THG-Quote braucht ein neues Konzept
Essen (energate) - In der Branche werden die Forderungen nach einem neuen Konzept für die THG-Quoten lauter. Denn der Ruf des Handels mit Treibhausgasminderungsquoten sei massiv geschädigt. Hintergrund sind die Marktverzerrungen bedingt durch Betrugsskandale um falsch deklarierten Biodiesel und gefälschte Zertifikate zu Upstream-Emissionsminderungen (UER). Diese hätten die Wirksamkeit des Instruments stark beeinträchtigt, so die Kritik der Marktteilnehmenden. "Es wäre auch für den Wasserstoffmarkthochlauf wichtig, dass wir die THG-Quote betrugssicher aufstellen und wieder Vertrauen in das Instrument schaffen", sagte etwa Simon Pichlmaier, Leiter Wasserstoff und synthetische Energieträger bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), im Gespräch mit energate. Er beklagte "handwerkliche Fehler" durch die zuständigen Behörden bei den Regularien zu den Treibhausgasminderungsquoten, welche diese "Lecks" überhaupt erst ermöglicht hätten.
THG-Quote als wichtige zusätzliche Erlösquelle
Die THG-Quote ist ein marktbasiertes Instrument zur Umverteilung von Geldern von fossilen zu erneuerbaren Kraftstoffen. Konkret bedeutet das, dass Mineralölunternehmen in Deutschland ihre Treibhausgasemissionen, die sie durch das sogenannte Inverkehrbringen von konventionellen Kraftstoffen verursachen, jährlich um einen festgeschriebenen Prozentsatz (die THG-Quote) reduzieren müssen. Dies soll gleichzeitig den klimafreundlicheren Alternativen wie Grünstrom in E-Autos, Biodiesel, Biomethan oder Wasserstoff Auftrieb geben. "Noch 2022 haben viele Projektentwickelnde für Elektrolyseure dies als Grundlage der Zahlungsbereitschaft für Wasserstoff gesehen, weil potenzielle Kunden, wie beispielsweise Raffinerien, darin eine zusätzliche Erlösquelle hatten", erklärte Pichlmaier.
Preisverfall durch Betrugsskandale
Mit dem Preisverfall der THG-Quote sieht das nun aber anders aus. Der Quotenpreis ist von teilweise über 500 Euro/Tonne auf mittlerweile um die 100 Euro/Tonne gesunken, und das dauerhaft. Grund für die Preisentwicklung ist das große Überangebot an quotenfähigem Material, vor allem aus China. "Aktuell strömen Biodiesel als auch UERs aus China zu nicht konkurrenzfähigen Preisen in den deutschen Markt und können auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden", sagte Jan Röstel, Head of Sales & Co-Founder des Plattformbetreibers Q-Bility, gegenüber energate.
Das Tragische daran ist vor allem, dass das lukrative Geschäft im deutschen THG-Quotenhandel nicht nur redliche Marktteilnehmer angelockt hat. Schon vor gut 1,5 Jahren hatte ein chinesischer Informant in Deutschland auf Ungereimtheiten bei den Projekten in China hingewiesen. Erst jetzt haben die Behörden darauf reagiert, für die Marktteilnehmenden kommt das viel zu spät. Auch deswegen hat sich jüngst unter dem Namen "Klimabetrug Stoppen" eine neue Initiative aus rund 50 Unternehmen und Verbänden zusammengetan, die weitere Maßnahmen zum Stopp der betrügerischen Aktivitäten beim THG-Quotenhandel fordert.
Gewinner sind Mineralölkonzerne
Das Problem ist unter anderem, dass bei dem aktuellen Überangebot das Preisniveau nicht ausreicht, um Biomethan oder Wasserstoff für den Verkehrssektor wirtschaftlich zu produzieren. Pichlmaier berichtet, dass mittlerweile im Markt die Erkenntnis gereift sei, "dass ich mich für Investitionsentscheidungen nicht auf die THG-Quote als Erlösquelle verlassen kann". Das sorge für zusätzliche Unsicherheiten - bei Projektentwickelnden wie auch Finanzierenden. "Das hat uns wohl kostbare Monate im Hochlauf gekostet", findet er deutliche Worte.
Während den lokalen Wasserstofferzeugungsprojekten durch diese Entwicklungen der Business Case abhandengekommen ist, gehören die Mineralölkonzerne zu den großen Gewinnern. Sie haben sich dadurch günstig und langfristig mit Emissionszertifikaten eingedeckt. Ihre Pflicht zur Minderung der Treibhausgasquote haben die Konzerne im Jahr 2022 jedenfalls übererfüllt. Das Ziel, rund 14 Mio. Tonnen CO2 einzusparen, haben die Unternehmen um rund 3,4 Mio. Tonnen übertroffen. Das geht aus dem Evaluierungsbericht zur Treibhausgasminderungsquote hervor. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor.
Neues Konzept statt Symptombehandlung
Branchenexperten gehen nicht davon aus, dass sich der Markt von diesen Verzerrungen schnell erholen wird, selbst bei einem "Anziehen der Schrauben", wie Pichlmaier sagt. Dass dies nun offenbar geschieht, hält er dennoch für einen guten und wichtigen Schritt. Denn erst vor einigen Tagen hatte das Umweltbundesamt (UBA) bekannt gegeben, acht Projekte aus China zu UERs, die noch auf eine Freigabe warteten, aufgrund von Unregelmäßigkeiten nicht freizuschalten. Zudem will die Behörde mit Unterstützung einer internationalen Anwaltskanzlei die Vor-Ort-Kontrollen deutlich ausweiten.
Grund für den Pessimismus ist, dass der Berg an Lagermengen von THG-Quoten einfach zu groß sei, der sich über die vergangenen Monate angehäuft hat. Schon vor den Skandalen habe es Lagermengen von mehr als 3 Mio. Tonnen CO2 gegeben. Auch die vorzeitige Abschaffung von UER als Erfüllungsoption ist vor diesem Hintergrund für den Experten mehr eine "Symptombehandlung". Aus seiner Sicht sei vielmehr das ganze Instrument auf den Prüfstand zu stellen.
Erste Vorschläge liegen auf dem Tisch
Hierzu liegen nun auch die ersten Vorschläge auf dem Tisch. Sowohl der Branchenverband THG-Quote als auch das Start-up Greentrax haben Maßnahmen zusammengestellt. Sie eint unter anderem ein stärkerer Fokus auf die Elektromobilität, höhere Erfüllungsquoten, eine langfristige Perspektive sowie strengere Kontrollen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen von Greentrax gehen aber nochmal deutlich weiter als die des Bundesverbands. Das Start-up um Gründer Benedikt Kirpes hält etwa auch eine Digitalisierung der Antragsprozesse für notwendig. Bearbeitungszeiten der THG-Quote 2024 von mittlerweile fast sechs Monaten seien "nicht vermittelbar". Weitere Maßnahmen betreffen das Phase-out von Biokraftstoffen und das Nutzen von Mess- statt Schätzwerten.
Trotz der Probleme setzt sich die Branche insgesamt für ein Festhalten an der THG-Quote ein. Sie sei als Instrument effizient und bedeute einen geringen Kostenaufwand für den deutschen Staat. Ziel müsse aber auch sein, sie "insgesamt nachvollziehbarer und transparenter zu machen", so Pichlmaier abschließend zu energate. /ml