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Rhein-Main will H2-Modellregion werden

Darmstadt (energate) - Die Gasverteilnetzbetreiber suchen nach einer Zukunftsperspektive. Eine Option könnte die Versorgung von Industriekunden mit Wasserstoff sein. Das Projekt "Rh2ein-Main-Connect" soll eine Blaupause für ein regionales Wasserstoffverteilnetz und Vorbild für andere Regionen sein. Das sagen zumindest die hessischen Energieversorger Entega und ESWE im energate-Interview, die beide gemeinsam mit der Mainova hinter dem Vorhaben stehen. Zwar habe die Rhein-Main-Region eine besonders günstige Ausgangslage für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Dazu gehöre ein starkes Konsortium regionaler Player, viel Industrie ebenso wie eine gute Anbindung ans Kernnetz. Dennoch zeigte sich Marie-Luise Wolff, Vorstandsvorsitzende der Darmstädter Entega, im Gespräch mit energate überzeugt: "Unser Modell kann sicherlich als Beispiel für weitere Projekte stehen."

 

Höhler: 30 Wasserstoffregionen möglich

 

Jörg Höhler, Vorstand des Wiesbadener Versorgers ESWE, verwies ergänzend darauf, dass die Herausforderung, Großkunden künftig mit Wasserstoff zu versorgen, überall bestehe. Er sieht deutschlandweit das Potenzial für etwa 30 solcher Wasserstoffregionen. Tatsächlich gibt es im gesamten Bundesgebiet bislang nur eine überschaubare Zahl an Projekten ähnlicher Art. In Thüringen plant beispielsweise ein Konsortium von Gasnetzbetreibern ein regionales H2-Verteilnetz. Ziel ist es dort, die Glasindustrie am Rennsteig und auch andere energieintensive Betriebe im Raum Nordwestoberfranken zu beliefern.

 

In Hessen soll ein regionales Wasserstoffnetz mit einer Länge von 300 Kilometern entstehen. Erste Teilabschnitte sollen 2028 den Betrieb aufnehmen. "Bis 2032 wollen wir das Netz in einem zweiten Schritt über Umwidmungen bestehender Gasleitungen vervollständigen", erklärte Wolff weiter. Das Verteilnetz soll an Leitungen des Wasserstoff-Kernnetzes anschließen und den gasförmigen Energieträger zu Industriekunden und Kraftwerken in der Region bringen. Entsprechend sind auch der Fernleitungsnetzbetreiber OGE und der Kraftwerksbetreiber KMW an dem Vorhaben beteiligt.

 

Diskussion über Rolle von Verteilnetzen

 

Die künftige Versorgung von Industriekunden mit Wasserstoff ist einer der noch verbliebenen Hoffnungsträger für den Erhalt der Gasverteilnetze, neben der Kraft-Wärme-Kopplung. Denn in der Branche hat sich zunehmend die Ansicht durchgesetzt, dass Wasserstoff im Wärmemarkt keine bedeutende Rolle spielen wird, zumindest nicht, um Einzelheizungen zu versorgen. Im Interview betonte Entega-Chefin Wolff deswegen die Bedeutung von Verteilnetzen für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. "Ohne Verteilnetze wird der Wasserstoffmarkt nicht funktionieren", sagte sie. Denn der Hochlauf steht und fällt mit den Abnehmern und der Wasserstoff müsse ja schließlich irgendwie dorthin gelangen. Die Industrieunternehmen sind zumeist an das Gasverteilnetz angeschlossen. Insofern sprach sie sich klar dafür aus, "dass die Fördermittel, die für das Kernnetz zur Verfügung stehen, auch auf die Verteilnetzebene ausgeweitet werden".

 

Investitionsentscheidung Anfang 2025

 

Im Kontext der Finanzierung betonte ESWE-Vorstand Höhler weiter, dass auch das Projekt in der Rhein-Main-Region ohne Fördermittel "nicht funktionieren" werde. Zumindest aus dem hessischen Wirtschaftsministerium hat das Konsortium zu dem Thema schon positive Signale erhalten, ergänzte er. Insgesamt planen die Beteiligten mit einem Investitionsvolumen zwischen 400 und 600 Mio. Euro. Bis Ende des Jahres sollen die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vorliegen. Auf dieser Basis soll dann Anfang 2025 eine Investitionsentscheidung fallen. "Im Anschluss können wir relativ schnell verbindliche Verträge mit Ankerkunden schließen und weitere Planungen angehen", zeigte sich Höhler zuversichtlich.

 

Industrie braucht frühzeitig Klarheit

 

Die beteiligten Energieversorger sehen in dem Projekt auch einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Frankfurt/Rhein-Main, wie ESWE-Vorstand Höhler betonte. In der Region gebe es zahlreiche größere Industriestandorte, die viel Wärme und Dampf für ihre Produktionsprozesse benötigten. Diese Unternehmen müssten sich im Zuge der Dekarbonisierung auch frühzeitig auf den Brennstoffwechsel einstellen. Grundsätzlich zeigte sich Höhler vom Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft überzeugt. Der "Point of no Return" sei bereits überschritten. "Der Wasserstoff wird kommen. Jetzt liegt es an uns, wie schnell der Markthochlauf einsetzt", sagte der ESWE-Manager.

 

Die Industrie hatte sich - vor allem, was grünen Wasserstoff angeht - zuletzt allerdings durchaus resigniert gezeigt. Auf absehbare Zeit werde es dieser als Erdgasersatz in der Industrie schwer haben. Das liegt vor allem an dem großen Preisunterschied zwischen grünem und fossilem Energieträger, was eine Umstellung der Prozesse nicht wirtschaftlich macht. So war zumindest der Tenor beim Essener energate-Forum im Frühjahr. /rb/ml

 

Das gesamte Doppelinterview mit Marie-Luise Wolff, Vorstandsvorsitzende der Entega, und Jörg Höhler, Vorstandsmitglied von ESWE, lesen Sie im Add-on Gas & Wärme.  Weitere Interviews aus unserer diesjährigen Sommerserie "Kommunale Netzinfrastruktur im Umbruch" lesen Sie hier

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