Wasserstoffexperte: H2-Importstrategie bringt Klarheit
Berlin (energate) - Die Importstrategie für Wasserstoff sendet die richtigen Signale. Das sagt Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrats, im Interview mit energate. Der Wasserstoffexperte, der nicht an der Entwicklung der Strategie beteiligt war, sieht drei große Verdienste der Strategie.
Sie fasse Deutschlands Wasserstoffpolitik gut zusammen, erklärte Matthes. Deutschland sei bei der Wasserstoffpolitik Vorreiter in Europa und die im Juli vom Bundeskabinett beschlossene Strategie erhöhe das Vertrauen mit Blick auf potenzielle Exporteure.
Die Strategie bringe zudem Klarheit. Als ihren ersten großen Verdienst sieht Matthes, dass das Papier zwischen Wasserstoff und dessen Derivaten unterscheidet. Es sei das erste Mal, dass diese Unterscheidung in einem Wasserstoffstrategiedokument so deutlich gemacht werde. "Das ist wichtig, denn es verwirrt, wenn deutsche Staatssekretäre und Minister durch die Weltgeschichte fahren und Memorandums of Understanding zum Import von grünem Wasserstoff abschließen, es sich dabei aber eigentlich um Derivate handelt", so Matthes. Zudem bräuchten Wasserstoffimporte andere Infrastrukturen als Wasserstoffderivate.
Förderschwerpunkt auf Nachfrageseite
Die Strategie mache es zudem erstmals sehr deutlich, dass der Förderschwerpunkt auf der Nachfrageseite liege. Das sei für ein Land wie Deutschland, das stark auf Wasserstoffimporte angewiesen sei, wichtig. Der Wettbewerb zwischen Importen und einheimischer Erzeugung werde dann dazu führen, dass sich der richtige Mix einpegele.
Als dritten Verdienst der Strategie sieht Matthes die Details zu der Infrastruktur. "Bei reinem Wasserstoff konzentriert sich die Strategie auf vier Importkorridore und wir sehen sehr klar, dass diese Importkorridore auch eine zeitliche Abfolge haben", erklärte Matthes. Als ersten Korridor nennt die Strategie eine Pipeline nach Dänemark. Laut dem Papier wird derzeit daran gearbeitet, die Rahmenbedingungen für eine finale Investitionsentscheidung im Jahr 2025 zu schaffen. Ende 2028 solle die Pipeline in Betrieb gehen. Zudem arbeite eine deutsch-norwegische Taskforce daran, die Rahmenbedingungen für eine finale Investitionsentscheidung für eine Pipeline zwischen Norwegen und Deutschland zu schaffen. Die Pipeline solle ab 2030 Wasserstoff aus Norwegen nach Deutschland transportieren. Danach sollen Pipelines zur Iberischen Halbinsel und die Südroute gebaut werden.
Matthes erwartet, dass die Pipelines nach Belgien, in die Niederlande und nach Dänemark innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre kommen. Auch für die Pipeline nach Norwegen sieht er eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie innerhalb dieses Zeitraums gebaut wird. Er bewertet es zudem als positiv, dass die Strategie klar benennt, dass die Regierung parallel den Ausbau von Infrastrukturen für Wasserstoff und die Infrastrukturen für Wasserstoffderivate vorantreiben will.
Chance für grünen Wasserstoff
Laut Matthes hat auch grüner Wasserstoff mit der Strategie eine Chance. Die Umweltorganisation Germanwatch hatte davor gewarnt, dass der Einsatz von blauem Wasserstoff den Hochlauf von grünem Wasserstoff verhindern könne. Diese Gefahr sieht Matthes jedoch nicht. Grüner Wasserstoff werde spezifisch nachgefragt. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren sei blauer Wasserstoff zwar günstiger, die Gefahr, dass sich die Abhängigkeit von blauem Wasserstoff verstetige, bestehe aber nicht. Wasserstoffherstellung sei nicht kapitalintensiv, sondern betriebskostenintensiv, sagte er. "Die entscheidenden Kostenfaktoren sind bei grünem Wasserstoff die Kosten für grünen Strom und bei blauem Wasserstoff die Erdgaskosten und CO2-Entsorgungskosten. Sehr deutliche Kostensenkungen bei blauem Wasserstoff kann ich deswegen nicht erkennen und mit den absehbar sinkenden Kosten für grünen Strom und Elektrolyseanlagen wird auch grüner Wasserstoff günstiger." So werde sich grüner Wasserstoff langfristig durchsetzen.
Kritik an H2-Global
Am Beschaffungsprogramm H2-Global übt der Wasserstoffexperte jedoch harsche Kritik. Die erste Ausschreibung dieses Programms hatte ergeben, dass Deutschland zwischen 2027 und 2033 mindestens 259.000 Tonnen grünes Ammoniak aus Ägypten importieren wird. Der Zuschlag im ersten Ausschreibungsfenster für Ammoniak ging an das Unternehmen Fertiglobe mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Matthes sieht die Aufkaufstrategie des Programms als den falschen Weg. Man könne damit nur minimale Volumina bewegen, zudem würden damit hauptsächlich Wasserstoffderivate adressiert. Was die Stahlindustrie, die Stromwirtschaft und wahrscheinlich auch der Schwerlastverkehr brauche, sei aber Wasserstoff.
"Ich sehe es auch überhaupt nicht ein, dass wir mit H2-Global Mineralölkonzernen, die in den letzten Jahren riesige Milliardenbeiträge verdient haben und demnächst eine Quote für nachhaltige Flugtreibstoffe erfüllen müssen, staatliche Anschubhilfe leisten bei der Beschaffung", so Matthes. Besser wäre es, wenn der Staat Ausfallgarantien für Midstream-Unternehmen bereitstelle, sagte Matthes. Damit könnten größere Mengen gehebelt werden. /kij
Das vollständige Interview mit Felix Matthes lesen Sie im Add-on Markt & Industrie.