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Rechtssicher ins neue Regulierungssystem?

Köln (energate) - Die durch das EuGH-Urteil gestärkte Bundesnetzagentur arbeitet aktuell an einer umfassenden Reform des Regulierungssystems. Ob es am Ende sehr viel einfacher und rechtssicherer wird, daran kamen bei einer Veranstaltung der Kanzlei Rödl & Partner Zweifel auf. Insbesondere die geplante Verkürzung der Regulierungsperioden auf nur noch drei Jahre sorgte für Kritik. "Das würde einen erheblich höheren Aufwand sowohl auf der Netzbetreiberseite als auch bei uns Regulierungsbehörden nach sich ziehen", warnte Berthold Kremm, Vorsitzender der Regulierungskammer NRW.

 

Ziel der Bundesnetzagentur ist es, dass insbesondere die operativen Kosten der Netzbetreiber (Opex) schneller anerkannt werden. In den Augen von Kremm würde eine dreijährige Periode den problematischen Zeitverzug aber lediglich von sieben auf fünf Jahre minimieren. Und auch bei Gerichtsentscheidungen, die sich heute schon oftmals auf die abgelaufene Regulierungsperiode beziehen, würde noch mehr Verwirrung entstehen, wenn sie Fälle behandelten, die zwei Perioden zurückliegen.

 

Auch der Vorsitzende der hessischen Regulierungskammer, Stefan Lamberti, warnte vor noch dichter getakteten Kostenprüfungen. Bei allen Reformen sollte die BNetzA darauf achten, dass die neuen Vorschriften auch vollzogen werden müssen. Insbesondere die kleineren Netzbetreiber müssten durchkommen, ohne übermäßig teure Beratungsdienstleistungen einkaufen zu müssen, appellierte Lamberti.

 

Riesenchance für Bürokratieabbau

 

Hunderte von Vorschriften wird die Netzagentur in den kommenden Jahren streichen und durch eigene Festlegungen ersetzen müssen. Eigentlich "eine Riesenchance" zum Bürokratieabbau, so Lamberti. Das erste Eckpunktepapier mit dem Namen "Netze. Effizient. Sicher. Transformiert." (NEST) enthält insgesamt 13 Regelungsschwerpunkte. Bisher werde "sehr offen kommuniziert", lobte der hessische Regulierungschef Lamberti die Bonner Kollegen.

 

Die Dauer der Regulierungsperioden ist nur ein Vorschlag unter vielen. Dazu zählen auch neue Pauschalen für Kapitalkosten (WACC), für die sich die NRW-Behörde schon länger stark mache und sich "daher sehr über die Aufnahme ist das Nest-Papier freue", so Kremm. Weitere Themen sind eine Entschlackung des durch Lobbyarbeit ausgeuferten Katalogs der "nicht dauerhaft beeinflussbaren Kosten" (dnbK), eine Belohnung von "Energiewendekompetenz" oder aber auch Veränderungen am "vereinfachten Verfahren".

 

Rödl & Partner hat die Vorschläge mittels eines Ampelsystems bewertet und dabei mehrere Vereinfachungen für das Energiesystem und für mehr Transparenz festgestellt. Ein Beispiel dafür ist, dass der Effizienzvergleich im Gasbereich flexibler werden soll, weil die Transformationsgeschwindigkeit der Netzbetreiber sich künftig stärker unterscheiden dürfte. Dadurch steige auf der anderen Seite aber der Datenaufwand und die Ampel springe auf rot, erläuterte Rechtsanwalt Jürgen Dobler. Dies gelte auch für die Erhebung der tatsächlichen Gewerbe- und Körperschaftsteuer. Zur Einordnung: Bislang werden hier nur kalkulatorische Werte angesetzt. Bei Unternehmensverbünden müsste dann künftig der dem Strom- oder Gasnetzbetrieb jeweils zuzurechnende Anteil der Gewerbesteuerzahlung des Querverbundes ermittelt werden. Ein Vorstoß, den auch Kremm nicht nur wegen des Aufwands eher kritisch bewertet.

 

Vereinfachte Verfahren stehen auf dem Prüfstand

 

Lob äußerte der Behördenchef dagegen für den Vorstoß, dass die Bundesnetzagentur das "vereinfachte Verfahren" nochmals überprüfen will. In Deutschland profitieren Dreiviertel der Netzbetreiber davon. Es ist bisher von der Anzahl der angeschlossenen Kunden abhängig. Nachgedacht wird über eine wirtschaftliche Kennzahl, um die Flucht aus dem Regelverfahren einzugrenzen.  "Wir wollen das vereinfachte Verfahren nicht abschaffen, sondern den Kreis der Teilnehmer etwas zurückdrängen", erläuterte Kremm. Auch über den bisher gewährten pauschalen Effizienzwert von 96 Prozent müsse nochmals geredet werden. Das Gegenargument aus dem Auditorium, dass doch auch für die Regulierungsbehörden der Aufwand dann steigt, widersprach er. Für sein Team mache dies mit den vorhandenen Exceltools kaum einen Unterschied.

 

Klagewelle absehbar

 

Für alle neuen Festlegungen sind die elf Mitglieder der neuen Großen Beschlusskammer der Bundesnetzagentur zuständig. Sie trifft in der oberen Ebene "Rahmen-Festlegungen", erstes Beispiel ist die kürzlich beschlossene WANDA zu den neuen Netzentgelten des Wasserstoff-Kernnetzes. Die Reform der Anreizregulierung läuft derweil unter dem Titel "RAMEN", der etwas unglücklich an ein asiatisches Nudelgericht erinnert, so Kremm. Sowohl die beiden Behördenvertreter als auch Rödl-Anwalt Thomas Wolf gehen davon aus, dass RAMEN und alle weiteren Festlegungen beklagt werden. "Die Verfahren werden Jahre dauern, auch für die Landesregulierungsbehörden wird es dadurch sicher nicht einfacher", so Wolf.

 

Bisher habe der Bundesgerichtshof der Bundesnetzagentur oft ein "Regulierungsermessen" zugestanden - zum Leidwesen der Netzbetreiber. Oder es gab Überraschungseier: Die Netzagentur schrieb 50 Seiten, die Netzbetreiberseite 100 und der BGH pickte sich am Ende bei der Gesetzesbegründung einen ganz anderen Punkt heraus. Aber gerade, weil die Behörde mehr Macht gewinnt, hat der Gesetzgeber über § 73 Abs. 1b EnWG eine bessere Überprüfungsmöglichkeit eingeführt. Danach muss die Behörde ihre Festlegungen umfassend begründen. Ob die Gerichte dann in der Praxis tatsächlich tiefer einsteigen in die Energiewirtschaft und das Energierecht, das bleibe abzuwarten, so Wolf.  /mt

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