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Stabilere Stromnetze durch neue Technologien und Prozesse

Göttingen (energate) - Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet hat im Zeitraum von November 2022 bis Oktober 2023 durch witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb 25 Prozent der Redispatchmaßnahmen eingespart. Auf diese Weise hätten die für Übertragungsnetzbetreiber eine Milliarde Euro eingespart, sagte Kathrin Ballerstein, Direktorin Energienetzplanung bei Tennet, auf den Göttinger Energietagen. Dabei diskutieren Teilnehmer vor allem die Frage, wie der Ausbau der Stromnetze möglichst gering und dabei das Stromnetz gleichzeitig stabil gehalten werden kann - auch bei 100 Prozent erneuerbaren Energien im Netz.

 

Ziel eines witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs ist es, insbesondere in den verbrauchsstarken Wintermonaten höhere Lastflüsse auf den Bestandsleitungen zu ermöglichen. Denn bei kühlerem oder windigerem Wetter sind die Netze ebenfalls kälter und können mehr Strom transportieren. Dazu misst Tennet Temperatur und Wind an den Netzen, erläuterte Ballerstein.

 

Auch bei der N-1-Auslegung der Netze könnten die Assets stärker als bislang ausgelastet werden, führte Ballerstein weiter aus. Das habe das Forschungsprojekt InnoSys ergeben. So würden zwei Transformatoren, die beim Ausfall der jeweils anderen Anlage für diese einspringen sollen, bislang nur zu je 50 Prozent ausgelastet. Transformatoren können kurzfristig aber auch über 100 Prozent der Leistung bringen, stellte Ballerstein klar. Daher könne man den einzelnen Transformator auf 70 Prozent laufen lassen. Falle dann einer der beiden Transformatoren aus, könne trotzdem der andere die Arbeit für den ausgefallenen zusätzlich übernehmen. Dies sei aber nur kurzzeitig möglich. "Dann müssen schnell Alternativen her", so die Netzexpertin. Tennet setze die Ergebnisse aus dem Projekt zur höheren Netzauslastung bereits um. Ziel sei eine flächendeckende Umsetzung bis 2030.

 

Netzbildende Wechselrichter sollen zur Pflicht werden

 

Für eine bessere Auslastung der Anschlusspunkte für erneuerbare Energie warb Matthias Stark vom Bundesverband Erneuerbare Energie. Sein Verband hatte Mitte April eine Studie vorgestellt, nach der es relativ problemlos ist, Netzanschlusspunkte zu überbauen, insbesondere wenn Wind- und PV-Anlagen gleichzeitig angeschlossen sind.  

 

Wesentlich zur Systemstabilität beitragen sollen künftig auch netzbildende Wechselrichter. Das sieht die im Dezember veröffentlichte Roadmap Systemstabilität der Bundesregierung hervor. Die europäische Agentur der Regulierungsbehörden Acer will, dass bereits ab 2028 alle Wechselrichter ab 800 W diese Funktionalität mit sich bringen. Dass dieser Zeitplan aber tatsächlich so umgesetzt wird, sahen die Teilnehmer der Göttinger Energietage als eher unwahrscheinlich an. Dazu sei noch Forschungsarbeit und entsprechende Pilotierung notwendig, betonte etwa Prof. Bernd Engel, Vorstand des Energieforschungszentrums Niedersachsen. Netzbildende Wechselrichter sind so programmiert, dass sie sich wie rotierende Massen konventioneller Kraftwerke verhalten. Auf diese Weise können sie Spannung und Frequenz vorgeben und kurzfristig Momentanreserve zur Verfügung stellen, erklärte Heike Kerber, Geschäftsführerin des VDE FNNN.

 

Kyon sieht keine Anreize für Systemdienstleistungen

 

Dass die Batteriegroßspeicher seines Unternehmens Momentanreserve beitragen werden, diese Erwartung dämpfte hingegen Benedikt Deuchert vom Batterieprojektierer Kyon Energy. "Wir kaufen Strom, wenn er günstig ist und verkaufen ihn, wenn er teuer ist", stellte Deuchert das Geschäftsmodell klar. Dabei nehme sein Unternehmen am Spot- sowie an den Regelenergiemärkten teil. Um Systemdienstleistungen wie Momentanreserve zur Verfügung zu stellen, seien die Anlagen technisch nicht ausgerüstet - und es gebe derzeit auch keinen Anreiz für Kyon, dies zu tun. 

 

Inwieweit auch kleinere Flexibilitäten zur Netzstabilität beitragen können, dabei gingen die Meinungen bei der anschließenden Podiumsdiskussion auseinander. Während Ballerstein von Tennet meinte, man müsse "alles nehmen was kommt", also auch Haushalte einbeziehen, äußerte sich Christine Janssen, Geschäftsführerin Mitnetz Strom, zurückhaltender auf die Frage, inwieweit die Verteilnetze auch zur Gesamtstabilität der Netze beitragen oder ob sie nur für ihre eigene Stabilität verantwortlich sind. Zwar sagte sie, die Verteilnetzbetreiber seien grundsätzlich bereit, einen Beitrag zur Systemstabilität zu leisten. Zuerst müsse man dabei aber die Hochspannungsnetze in den Blick nehmen, erst im zweiten Schritt die Mittelspannungsnetze. /sd

 

Der Artikel wurde am 16. Mai aktualisiert.

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