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Staatseinstieg bei Thyssenkrupp ist unwahrscheinlich

Berlin (energate) - Auf dem Stahlgipfel im Kanzleramt hat die Branche mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über Lösungen für den angeschlagenen Industriezweig beraten. Im Vorfeld hatte Scholz einen Einstieg bei Thyssenkrupp nicht ausgeschlossen - dem Konzern schwebt jedoch ein anderer Weg aus den roten Zahlen vor. Allgemeine Einigkeit zwischen Kanzler und Industrie herrschte bei der Senkung der Energiekosten und einer besseren Zusammenarbeit mit der EU für faire internationale Wettbewerbsbedingungen.

 

Auch wenn Scholz einen Einstieg bei Thyssenkrupp vor dem Stahlgipfel nicht vom Tisch nehmen wollte, plant der Konzern eher mit Hilfe durch den Anteilseigner EP Corporate Group (EPCG). Laut energate-Informationen laufen die Verhandlungen über eine Übernahme von weiteren Firmenanteilen von Thyssenkrupp Steel noch. Seit vergangenem Frühling gehören 20 Prozent des Stahlgeschäfts dem Investmentunternehmen des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Thyssenkrupp strebe die Bildung eines gleichberechtigten 50/50-Joint-Ventures mit EPCG an. So solle die Stahlsparte fit für die Zukunft gemacht werden, heißt es aus Essen. Durch die Beteiligung wolle man "ein leistungsstarkes, profitables und zukunftsorientiertes Stahlunternehmen schaffen, das die Kosten der Dekarbonisierung auf ein wettbewerbsfähigeres Niveau senkt ". Auch die grüne Transformation der Stahlindustrie auf dem Weg zur CO2-Neutralität soll sich so beschleunigen.

 

Neben Thyssenkrupp nahmen auch Vertreter und Vertreterinnen der Salzgitter AG sowie der Stahl Holding Saar, Arcelor Mittal, Georgsmarienhütte und Swiss Steel Deutschland am Gipfeltreffen im Kanzleramt teil. Zugegen waren außerdem Repräsentanten und Repräsentantinnen der IG Metall. Die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen plädierten für eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate. Scholz will dies nun über das Arbeitsministerium in die Wege leiten. Zuletzt waren vor allem bei Thyssenkrupp mehrere Tausend Stellen bedroht.

 

EU soll protektionistischer werden

 

Einig waren sich Kanzler, Gewerkschaft und Industrie bei der Senkung der Stromkosten. Der Bundeskanzler will nach wie vor die Übertragungsnetzkosten auf drei Cent pro kWh deckeln. Hierfür soll es kurzfristig einen staatlichen Zuschuss zu den Netzentgelten geben. Eine Mehrheit wird Scholz hierfür wohl nicht im Bundestag bekommen, auch wenn die IG Metall auf energate-Nachfrage noch einmal auf eine zügige Regelung drängt. Darüber hinaus will sich der Bundeskanzler gegenüber der EU-Kommission für eine Verlängerung der Strompreiskompensation einsetzen. Diese müsse auch nach der im Jahr 2025 anstehenden Evaluierung der EU-Kommission für die Stahlindustrie weiterhin großzügig ausgestaltet werden und auf mehr Unternehmen ausgeweitet werden, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

 

Außerdem soll die EU stärkere Schutzmaßnahmen gegenüber Wettbewerbsverzerrungen durch Dumping-Preise und marktverzerrende Subventionen ergreifen. Auch soll das Thema auf die Agenda eines möglichst baldigen europäischen Stahlgipfels, für den sich der Kanzler einsetzen will.

 

Häme von der Opposition

 

Vor wenigen Tagen hatte der CDU-Europapolitiker Dennis Radtke bereits ein solches Spitzentreffen auf EU-Ebene gefordert. Ansonsten folgte aus der Union viel Häme für das Treffen im Kanzleramt. Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, nannte es einen weiteren "Show-Gipfel". "Die Gipfel-Inflation der gescheiterten Scholz-Regierung nimmt kein Ende", moniert sie. Ähnlich hatte sich die CDU-Politikerin schon über die Industriekonferenz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geäußert.

 

Klöckner wirft dem Kanzler einen Zick-Zack-Kurs beim Industriestrompreis vor. Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), äußert ähnliche Kritik: "Die für eine rasch wachsende Zahl von Unternehmen existenzbedrohenden Herausforderungen werden nicht alleine durch Gesprächsrunden gelöst, sondern durch konkrete politische Maßnahmen", sagte er. Neben bezahlbaren Energiepreisen brauche es planbare Rahmenbedingungen sowie weniger Bürokratie.

 

Wohlwollender äußerte sich Gunnar Groebler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Stahlindustrie in Deutschland sei  durch unfairen Wettbewerb auf den Weltmärkten akut bedroht. "Deshalb ist dringend ein wirksamer Außenhandelsschutz nötig, um staatlich subventionierten Exporten aus Drittstaaten einen europäischen Riegel vorzuschieben", sagte er. Es sei ein positives Signal, dass sich der Bundeskanzler dafür in Brüssel stark machen wolle und höchste Zeit für einen europäischen Stahlgipfel. "Auf nationaler Ebene bleiben die hohen Energiekosten das drängendste Thema", so Groebler. Das vorgeschlagene Entlastungsvolumen von 1,3 Mrd. Euro bei den Netznutzungsentgelten würde hier nicht ausreichen.

 

Thinktank empfiehlt gezieltere Förderung

 

Konkrete Empfehlungen für die Entlastung und Dekarbonisierung der Stahlindustrie machte derweil der Thinktank Epico Klimainnovation. In einem neuen Report fordert der Thinktank unter anderem erschwingliche kohlenstoffarme Elektrizität, die schnellere Einführung von Wasserstoff in der Eisenerzeugung und Leitmärkte für emissionsarmen Stahl durch öffentliche Beschaffung und Normung.

 

"Die Förderpolitik reicht nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie sicherzustellen", sagten Parul Kumar, stellvertretende Geschäftsführerin, und Julian Parodi, EU Policy Specialist für industrielle Dekarbonisierung, im Gespräch mit energate. Es brauche eine EU-weite Analyse, wo Stahlproduktion wirtschaftlich und nachhaltig sei. "Duisburg sollte gezielt gefördert werden, um als Zentrum der Wasserstoffwirtschaft im Ruhrgebiet zu fungieren", so die Experten. Auch der schrittweise Ausstieg aus der kostenlosen Zuteilung im ETS sei entscheidend für eine nachhaltige Transformation. /lm/ck

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