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Offshore-Netzanschlüsse werden zum Problem

Berlin (energate) - Deutschland wird seine Offshore-Ausbauziele bis zum Jahr 2030 um mindestens ein Jahr verfehlen. Dies geht aus einer Ausbaustatistik des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard hervor, die auf einer Branchenpressekonferenz präsentiert wurde. Fehlende Netzanschlüsse seien der Grund dafür, dass das Ausbauziel des Wirtschaftsministeriums von 30.000 MW Offshore-Windenergiekapazität bis 2030 verfehlt wird, wie Merle Heyken, Projektmanagerin bei der Deutschen Windguard, auf der Pressekonferenz klarmachte. So werde das Ziel von 30.000 MW erst im darauffolgenden Jahr erreicht. Davon unberührt sei jedoch das Ziel von 40.000 MW im Jahr 2035. Dies werde bereits ein Jahr früher im Jahr 2034 erreicht, stellte Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO), klar.

 

Netzanschlüsse verzögern Projekte bereits heute

 

Bereits heute wartet der 913-MW-Offshore-Park "Borkum Riffgrund 3" des dänischen Energiekonzerns Ørsted auf seinen Netzanschluss. Zwar ist die Installation des Windparks abgeschlossen, durch den fehlenden Netzanschluss verzögert sich jedoch die Inbetriebnahme auf das erste Quartal 2026. Eine Situation, die Thimm mit Lieferkettenproblemen aus der Coronazeit erklärte. Generell seien die Netzanschlüsse "eine Herausforderung". Zwar sei die Netzanbindung im Allgemeinen "gut mit dem Ausbau synchronisiert", jedoch würden "unvorhersehbare Ereignisse" nun die Verzögerungen nach sich ziehen. Die besten Planungen seien hinfällig, wenn "höhere Gewalt" ins Spiel käme, so Thimm weiter.

 

Dass die Netzanschlüsse in Zukunft ein ernsthaftes Problem werden könnten, prophezeite bereits Tibor Fedke, Partner der Kanzlei Noerr, im Interview mit energate. Der M&A-Experte verwies im Gespräch darauf, dass die geringeren Auktionsergebnisse des Jahres 2024 im Vergleich zu 2023 auch damit zusammenhingen, dass sich die Netzanbindungen wohl teilweise erheblich verzögern werden. "Das hat die Bieter seither vorsichtiger werden lassen", so die Einschätzung Fedkes.

 

Probleme des Auktionsdesigns werden "virulent"

 

Deutlich wurde Andreas Mummert, Leiter Politik bei der Stiftung Offshore-Windenergie, im Hinblick auf das Dauerstreitthema Auktionsdesign. Statt auf möglichst hohe Erlöse abzuzielen, müsse das Ausschreibungsdesign vielmehr die Stärkung europäischer Wertschöpfung im Blick haben. Eine Forderung, die die Offshore-Branche bereits seit Langem äußert, die jedoch auf der Jahrespressekonferenz nochmals mit deutlich schärferem Ton vorgetragen wurde. So werde das Problem des Designs mit jedem Jahr "virulenter", in dem nichts geändert werde, mahnte Mummert. Die vorgebrachte Kritik: Hohe Erlöse würden die Strompreise nur noch weiter in die Höhe treiben, was aber angesichts der angespannten Wirtschafts- und Industrielage nicht wünschenswert sei. Zudem müsse sich die kommende Bundesregierung darauf konzentrieren, die Realisierungschancen der Projekte zu steigern - was wiederum auch mit sinkenden Auktionserlösen zu fördern sei.

 

Dänische Auktion als "Weckruf"

 

Als ein "Weckruf" müsse daher die letzte dänische Offshore-Ausschreibung betrachtet werden, in der kein einziger Zuschlag vergeben werden konnte. Zwar sei der Strommarkt im Allgemeinen in Dänemark kleiner und dadurch nicht zu 100 Prozent mit Deutschland vergleichbar, erklärte Thimm auf energate-Nachfrage. Jedoch gebe es durchaus Ähnlichkeiten im Auktionsdesign, etwa beim sogenannten Overplanting der Netzanschlüsse. Diese sind laut dem neuesten Flächenentwicklungsplan (FEP) bei kommenden Offshore-Projekten verpflichtend zu installieren, wurden jedoch laut Thimm nicht mit der Branche konsultiert. "Wir hätten uns was anderes als Overplanting gewünscht", stellte der BWO-Geschäftsführer anschließend klar. Er wiederholte damit seine Kritik am FEP, bei dessen Erstellung die Branchenkonsultation nicht ausreichend geschehen sei.

 

Mineralölkonzerne durch Auktionsdesign bevorzugt

 

Ganz so pessimistisch wollte der Stiftung-Offshore-Windenergie-Vertreter Mummert trotz der genannten Kritikpunkte am Auktionsdesign nicht sein. Fakt sei, dass Deutschland im vergangenen Jahr erfolgreich Flächen auktionieren konnte, die laut Branchenmeinung nicht besonders attraktiv waren. Generell sei also das Interesse an den Auktionen weiterhin vorhanden. Tibor Fedke wiederum hatte im energate-Interview gemutmaßt, dass bei künftigen Ausschreibungen das Interesse großer Mineralölkonzerne kleiner als bei den vorigen Auktionen ausfallen könnte. "Dass die Oil-Majors der Offshore-Windkraft komplett den Rücken kehren, ist unwahrscheinlich, dazu waren die Anfangsinvestitionen zu groß. Wohl aber werden auch diese Konzerne sehr genau prüfen, ob diese Assetklasse ihren Renditeansprüchen genügt", so der Experte. Eine Einschätzung, die Thimm so nicht ganz unterschreiben wollte. Zwar könne er nicht "in die Glaskugel schauen". Das aktuelle Ausschreibungsdesign favorisiere jedoch weiterhin Unternehmensstrukturen, die nicht viele Kapitalkosten aufweisen. "Und da kommen sicherlich Mineralölkonzerne ins Spiel", so die Einschätzung Thimms.

 

Bis 2034/45 noch viel zu tun

 

Ohnehin ist für das Erreichen der Ausbauziele von 40.000 MW installierter Leistung bis 2034 noch viel zu tun. 2024 speisten gerade einmal 73 neue Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von 742 MW erstmals ins Netz ein. In Summe waren in Deutschland Ende 2024 damit 1.639 Anlagen mit einer Leistung von 9.200 MW installiert. Die Projektmanagerin bei der Deutschen Windguard Heyken erwartet bis einschließlich 2027 ein Zubauniveau vergleichbar mit dem von 2024. Erst ab 2028 seien erhebliche Steigerungen bei der installierten Leistung zu erwarten. Thimm bezeichnete die Ziele daher als "ambitioniert". Jedoch bereite sich die Offshore-Branche "seit Jahren" auf die "enormen Ausbaupeaks" zum Ende des Jahrzehnts vor. Mummert stellte außerdem klar, dass eine Reduzierung der Ausbauziele im Hinblick auf 2045 nicht zielführend sei. Statt über reduzierte Ausbauziele zu diskutieren, müsse sich der Blick darauf konzentrieren, wie das Ausbauziel von 70.000 MW technisch sinnvoll zu erreichen sei - auch im Hinblick auf Abschattungseffekte, die zuletzt häufiger diskutiert wurden. /rh

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