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Umgang mit PV-Spitzen beunruhigt Branche

Berlin (energate) - Der Druck auf die Umsetzung der EnWG-Novelle steigt, angesichts des Bruchs der Ampel-Koalition ist diese jedoch fraglich. Das wurde bei einem Vorabend-Event des energate-Forums in Berlin deutlich. Ein Problem, das mit Maßnahmen im Zusammenhang mit der Novelle adressiert werden soll, ist die sogenannte Gleichzeitigkeit. Vor allem mittags speisen sehr viele PV-Anlagen ein. Die ungesteuerte Einspeisung werde ab Mai "brutal ins System" drücken, sagte Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgers EWE.

 

Manche Branchenakteure befürchten, dass es deshalb schon an Pfingsten 2025 zu Blackouts in Deutschland kommen könnte. Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, erklärte in Berlin, die Lage werde immer enger. "Wir wissen nicht genau, wie die Situation an Pfingsten 2025 oder 2026 ist." Die Netzagentur gehe jedoch nicht davon aus, dass es schon im Sommer 2025 akute Probleme geben wird. "Die Dinge, auf die wir beim Einhegen dieser Probleme setzen - Digitalisierung, Smart Meter, Steuerung - kommen nicht voran", so Haller. Es brauche mehr Tempo, damit noch mehr Anlagen auf Engpasssituationen reagieren und bei negativen Preisen abregeln können. Es hake aber derzeit an allem und diese Prozesse würden Zeit brauchen.

 

Neben der EnWG-Novelle nannte Dohler die Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie RED III und des zweiten europäischen Emissionshandels (ETS 2) sowie die Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes als wichtige und dringende Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden müssten.

 

Kraftwerks-Auktionen brauchen mindestens sieben Monate

 

Barbie Haller erklärte, die angestoßenen Prozesse könnten auch derzeit formal weitergehen. Für Maßnahmen wie einen Kapazitätsmarkt brauche es jedoch Gesetze, in dem Fall das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG). Mit diesem will die scheidende Bundesregierung Kapazitäten zubauen, die die Versorgung sichern, wenn die erneuerbaren Energien nicht ausreichen. Nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll das Gesetz noch in diesem Jahr im Kabinett beschlossen werden und Anfang des Jahres in den Bundestag gehen. Die Umsetzung hängt jedoch vom Kooperationswillen der demokratischen Opposition im Bundestag ab - und da schaut es derzeit schlecht aus. Bis es erste Auktionen für den Bau neuer Kraftwerke gebe, dauere es mindestens sieben Monate, sagte Haller. Dieser Prozess sei nur schwer zu verkürzen.

 

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) erklärte auf dem Podium, es werde vermutlich nur noch ganz wenige Entscheidungen in der aktuellen Legislatur geben. Das KWSG sei jedoch sehr wichtig und die Umsetzung ein großer Schritt. Die aktuellen Diskussionen kämen zur Unzeit für die Energiewende. Es sei gefährlich, welche Botschaften damit im Wahlkampf gesendet würden. Dabei gehe es um viel mehr als die anstehende Wahl, so Lies. Auch im Bundesrat sei der Wahlkampf mittlerweile angekommen, es gebe dort derzeit vor allem Enthaltungen. Die Länder müssten jedoch mehr Verantwortung übernehmen, forderte Lies.

 

Wenzel: Einiges könnte noch auf den Weg gebracht werden

 

Bei einem Impulsvortrag auf dem energate-Forum erklärte Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dass es in der Regierung noch Diskussionen über die EnWG-Novelle, die RED III, die Gasspeicherumlage sowie das KWSG gebe. Einige der Maßnahmen könnten noch auf den Weg gebracht werden, zeigte sich Wenzel zuversichtlich.

 

In seinem Vortrag ging er darüber hinaus auf die Finanzierbarkeit der Energiewende und der Netzinfrastruktur ein. Das Ziel der Klimaneutralität sei eine enorme Herausforderung und die gewaltigen Investitionen müssten gestemmt werden. Der bedarfsgerechte Netzausbau sei die kostengünstigste Variante. Es dürfe - auch mit Blick auf die Wasserstoffinfrastruktur - kein Netz gebaut werden, das nicht gebraucht wird. Planungs- und Investitionssicherheit seien wichtig für die Unternehmen.

 

Zudem brauche es Maßnahmen für eine bessere Auslastung der Netze. Wenzel nannte etwa Flexibilitäten durch Speicher, zeitvariable Entgelte oder das Potenzial durch bidirektionales Laden und Wärmepumpen. Der Staatssekretär erklärte ferner, er hoffe, dass es noch einen Zuschuss zur Dämpfung der Netzentgelte als Einmal-Maßnahme geben werde. Zukünftig brauche es für das Problem aber eine dauerhafte Lösung. Auch Habeck hält eine Senkung der Netzentgelte durch einen Zuschuss noch vor den Neuwahlen weiter für möglich.

 

Netzkosten im Fokus

 

Die Netzkosten waren ebenso Thema einer anschließenden Podiumsdiskussion. Dort erklärte Netzagentur-Vizepräsidentin Haller, "wir haben in den letzten Jahren zu wenig auf die Netzentgelte geschaut". Das ändere sich jetzt jedoch. Nun müssten die richtigen Stellschrauben gedreht werden, dass es keine unnötigen Kosten gibt. Das System und die Leitungen müssten so gut wie möglich optimiert werden. Zudem senke schneller Netzausbau die Kosten.

 

Eine weitere Maßnahme sei, dass Netzanschlüsse über das Instrument der Baukostenzuschüsse effizienter genutzt werden. Die Bundesnetzagentur hatte dazu erst vor wenigen Tagen ein Positionspapier vorgelegt. Ferner könnte laut Haller die Flächennutzung optimiert werden, etwa bei der Offshore-Windenergie. Dadurch könnte mehr Energie auf weniger Fläche erzeugt werden.

 

Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW, forderte, die Kosten der Energiewende "dürfen nicht zum Showstopper werden". Jeder gebaute Netzkilometer reduziere Kosten, etwa beim Redispatch. Die Kosten dafür könnten laut Götz bis 2030/2035 auf null sinken. Auch er forderte, dass es jetzt Optimierungen brauche. Und er sprach sich dafür aus, dass über Baukostenzuschüsse die Verursacher von Netzengpässen stärker in die Finanzierung einbezogen werden.

 

Mechanismen für die Systemoptimierung noch am Anfang

 

Für EWE-Chef Stefan Dohler stehen die Mechanismen für die Systemoptimierung noch ganz am Anfang, es gebe noch viel Potenzial. Dazu gehöre etwa der systemdienliche Verbrauch, also dass sich Verbraucher in Regionen mit viel erneuerbaren Energien ansiedeln. Es brauche eine regionale Denke und Steuerung. Die Gegebenheiten vor Ort müssten klug genutzt werden. Die Grundfrage sei: Welchen Beitrag kann jeder für die Systemoptimierung nutzen und wie wird sie angereizt? Was es jedoch nicht brauche, seien unterschiedliche Preiszonen. Deren Umsetzung würde zu lange dauern und für Verunsicherung bei Investoren sorgen.

 

Auch Transnet-BW-Chef Götz lehnte eine Trennung der Preiszonen scharf ab und bezeichnete sie als "Unsinn". Die Diskussion müsse so schnell wie möglich beendet werden. Sie führe zu Verunsicherung und der Wohlfahrtsgewinn auf europäischer Ebene durch die Trennung sei gering.

 

Barbie Haller hält den Wohlfahrtsgewinn ebenfalls für gering. Auch die Preiswirkung für Industrie und Verbraucher sei nicht sehr hoch. Stattdessen brauche es eine intensive Diskussion darüber, wie das System flexibler werden könne. Haller rechnet damit, dass die Europäische Kommission bis Ende des Jahres eine Empfehlung zum Umgang mit der deutschen Strompreiszone machen wird.

 

Netzagentur will Vorschlag zu Industrienetzentgelten vorlegen

 

Ein weiteres Thema der Diskussion waren Industrienetzentgelte. Haller stellte dazu in Aussicht, dass ihre Behörde im ersten Quartal 2025 einen Vorschlag für die Ausgestaltung vorlegen werde. Es handele sich um einen "gangbaren Weg" aus Rabatten und Anreizen zur Flexibilisierung, sagte sie. Aktuell werde dazu noch diskutiert. Die Industrie brauche die Rabatte, aber sie müssten so ausgestaltet sein, dass sie einen wirtschaftlichen Nutzen haben.

 

Mit Blick auf den Eigenkapitalzins für Investitionen in die Strom- und Gasnetze sagte Haller, ihre Behörde sei ein Stück weit kompromissbereit. Die Bundesnetzagentur werde dazu im Januar ein Gutachten vorlegen. Haller schränkte jedoch ein, dass Netzbetreiber deswegen wohl nicht "Hurra schreien" würden. Werner Götz machte auf dem Panel deutlich, dass es für eine wettbewerbsfähige Finanzierungsstruktur einen attraktiven Eigenkapitalzins brauche. Andernfalls würden Investoren an ihre Grenzen gelangen. Der Kapitalbedarf wachse signifikant, die Zahl der Investoren jedoch nicht. /mh

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