Rechenzentren bauen "tote Assets" im Gigawattbereich
Friedrichshafen (energate) - Der Bau von Dieselmotoren für die Absicherung der vielen neuen Rechenzentren boomt. Für die Stabilisierung des Strommarktes sind die Anlagen nicht nutzbar, weil die Regulatorik die Betreiber abschreckt. Stattdessen plant Deutschland Milliarden in Kraftwerksausschreibungen und später den Kapazitätsmarkt zu investieren. "Natürlich wäre das eine der größten energiewirtschaftlichen Chancen, wenn die Gigawatt Back-up-Leistung, die pro Jahr zugebaut wird, auch für das Stromnetz einsetzbar wäre", sagte Tobias Ostermaier, Präsident der Abteilung
Stationary Power Solutions von Rolls-Royce im Gespräch mit energate. Den Punkt diskutiere das Unternehmen bereits seit mehreren Jahren mit seinen Kunden. "Nur ganz wenige sind bereit, dies zuzulassen", führte sein Kollege Andreas Görtz aus.
Technisch sei es durchaus machbar, dass der doppelte Einsatz der Motoren die Sicherheit der Rechenzentren nicht beeinflusse, sind sich die beiden Manager einig. "Aber der große Haken ist, dass der Betreiber zum Energieversorger wird - mit der ganzen Regulatorik, die daran hängt", erläuterte Görtz. Unternehmen sähen die Gefahr, den Fokus auf ihr Kerngeschäft zu verlieren. "Deshalb stehen in Deutschland und im Rest der Welt sozusagen tote Assets im Gigawattbereich, während wir auf der anderen Seite andere Assets im Gigawattbereich aufbauen für die Netzsicherheit".
Motorenlösungen stehen im Fokus
Auch Rolls-Royce hofft bei den anstehenden Kraftwerksausschreibungen auf Absatzchancen, ebenso beim ab 2028 anschließenden Kapazitätsmarkt. Der Hersteller mit Hauptsitz in Friedrichshafen sieht sich hier allerdings ausgebremst, da die Ausschreibungen nicht technologieoffen ausgestaltet seien. Dass Mototoren weniger effizient als Gasturbinen sind, sei einer der "größten Mythen nach wie vor in Deutschland", kritisiert Ostermaier.
Das Unternehmen investiert viel Geld in eine Motorenplattform für mehr Effizienz und gab dafür den Bau eigener Elektrolyseure und Brennstoffzellen im Jahr 2023 auf. Mit einer Brennstoffzelle lasse sich in Kombination mit einer Batterie zwar technisch problemlos eine Notstromversorgung sicherstellen. Aber die Kraftstoffverfügbarkeit und die Kosten für die Lagerung sind in den Augen des Herstellers ein Problem. "Heute kann ein Datacenter 72 Stunden kontinuierlich laufen mit dem Diesel aus den eigenen Tanks für den schlimmsten Fall eines Blackouts. Wenn ich das mit Wasserstoff darstellen wollte, dann würde ich das Datacenter nicht mehr sehen, weil es komplett umgeben wäre von Tanks", so Görtz.
Abschied auch von Elektrolyse
Auch die Übernahme des Elektrolyse-Stack-Spezialisten Hoeller im Jahr 2022 trägt keine Früchte. Stattdessen überlässt Rolls-Royce jetzt Markteilnehmern wie Siemens oder MAN das Feld. "PEM-Elektrolyse in die Industrialisierung zu bringen - und das merken auch die Firmen, die jetzt dort noch investieren - ist hoch anspruchsvoll und erfordert hohe Beträge", argumentierte Görtz. Da dies keine Verbrenner ersetze, sondern nur ein Add-on dazu sei, fiel die Entscheidung dagegen aus. Chancen sieht das Unternehmen dagegen im Batteriemarkt, wo Rolls-Royce bereits 2018 in das damalige Younicos-Spinn-off, das Berliner Speicherunternehmen Qinou, investierte. Etwas enttäuschend sei der Heimatmarkt, wo gemessen am Netzstabilisierungsbedarf eigentlich mehr passieren müsste. Stattdessen beobachtet das Unternehmen Investitionen eher in den Niederlanden, UK, Polen und dank einer neuen Regulierung auch in der Türkei. /mt