NRW stellt eigenes Wasserstoffimport-Konzept vor
Düsseldorf/Berlin (energate) - Kurz nach dem Bund folgt Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland mit einem eigenen Wasserstoffimport-Konzept. In dem Strategiepapier formuliert das Wirtschaftsministerium seine Erwartung, dass NRW langfristig 90 Prozent seines Wasserstoffbedarfs aus anderen Ländern und Bundesländern importieren müsse. energate hat sich bei allen anderen Bundesländern umgehört, ob sie dem Beispiel folgen wollen. Die meisten sehen davon ab.
Für das Jahr 2030 erwartet NRW, dass es 14 bis 27 TWh an Wasserstoff und Derivaten aus dem Ausland importieren muss. Das entspreche ungefähr 30 Prozent des deutschen Importbedarfs. Die Nachfrage komme dabei vor allem aus der Stahl- und Chemieindustrie, der Glasindustrie sowie dem Schwerlastverkehr. 2045 liege die Wasserstoffnachfrage des Landes bei 127 bis 177 TWh. Über 90 Prozent davon müsse das Bundesland voraussichtlich importieren. Dank dem Projekt "Get H2", einem der ersten Abschnitte des deutschen Kernnetzes, den OGE und Thyssengas gemeinsam bauen, ist die Ausgangslage komfortabel. Auch mit dem Duisburger Hafen und der Nähe zu den Häfen Antwerpen-Brügge, Rotterdam und Amsterdam sieht sich NRW in einer guten Position.
NRW wirbt für sich als Handelspartner
Mit dem Konzept will das Land Wasserstofflieferanten von seiner Attraktivität als Handelspartner überzeugen. In dem Papier heißt es unter anderem, Nordrhein-Westfalen sei "Deutschlands größter Stahl-, Chemie- und Kraftwerksstandort". Auch die Kraftwerksstrategie und der angestrebte Kapazitätsmarkt werden als Pluspunkte aufgezählt: "Wir gehen davon aus, dass ein Großteil dieser Kraftwerksleistung in Nordrhein-Westfalen aufgebaut wird." NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sagte, mit der Strategie die Grundlage für dringend benötigte Energieimporte legen zu wollen. Es werde allerdings kein "Selbstläufer". Denn bisher hätten nicht alle Projekte des Kernnetzes einen Vorhabenträger, der diese finanziere und umsetze.
Das Land wolle sich zudem für "ambitionierte Nachhaltigkeitskriterien" einsetzen, es brauche aber auch Pragmatismus, "damit die jungen Projekte nicht schon im Keim ersticken". Bei der Auswahl der Lieferanten will NRW auf stabile Partnerschaften setzen, "die unsere demokratischen Grundwerte teilen" und auf "möglichst viele Kooperationen". Damit solle eine einseitige Energieabhängigkeit wie im Fall des russischen Erdgases vermieden werden. Bei der Farbenlehre des Wasserstoffs ist das Land nicht restriktiv und lässt auch die Produktion aus Erdgas zu. Konkrete Mengenangaben zu grünem, blauem oder türkisem Wasserstoff stehen allerdings nicht in dem 24-seitigen Papier.
Pläne anderer Bundesländer
Die meisten anderen Bundesländer arbeiten zwar an Wasserstoffstrategien, planen aber keine gesonderten Importstrategien, wie energate auf Anfrage erfuhr. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums des Saarlandes, das für die heimische Stahlproduktion Wasserstoff benötigt, begrüßte die am Mittwoch veröffentlichte Wasserstoffimportstrategie der Bundesregierung. Das Saarland schreibe aktuell die regionale Wasserstoffstrategie fort und berücksichtige darin den Import von Wasserstoff und seinen Derivaten. Auch das Brandenburger Wirtschaftsministerium will sich eher auf Berlin verlassen. Eine Sprecherin sagte, es sei "im Wesentlichen die Aufgabe des Bundes, die benötigten Importe zu organisieren und mit der gebotenen Diversität sicherzustellen". Ein Sprecher des Bremer Wirtschaftsministeriums gab zu Protokoll: "Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema, haben aber aktuell kein fertiges Konzept ausgearbeitet."
Hamburg arbeitet bereits an einer Wasserstoffstrategie, die auch den Aufbau von Importstrukturen vorsieht. Der Senat habe unter anderem Kontakt zu Norwegen, Kanada, USA und anderen windreichen Regionen mit Energieüberschuss, erläuterte ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde Hamburg. Es seien bereits konkrete Geschäftsanbahnungen in die Wege geleitet, um mögliche Importströme zu strukturieren. Aus dem Wirtschaftsministerium Bayerns hieß es, die Staatsregierung habe diese Woche die neue Bayerische Wasserstoffstrategie 2.0 verabschiedet, die in Kürze veröffentlicht werde. Darin setze Bayern "eigene Akzente beim Wasserstoffimport".
Ostseekorridor als Chance
Aus dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns hieß es, eine gesonderte Importstrategie sei nicht geplant, Importe sollten aber wesentlicher Bestandteil der Wasserstoffstrategie Mecklenburg-Vorpommerns werden, die "voraussichtlich Ende Oktober" erstmalig bei einem Workshop "mit einem breiten Stakeholderkreis" diskutiert wird. Beim Importkorridor Ostseeraum gebe es erhebliche Potenziale, die auch in der Ostseestrategie des Landes adressiert seien. Eine Sprecherin des Energieministeriums Thüringens ordnete ein, das Land habe keine eigene Importstrategie, Importe seien aber Teil der Thüringer Landesstrategie Wasserstoff, die derzeit aktualisiert wird. Sie erinnerte zudem daran, dass das Land in der Energieministerkonferenz einen Beschluss eingebracht hatte, dass der Bund das Vorgehen zum Import von Wasserstoff international konkretisieren sollte.
Auch Sachsen plant keine Importstrategie, ein Sprecher des Energieministeriums Sachsen sagte jedoch, trotz der Pläne, grünen Wasserstoff in Sachsen zu erzeugen, werde das Land auch auf Importe angewiesen sein. Aus der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe hieß es, das Land Berlin sei sehr an der Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern und dem Bund für eine integrierte Importstrategie sowie der Bildung von Wasserstoffpartnerschaften interessiert. Bereits seit 2021 arbeite Berlin eng mit Brandenburg zusammen an der Umsetzung der gemeinsamen Wasserstoff-Roadmap. "Um die inländischen Potenziale bestmöglich zu nutzen, setzte Berlin sich zuletzt in einer gemeinsamen Bundesratsinitiative mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern für den netzdienlichen Ausbau von Wasserstofferzeugungskapazitäten in Deutschland ein", so der Sprecher.
Importstrategie im Norden
Schleswig-Holstein wiederum plant eine eigene Importstrategie. "Wasserstoffimporte sollten über diverse Infrastrukturen und aus verschiedenen Regionen erfolgen", hieß es aus dem Energiewendeministerium. Für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft würden internationale Partnerschaften benötigt und dafür werde sich die schleswig-holsteinische Landesregierung weiterhin einsetzen. "Schleswig-Holstein sieht im Wasserstoffimport aus anderen Ländern eine komplementäre Ergänzung zum Aufbau einer eigenen Wasserstoffproduktion. Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird auf lange Sicht so groß sein, dass für beides Raum ist", so der Sprecher.
Studien dienen als Basis
Ein Sprecher des Energieministeriums Rheinland-Pfalz bezifferte den Wasserstoffbedarf des Landes im Jahr 2040 auf etwa 22 TWh und berief sich dabei auf die im November 2022 veröffentlichte "Wasserstoffstudie mit Roadmap Rheinland-Pfalz". In den Szenarioberechnungen sei ermittelt worden, dass die kostenoptimale Versorgung mit Wasserstoff im Jahr 2040 zu einem Achtel mittels einer Elektrolysekapazität von 1,3 GW in Rheinland-Pfalz produziert werden solle. Sieben Achtel, also fast 90 Prozent, sollen über den Import von Wasserstoff und dessen Derivaten gedeckt werden. "Somit kommt der leitungsgebundenen Infrastruktur, aber auch dem Rhein als Wasserstraße für den Transport mit Schiffen eine besondere Bedeutung zu", sagte der Sprecher. Eine eigene Importstrategie für Rheinland-Pfalz sei nicht geplant, "da darauf vertraut wird, dass Verfügbarkeit von Wasserstoff zukünftig deutschlandweit gegeben sein wird".
Eine Sprecherin des Energieministeriums Baden-Württembergs teilte mit, das Fraunhofer-Institut ISE analysiere derzeit für das Umweltministerium verschiedene Versorgungsoptionen mit grünem Wasserstoff und Derivaten anhand ausgewählter Länder. Dabei würden die jeweiligen Erzeugungs- und Transportkosten im Vordergrund stehen. Die Studie solle Ende 2024 abgeschlossen sein, das Ministerium erwarte daraus wichtige Erkenntnisse für die Importschwerpunkte. Eine weitere Studie für das Verkehrsministerium zu erneuerbaren Kraftstoffen werde ebenfalls Länderanalysen enthalten. "Es spricht einiges dafür, die verschiedenen Elemente Erzeugung, Transport und Import in einer Art Versorgungsstrategie zusammenzuführen", so die Sprecherin. Als mögliche Partner habe das Land bisher Schottland und Andalusien, skandinavische Länder sowie die enge Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Schweiz und Frankreich im Blick. Hinzu kämen eine Vereinbarung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und intensive Kontakte zu den Niederlanden und Belgien. Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt reagierten bis Redaktionsschluss nicht. /kij