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Verbraucherschützer legen Konzept für Fernwärmeregulierung vor

Berlin (energate) - Die Verbraucherschützer drängen weiter auf eine Regulierung des Fernwärmemarkts. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat nun in einem Gutachten vorgelegt, wie eine bundeseinheitliche Preisaufsicht aussehen könnte. Hierzu soll etwa der gesamte Wärmemarkt näher an die Regelungen der Strom- und Gasversorgung rücken und in der Konsequenz Teil des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) werden. Dieses greift nämlich bislang bei der Fernwärme nicht. Demnach käme das für die Wärmebranche einer totalen Neuordnung ihres Geschäfts gleich.

 

"Behutsamer Einstieg in Regulierung"

 

Professor Jürgen Kühling vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), welches das Gutachten für den VZBV angefertigt hat, sprach bei der digitalen Vorstellung der Ergebnisse dennoch von einem "behutsamen Einstieg" und Änderungen, die für die Unternehmen zumutbar wären. "Wir wollen ja auch keine radikale Lösung", so Kühling, der zuvor Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung war. In dieser Funktion hatte er erst im Sommer 2024 ein Gutachten für den Bund vorgelegt - mit ähnlichen Ergebnissen. Die Kommission hatte damals neben Regulierung und Preisaufsicht auch eine spätere Entflechtung von Wärmeerzeugung und Netzbetrieb empfohlen, um für mehr Wettbewerb im monopolistischen Markt der leitungsgebundenen Wärme zu sorgen.

 

Wer soll Preisaufsichtsbehörde werden?

 

Auch das neue Gutachten des FÖS kommt zu dem Ergebnis, dass der Fernwärmemarkt "zentrale Defizite" aufweist, welche die Stellung der Verbrauchenden gegenüber den Fernwärmeversorgern schwächen. Im Kern geht es darum, dass Kundinnen und Kunden in der Regel ihren Wärmeanbieter nicht wechseln können, weil es eben nur einen gibt. Um diese Baustellen abzuräumen, brauche es Änderungen bei der AVBFernwärmeV, der missbrauchsbezogenen Entgeltkontrolle und der Preistransparenz. Die Gutachter schlagen deshalb vor, eine Preisaufsichtsbehörde einzurichten, welche eine Obergrenze für Wärmepreise festlegt und deren Einhaltung kontrolliert. Diese Rolle könne die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt und den Landeskartellbehörden übernehmen, heißt es in dem Gutachten weiter.

 

"Wettbewerb führt nicht unbedingt zu sinkenden Preisen"

 

Das Problem dabei ist allerdings, dass weder die eine noch die andere Behörde dafür entsprechende personelle Kapazitäten hat. "Die Behörde reguliert heute mit mehreren 100 Mitarbeitenden rund 700 Strom- und deutlich weniger Gasnetzbetreiber. Demgegenüber stünden 3.500 sehr individuelle Fernwärmenetze, die es zu regulieren gilt", ordnete Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der Stadtwerke Krefeld, gegenüber energate ein. Der Versorger unterhält auch selbst ein größeres Fernwärmenetz auf dem Stadtgebiet. Liedtke blickt sehr kritisch auf das Thema Regulierung der Fernwärme. "Mehr Wettbewerb führt nicht immer automatisch zu sinkenden Preisen", gab er bei der anschließenden Diskussionsrunde zu bedenken und führte als Beispiel den Glasfaserausbau in Deutschland an. Demgegenüber stehe die Wasserversorgung - ebenfalls ein monopolistischer Markt - wo es aber sehr wettbewerbsfähige Preise gebe und ihm kaum Beschwerden bekannt seien.

 

Branche kritisiert Vorstoß des VZBV

 

Ähnlich kritisch äußerte sich auch Martina Butz, Geschäftsführerin der Stadtwerke Hanau. Sie habe große Sorge, dass der Markt überreguliert und ein "riesiges Bürokratie-Monster" geschaffen werde. Sie setzte sich dafür ein, erst einmal bestehende Instrumente - also vor allem die AVBFernwärmeV - zeitgemäß aufzusetzen. Denn die ist mittlerweile mehr als 40 Jahre alt und wartet seit geraumer Zeit auf eine Novelle.

 

Die Sorge von Stadtwerke-Hanau-Geschäftsführerin Butz dürften wohl die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen teilen. Denn der Branchenverband VKU äußerte sich nach Vorlage des Gutachtens gleich mit scharfer Kritik. Diese Regulierungswut sei "Gift für dringend benötigten Investitionen", so Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Insbesondere die ins Spiel gebrachte Price-Cap-Regulierung der Fernwärme, bei der sich Anbieter die Preise vorab genehmigen lassen müssen, stößt dem Verband übel auf. In der Praxis könne dies nicht funktionieren. Denn zu groß seien die Unterschiede der derzeit fast 4.000 Wärmenetze in Deutschland in Sachen Erzeugung, Topografie, Abnehmern, Erneuerbaren-Quote und Ausbauplanungen. "Stärker aus der Zeit fallen kann man mit solchen Vorschlägen eigentlich nicht, in der sich die Wirtschaft mit einem Hilfeschrei nach weniger Bürokratie und weniger Regulierung an die Politik wendet", so Liebing.

 

Mangelnde Transparenz seit langem ein Thema

 

Das Thema Preise in der Fernwärme und ihre Transparenz wird seit langem zwischen der Energiebranche, den Verbraucherschützern und auch den Wettbewerbshütern diskutiert. Zuletzt war es mit den extrem steigenden Preisen als Folge der Energiekrise wieder hochgekocht. Zudem laufen auch mehrere gerichtliche Verfahren des VZBV gegen einzelne Anbieter. Dass das Interesse an dem Thema weiter hoch ist, hat auch die aktuelle Veranstaltung wieder gezeigt, mehr als hundert Zuhörende hatten sich dafür angemeldet. Einigkeit herrschte unter den verschiedenen Parteien zumindest darüber, dass es für den politisch gewollten Fernwärmeausbau wettbewerbsfähige Preise braucht, den die Verbrauchenden mittragen können. Allein wie dies zu erreichen ist, insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Investitionen in die Dekarbonisierung der Wärme, blieb in der Runde offen. /ml

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