Oranienburg: Netzengpass teilweise überwunden
Oranienburg (energate) - Der bundesweit beachtete Anschlussstopp im Oranienburger Verteilnetz ist zum Teil überwunden. Die Stadtwerke Oranienburg schließen ab sofort wieder neue Haushalte an ihr Stromnetz an und gewähren auch Leistungserhöhungen für neue Wärmepumpen oder E-Autos ihrer Bestandskunden. Dazu hat der Kommunalversorger mit seinem vorgelagerten Netzbetreiber Edis eine Lösung gefunden. Die Bundesnetzagentur, die auf die Pflicht zum Netzanschluss gepocht und dazu kurzfristige Übergangslösungen gefordert hatte, gibt sich in einer ersten Reaktion zufrieden. "Wir begrüßen sehr, dass die beteiligten Unternehmen eine kurzfristige Lösung für Oranienburg erarbeitet haben und Anschlüsse von Wohnbebauung, Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur gesichert sind", gab Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller zu Protokoll.
Unklar bleibt jedoch, ob der Anschlussstopp für Industrie und Gewerbe bestehen bleibt. Auf energate-Anfrage dazu hieß es vom Unternehmen, dass "keine zusätzlichen Informationen über die Angaben in der Pressemitteilung" hinaus gegeben werden.
Mehr Leistung durch interne Vorkehrungen
Wie die beiden Unternehmen gemeinsam mitteilten, könne Edis aufgrund "interner Vorkehrungen und einer lösungsorientierten Vorgehensweise" am bestehenden Umspannwerk eine "erhöhte Leistung" bereitstellen. Vorbehaltlich einer technischen Prüfung könnte ab September 2024 nochmals mehr Kapazität hinzukommen. Demnach sollen in einem ersten Schritt die Stadtwerke ihre vorhandenen Reserven bis zur bereit gestellten Leistung voll ausnutzen, wie energate auf Nachfrage bei Edis erfuhr. Parallel dazu erfolge die stufenweise Spannungsumstellung sowie Umbaumaßnahmen im angrenzenden Mittelspannungsnetz der Edis. Ziel sei es, dass Umspannwerk in Oranienburg zu entlasten und Netzkunden aus einem anderen Umspannwerk zu versorgen. Die dadurch freigesetzten Kapazitäten würden den Stadtwerken Oranienburg zur Verfügung gestellt.
Um erneute Kapazitätsengpässe auszuschließen, bereiten die Stadtwerke Oranienburg die Errichtung eines temporären Ersatz-Umspannwerkes vor. Das solle die Zeit bis zum Neubau des eigenen Umspannwerks, welches erst Ende 2026 in Betrieb gehen kann, überbrücken.
Situation in Oranienburg bundesweit einzigartig
Die Stadtwerke Oranienburg sorgten Mitte April 2024 für bundesweite Aufruhr mit der Nachricht, das Verteilnetz der wachsenden Stadt habe seine Kapazitätsgrenze erreicht. In der Folge verhängte der Versorger einen vorübergehenden Stopp neuer Haushaltsanschlüsse sowie von Leistungserhöhungen im Bestand. Die Bundesnetzagentur forderte daraufhin die beiden Unternehmen auf, schnellstmöglich Übergangslösungen zu finden, damit der Pflicht zum Netzanschluss Genüge getan wird.
Der Fall ist pikant, weil im Zuge des Erneuerbarenausbaus vielfach über eine Überlastung des Stromnetzes gemutmaßt wurde. Die Situation in Oranienburg sei jedoch bundesweit einzigartig, stellte die Regulierungsbehörde klar. Der Anschluss von Wärmepumpen oder Wallboxen habe nur eine "untergeordnete Rolle" gespielt. Stattdessen sei in den vergangenen Jahren der Bedarf an Anschlusskapazitäten, insbesondere aus Industrie, Gewerbe und neuen Baugebieten, stark gestiegen. Die Netzagentur schlussfolgerte schließlich, dass eine vorausschauende Netzplanung unabdinglich sei.
Kommunikatives Versagen
Das war ein Seitenhieb auf die beteiligten Netzbetreiber, die sich zunächst gegenseitig die Schuld zuschoben. So hieß es vonseiten der Stadtwerke Oranienburg, dass die Eon-Tochter Edis nicht in der Lage sei, die "schon seit über einem Jahr angeforderte zusätzliche Kapazität über ein eigenes Umspannwerk bereitzustellen". Ein Vorwurf, den sich Edis nicht gefallen ließ. Der Verteilnetzbetreiber betonte gegenüber energate, es gebe im Hochspannungsnetz des Unternehmens "aktuell keine Einschränkungen, entsprechende Kapazitätswünsche der Stadtwerke zu erfüllen". Der Engpass befände sich im Verteilnetz der Stadtwerke, die hoheitlich verantwortlich seien. Die Bundesnetzagentur monierte dementsprechend "Kommunikationsdefizite zwischen den beteiligten Verteilnetzbetreibern".
Konstruktive Gespräche
Offenbar gelang es in den letzten Tagen, die Streitigkeiten beiseitezulegen. "Wir sind der Edis dankbar, dass wir am heutigen Umspannwerk deutlich mehr Strom entgegennehmen können", erklärte Peter Grabowsky, Geschäftsführer der Stadtwerke Oranienburg. In der gemeinsamen Mitteilung wird außerdem betont, dass die Lösung ein Ergebnis der konstruktiven Gespräche zwischen der Bundesnetzagentur, den Stadtwerken und der Edis Netz sei.
Nachspiel für ehemaligen Geschäftsführer Assadi
Ganz harmonisch geht es bei den Stadtwerken jedoch noch nicht zu. Die Stadtwerke Oranienburg prüfen derzeitig, ob dem ehemaligen Geschäftsführer Alireza Assadi im Zusammenhang mit den sich abzeichnenden Kapazitätsengpässen ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Nach Einschätzung der Stadtwerke bestehe seit Längerem der Verdacht, dass es in der Vergangenheit "erhebliche Versäumnisse" des früheren Geschäftsführers gab, hieß es auf energate-Nachfrage.
So sei nach seinem Ausscheiden erkannt worden, dass erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung des Netzengpasses an der Schnittstelle zum Umspannwerk nicht ergriffen wurden. Das für Ende 2026 neu geplante Umspannwerk sei Resultat der Bemühungen des neuen Geschäftsführers Peter Grabowsky sowie des Bürgermeisters der Stadt Oranienburg, Alexander Laesicke, die Fehler des Vorgängers auszubügeln. Gegenüber Alireza Assadi würden in der Folge Schadenersatzansprüche geltend gemacht. /rh
Der Artikel wurde am 30. April aktualisiert.