kunden attraktiver machen. Denn zumindest in dieser Sache sind sich alle Beteiligten einig, die bestehende Verordnung aus dem Jahr 1980 ist antiquiert, stark überholungsbedürftig und wird den aktuellen Gegebenheiten in der Wärmeversorgung nicht mehr gerecht. "Was wir hier sehen, ist eine grundlegende Überarbeitung der AVBFernwärmeV, die bemüht ist, die Entwicklungen der letzten 40 Jahre aufzuholen", ordnete Christina Will, Rechtsanwältin der Essener Kanzlei Rosin Büdenbender, für energate den Entwurf ein.
Denn das BMWK hat mit seinem Entwurf ein Stück weit versucht, beiden Seiten, den Verbrauchern und den Wärmeversorgern, gerecht zu werden und entsprechend Zugeständnisse eingeräumt. So enthält das 70 Seiten umfassende Papier umfangreiche Regelungen zur Stärkung der Verbraucherrechte und der Transparenz, größtenteils angelehnt an die Regelungen aus dem Gas- und Stromsektor. Es soll aber für die Unternehmen auch einen stabilen wirtschaftlichen Rahmen für den anstehenden Fernwärmeausbau und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung schaffen.
Zugeständnisse an die Branche
Auch Rechtsexpertin Will sagt, dass in dem Entwurf positive Aspekte und wichtige rechtliche Klarstellungen für die Versorger stecken. Als Beispiel nennt sie das einseitige Anpassungsrecht von Fernwärmeverträgen und den darin enthaltenden Preisgleitformeln (§ 24 a), wenn sich die Beschaffungsstruktur ändert. "Hier hat sich der Gesetzgeber sehr stark an den jüngsten Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofs orientiert", erklärte Will weiter. In Sachen Laufzeit der Erstverträge hat das BMWK zudem der Sonderstellung der Wärmebranche Rechnung getragen und an der Stelle nicht die Regelungen aus dem Strom- und Gasbereich übertragen. Denn die Erstlaufzeit soll bei zehn Jahren verbleiben und nicht verkürzt werden, um die wirtschaftliche Grundlage für konkurrenzfähige Wärmepreise zu erhalten (§ 32 Abs. 1).
Positiv für die Energieunternehmen sei außerdem, dass der neue Entwurf das außerordentliche Kündigungsrecht der Fernwärmekunden bei einer alternativen grünen Wärmeversorgung zumindest ein Stück weit eindämmt auch eine Verknüpfung zu GEG und Wärmeplanung herstellt (§ 3 Abs. 2) und bestimmten Fällen sogar Ausgleichszahlungen an den Fernwärmeversorger vorsieht. Der Branchenverband AGFW hatte im Vorfeld gefordert, auf dieses Kündigungsrecht komplett zu verzichten. Kein Kunde könne attraktive Wärmepreise erwarten, wenn die Anbieter ihre Risiken aus einer unausgewogenen rechtlichen Situation einkalkulieren müssten, so das Argument.
VZBV vermisst eine zentrale Preisaufsicht
Kleinere Wärmenetze mit unter 20 MW Leistung (§ 3 Abs. 7) sind hier sogar nochmal gesondert geschützt, um die Wirtschaftlichkeit durch - etwa in Richtung Wärmepumpe - abwandernde Kunden nicht zu gefährden. Diesen Wert hält der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) für "viel zu hoch", wie energate auf Nachfrage erfuhr. Die Verbraucherschützer vermissen darüber hinaus weiterhin eine bundesweite Preisaufsicht. "Der Fernwärmemarkt stellt im Energiesektor das stärkste Monopol dar. Dennoch fehlt eine zentrale Preisaufsicht bei einer Bundesbehörde", kommentierte Thomas Engelke, Teamleiter Energie beim VZBV, den aktuellen Entwurf. Die aktuelle Aufsicht bei den Landeskartellbehörden reiche nicht aus. Auch eine Schlichtung, wie sie seit Jahren im Strom- und Gasmarkt praktiziert wird, fehle.
Viele Verbesserungen für Verbraucher in Sachen Transparenz
Insgesamt sehen die Verbraucherschützer aber doch deutliche Verbesserungen für die Wärmekunden. Dazu gehörten etwa mehr Transparenz bei der Veröffentlichung von Informationen im Internet oder die Konkretisierung einiger Vorgaben zu den Preisänderungsklauseln. Denn in Paragraf 1a macht der Entwurf gleich eine ganze Reihe von Vorgaben, welche Informationen Fernwärmeanbieter "barrierefrei" im Internet veröffentlichen müssen. Dazu zählen etwa Preisblätter mit Grund-, Arbeits- und Messpreisen, typische Referenzfälle sowie eine Musterberechnung zu den Preisänderungsklauseln inklusive eines interaktiven Berechnungsinstruments, das die Preiswirkung bei Veränderung der Indizes nachvollziehbar macht. Auch die Netzverluste müssen die Versorger angeben, und zwar in Prozent und kWh pro Kilometer Wärmeleistung. Das war zuletzt noch ein strittiges Thema in einem Verfahren, das der VZBV gegen die Fernwärme Duisburg geführt hatte.
"Umfangreiche Pflichten" für die Versorger
Rechtsexpertin Will sieht an der Stelle "umfangreiche Pflichten" auf die Versorger zukommen. Die Branche schaut darauf kritisch: Bereits jetzt sei ein deutlicher Zuwachs an Bürokratie für die Unternehmen erkennbar, sagte der AGFW gegenüber energate. Dazu zählten "weitere Informationspflichten, mit wenig Mehrwert für den Verbraucher, aber mit viel Mehraufwand bei den Unternehmen", so der Branchenverband. Ein immer engeres bürokratisches und regulatives Korsett nehme den Unternehmen die Luft für die nötigen Anstrengungen rund um die Wärmewende, befürchtet der Verband. Positiv sei aber zumindest, dass die Wärmeversorger für die Umsetzung eine Schonfrist haben, 18 Monate hat der Gesetzgeber eingeräumt, um den neuen Pflichten nachzukommen.
Wie gut dem BMWK mit dem neuen Entwurf der Balance-Akt zwischen mehr Verbraucherschutz in der Fernwärme und gleichzeitig dem Erhalt der Wärmeversorgung als attraktives Geschäftsfeld für Unternehmen, gelungen ist, muss sich nun zeigen. Beide Interessensgruppen sehen jedenfalls noch Nachbesserungsbedarf an dem Entwurf und wollen sich "intensiv in den Novellierungsprozess einbringen", kündigten diese an. /ml