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Smart-Meter-Rollout nur "mit angezogener Handbremse"

Berlin (energate) - Für dynamische Tarife, die ab dem nächsten Jahr für Stromanbieter zur Pflicht werden, ist ein Smart Meter im Haushalt ein Muss. Doch beim Rollout halten sich Kommunalversorger noch bewusst zurück, wie VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing im Interview mit dem energate-Magazin emw einordnete: "Vor dem Hintergrund einer möglichen zeitnahen Erhöhung der Preisobergrenzen und anderer geplanter Entlastungen haben viele Stadtwerke bisher mit angezogener Handbremse mit dem agilen Rollout begonnen", sagte er.

 

Schon lange fordert die Branche eine Anhebung der vom Wirtschaftsministerium verordneten Preisobergrenzen. Für Haushalte zwischen 6.000 und 10.000 kWh dürfen die Unternehmen jährlich beispielsweise nur 20 Euro für den Einbau und Betrieb der intelligenten Systeme in Rechnung stellen. Der VKU-Hauptgeschäftsführer warnte vor einem Verlustgeschäft, die Mittel würden andernorts für die "Grundaufgaben" fehlen, etwa beim Netzausbau. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte in der Frage zuletzt Bereitschaft signalisiert, den Netzbetreibern entgegenzukommen. In dem im Juli veröffentlichten Digitalisierungsbericht hatte das Ministerium eingeräumt, dass die gesetzten Preisgrenzen so "nicht auskömmlich" seien. Auf konkretere Ankündigungen wartet die Branche allerdings noch.

 

Tafs und Steuerboxen fehlen

 

Ab kommendem Jahr wird die Aufgabe noch ein Stück größer. Dann müssen die Unternehmen auf Kundenwunsch Smart Meter einbauen. Aktuell sei noch schwer vorhersehbar, wie hoch die Nachfrage tatsächlich sein wird, so Liebing auf Nachfrage. Neben den Preisobergrenzen sieht er für einen flächendeckenden Rollout aber grundsätzlich noch weitere Hürden. Für die Smart Meter seien noch nicht alle Tarifanwendungsfälle (Taf) zertifiziert. Zudem fehlten zertifizierte Steuerboxen. Auch "laufend neue regulatorische Anforderungen", offene technische Umsetzungsfragen und der hohe Bedarf an Fachkräften wirkten sich hemmend aus. "Und wir brauchen Regeln, die sicherstellen, dass die Vorgaben mit den vorhandenen Ressourcen auch technisch umsetzbar sind", so Liebing.

 

Dynamische Tarife pünktlich

 

Der VKU-Hauptgeschäftsführer geht jedoch davon aus, dass die Stadtwerke pünktlich zum 1. Januar 2025 dynamische Tarife anbieten können. Diesen Stichtag sieht §41a EnWG unabhängig von der Unternehmensgröße vor. Heute sind nur größere Lieferanten mit über 100.000 angeschlossenen Kunden betroffen. Liebing hält die Ausweitung wegen der noch geringen Nachfrage und großer regionaler Unterschiede für verfrüht. Verbraucher müssten zudem bereit sein, "beim Strompreis Schwankungen in Kauf zu nehmen", gab der Verbandschef zu bedenken. Ein dynamischer Tarif biete zwar vertriebliche Chancen, sei allerdings zu Beginn mit hohen Entwicklungskosten und Aufwendungen verbunden. Trotzdem beschäftigten sich die Verbandsmitglieder intensiv mit der Umsetzung. "Einige Stadtwerke erarbeiten gemeinsame Lösungen", sagte Liebing. Es gebe auch White-Label-Lösungen von Dienstleistern.

 

Herausforderung bei der Datenaufbereitung

 

Bei der Gestaltung der neuen Tarife sieht Liebing die Systemintegration und die Datenaufbereitung als größte Herausforderung. "Bislang sehen die gängigen IT-Abrechnungssysteme noch keine Abrechnungsvorbereitung für dynamische Tarife vor", so Liebing. Hier seien aktuell noch Zwischenlösungen im Einsatz. "Pro Tag müssen 24 Preise und die dazugehörigen Verbrauchswerte erfasst und abgerechnet werden, im Monat 720 Datenpaare, im Jahr 8.760 Datenpaare - und das für jeden Kunden", rechnete er vor. Zum Vergleich: Bisher sind es jährlich nur zwei Werte. Außerdem setzten dynamische Tarife intelligente Messsysteme voraus, die durch den Messstellenbetreiber kostenpflichtig installiert werden. In Teilen arbeite aber die Datenkommunikation der Smart-Meter-Infrastruktur noch nicht einwandfrei, was zusätzlichen Aufwand erzeuge.

 

Die Deutsche Energieagentur (Dena) hatte im August gefordert, die Prozesse rund um den Smart-Meter-Rollout besser umzusetzen und neue Softwarelösungen schneller zu implementieren. Ein Teil des Marktes setze die Prozesse, die der Standardisierung dienen, nur mit erheblicher Verzögerung um, beklagte die Dena in ihrem Bericht "SET Pilot 1: Von Daten zum Mehrwert". /kij/mh

 

Das komplette Interview mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des energate-Magazins emw.

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