Smart-Meter-Rollout: Frage nach Kosten und Vereinfachung
Berlin/Essen (energate) - Beim Smart-Meter-Rollout bleibt nicht nur die Frage nach der Beschleunigung weiterhin unbeantwortet. Es bestehen auch Kontroversen darüber, wer sich am Rollout beteiligen darf, welche Technik ausreichend ist und welche Kosten unvermeidbar sind. Dies wurde beim energate-Talk "Warten auf den Smart-Meter-Turbo: Wie nimmt der Rollout endlich Fahrt auf?" deutlich, wo Vertreter aus dem Bundeswirtschaftsministerium und Messtellenbetreiber miteinander diskutierten.
Weniger komplexe Technik gefordert
Einen "Reset" bei den Smart-Meter-Regelungen forderte Bastian Gierull, Geschäftsführer des Stromanbieters Octopus Energy, der als wettbewerblicher Messtellenbetreiber am Rollout beteiligt ist. Deutschland müsse die Anforderungen an die Technik herunterschrauben und solle auf "Smart Meter light" setzen, wie sie in anderen europäischen Ländern verbaut würden. Diese weniger komplexe Technik habe dazu beigetragen, dass diese Länder teilweise schon einen flächendeckenden Rollout hinter sich haben, während in Deutschland noch über den Beginn des Rollouts geredet werde.
Anders sah das Malte Sunderkötter, CEO und Managing Director von Eon Grid Solutions. Es sei zwar wichtig, zu schauen, wie Gesetze sich anpassen lassen, um die Anforderungen an die Technik und Messstellenbetreiber herunterzuschrauben. Doch ein Neustart könne den Rollout auch zum Erliegen bringen, warnte Sunderkötter. Im Konzernverbund hat Eon seinen Ausführungen zufolge bereits ungefähr 600.000 Smart-Meter verbaut. "Wir können jetzt auf der anderen Seite auch keinen Wildwuchs zulassen", forderte er.
"Zwischenprüfung" am Ende des Jahres
Jeffrey Ludwig, Referent für Messstellenbetrieb, Digitalisierung der Verteilnetze und Marktkommunikation beim Stadtwerkeverband VKU, plädierte dafür, die Anforderungen nicht drastisch zu ändern. "Es wäre schön, wenn wir jetzt erst einmal ins Arbeiten kommen könnten", sagte er beim energate-Talk. Die vergangenen Jahre seien von neuen Regulierungen geprägt gewesen. Die Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) war in seinen Augen ein wichtiger Schritt, da die Preisobergrenzen angehoben wurden. "Der Rollout bereitet sich gerade auf die Zwischenprüfung Ende des Jahres vor", so der Verbandsvertreter, mit Blick auf die Pflichtquoten, die grundzuständige Messstellenbetreiber bis zum Jahresende zu erfüllen haben.
Ende des Jahres müssen Messstellenbetreiber für eine erste Verbrauchergruppe, zu der etwa Abnehmer mit einem Jahresvolumen von mehr als 6.000 kWh gehören, eine Rollout-Quote von 20 Prozent erreichen. Gegenüber energate hatte die Bundesnetzagentur (BNetzA) im Februar erklärt, dass diese Quote der Pflichteinbaufälle zuletzt bei elf Prozent gelegen habe. Knapp die Hälfte der Netzbetreiber hat zudem noch nicht mit dem Rollout begonnen. Die BNetzA hatte deshalb im Februar rund 700 Messstellenbetreiber abgemahnt. In dem Schreiben wies die BNetzA daraufhin, dass die Rollout-Quoten dieser Unternehmen "bislang deutlich unterhalb der Zielvorgabe" lägen und drängte die Netzbetreiber, "die verbleibende Zeit effektiv zu nutzen".
Smarte Mess- und Steuerungstechnik gefordert - mit den Kosten im Blick
Marcel Linnemann, Stabsbereichsleitung Energiewirtschaft: Strategie & Wissen beim IT-Dienstleister Items und Mitinitiator von Simplify Smart Metering, wies auf die größeren Zusammenhänge hin. Damit das Stromnetz mit den 80 Prozent erneuerbarer Energie im Jahr 2030 umgehen könne, wie es das EEG fordert, brauche es eine smarte Mess- und Steuerungstechnik als Fundament. "Die haben wir heute nicht, wir stehen bei 1,9 Prozent", gab Linnemann zu bedenken. Hinzu komme, dass bislang komm Steuerboxen verbaut würden, da diese am Markt noch nicht verfügbar seien. "Wir rechnen auch eher damit, dass das im Jahr 2026 überhaupt erst losgeht", so Linnemann. Bis 2030 bleibe nur noch wenig Zeit für das komplexe Projekt. Dabei seien auch hohe Kosten zu beobachten, kritisierte er.
Einige Messstellenbetreiber hatten hunderte Euros für den Smart-Meter-Einbau auf Kundenwunsch berechnet. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte deswegen eine Klage gegen Messstellenbetreiber wegen überhöhter Gebühren geprüft. Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat sich die Kosten für den Rollout angeschaut. Der Digitalisierungsbericht des Ministeriums habe ergeben, dass vor allem die Prozess- und Backend-Kosten dominieren und nicht so sehr die Hardwarekosten, sagte Adrian Loets, Referent für Digitalisierung der Energiewende im Wirtschaftsministerium. Dort gebe es einen Hebel, um die Kosten zu senken.
Wenn Messtechnik vereinfacht würde, könnte man auch bei der Hardware sparen, widersprach Linnemann. Nicht jeder Fall brauche ein intelligentes System. Natürlich gebe es auch auf der IT-Seite das Potenzial für Skaleneffekte. Wenn aber die Komplexität so hoch bleibe, seien diese aber begrenzt. Durch den Wegfall der Bündelungsregelungen würden die Kosten eher noch steigen. Auch konzentrierten sich viele Netzbetreiber zu stark auf die Quoten und würden mit hohen Preisen versuchen, Kunden, bei denen der Einbau von Smart-Metern optional ist, wegzudrängen.
Wettbewerbliche Messstellenbetreiber überflüssig?
Der Eon-Grid-Solutions-Chef regte die Vereinfachung der Marktrollen an. Die grundzuständigen Messstellenbetreiber seien verantwortlich, den Pflichteinbau in den Kundengruppen, bei denen ein hohes Flexibilitätspotenzial bestehe, voranzubringen und zudem noch den Einbau auf Kundenwunsch umzusetzen. "Dann hätten wir ein effizientes Vehikel, mit dem wir den Smart-Meter-Rollout nach vorne bringen könnten." Dann brauche es die wettbewerblichen Messstellenbetreiber nicht mehr, so Sunderkötter.
Wettbewerbliche Messstellenbetreiber seien aber wichtig, um Druck auf die grundzuständigen Messstellenbetreiber auszuüben, gab Referent Loets zu Bedenken. Zudem seien sie wichtig für die Kundenorientierung. Octopus-Energy-Geschäftsführer
Gierull erinnerte daran, dass die Unternehmen jahrzehntelang Vorreiter gewesen seien. Jetzt, wo größere Unternehmen Business Cases und Skalierungen aufbauen, werde plötzlich in den Raum gestellt, sie abschaffen zu wollen. Skalierung sei aber ein wichtiges Thema. Flächendeckend zu arbeiten, mit ganzen Straßenzügen, das drücke die Installationskosten, so Gierull. /kij
Transparenzhinweis: Die ursprüngliche Version des Artikels enthielt falsche Angaben zur Zahl der von Eon verbauten Smart-Meter. Wir haben den Fehler behoben.