NRW gibt sich Ausbauziele für Abwasserwärme
Düsseldorf (energate) - Das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) will künftig stärker auf Abwasserwärme setzen. Hierzu hat es nun als erstes Bundesland überhaupt feste Ausbauziele definiert. Bis zum Jahr 2030 soll in NRW eine TWh Wärme aus dem Abwasser entstammen, bis 2045 dann 4 TWh, teilte das federführende Wirtschaftsministerium dazu mit. Die Ziele sind Teil einer gemeinsamen und jüngst unterzeichneten Grundsatzerklärung mit dem Umweltministerium sowie weiterer Akteure aus Energieversorgung, Wasserwirtschaft, Kanalnetzbetrieben und der Wohnungswirtschaft. "Ziel unserer Initiative ist es, die beteiligten Akteure zusammenzubringen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und konkrete Projekte anzuschieben", kommentierte dies Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne).
"Wo viele Menschen, da viel Abwasserwärme"
Hintergrund sind die Klimaziele und die dafür auch notwendige Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Bei der Erschließung neuer, grüner Wärmequellen bietet sich die Nutzung von Abwasserwärme im zumeist dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen besonders an. Nach aktuellen Schätzungen des Landes braucht es abhängig von der Projektgröße etwa 100 Vorhaben aus Kläranlagen und rund 700 Kanalisationsprojekte, um die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Für Branchenexperten ist das grundsätzlich machbar. "Das Potenzial in NRW ist groß. Wo viele Menschen sind, da gibt es viel Abwasser und damit viel Abwasserwärme", erklärte Stephan von Bothmer, COO des Abwasserwärmeanbieters Uhrig Energie. Das Unternehmen ist etwa an einem im Sommer in Köln gestarteten Quartierswärmenetz beteiligt, welches das Immobilienunternehmen WVM umsetzt.
Projekte auch in Aachen und Duisburg
Es ist aber nicht das einzige Projekt in NRW. Ein weiteres Beispiel ist das Nahwärmequartier der Stadtwerke Aachen (Stawag). Dort kommt die Wärme für fünf Wohnblöcke mit insgesamt 163 Wohneinheiten aus dem Abwasserkanal. Eine nahegelegene Fabrik aus der Lebensmittelbranche produziert das bis zu 20 Grad Celsius warme Abwasser. Das Projekt läuft bereits seit 2019. Zudem ist in Duisburg ein Abwasserprojekt an einer Kläranlage kurz vor der Fertigstellung. Bereits seit dem Jahr 2020 arbeiten die Stadtwerke Duisburg daran, kürzlich sind die beiden 1,9 MW starken Großwärmepumpen des Herstellers Johnson Controls im Stadtteil Huckingen eingetroffen. Unna und Münster sind davon noch weit entfernt, aber auch in diesen beiden Städten gibt es Überlegungen in Richtung Abwasserwärme.
Auch Potenziale für Nichtwohngebäude
Durch die Potenzialstudien des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz seien die Abwasserwärmepotenziale in NRW grob bekannt, erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums gegenüber energate. Neben kleinen Netzen ließe sich die Technologie auch zur Beheizung größerer Nichtwohngebäude nutzen. "Auch hier sehen wir in NRW große Potenziale zur Umsetzung", so der Sprecher weiter. Ein erster Schritt für die Nutzung von Abwasserwärme ist zumeist eine Wärmepotenzialkarte für das jeweilige städtische Abwasserentsorgungssystem. Die Erstellung einer solchen Karte ist aber durchaus aufwendig, nicht jeder Wasserentsorgungsbetrieb - insbesondere die kleineren nicht - kann das leisten. Auch an der Stelle sei NRW im Vorteil, weil in einigen Städten diese Karten schon vorlägen, so der Sprecher.
Netzwerk mit zwei Arbeitsgruppen
Die jüngst unterzeichnete Grundsatzerklärung definiert aber nicht nur Ausbauziele. Parallel dazu geht ein neues Netzwerk mit zwei Arbeitsgruppen an den Start, das den Rahmen und die Regeln für den Hochlauf der Abwasserwärmenutzung definieren soll. "Genau das brauchen wir", ordnete von Bothmer von Uhrig Energie gegenüber energate ein. Denn wichtiger als Geld oder Subventionen seien einheitliche Nutzungsregeln. Aber auch in Sachen Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren müsse es noch besser laufen, sagt der Fachmann. Deswegen sei der Aufbau eines Netzwerks sinnvoll, um alle Akteure an einen Tisch zu bekommen. Er hoffe vor dem Hintergrund, dass nun weitere Bundesländer dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen.
Die Vorzeichen dafür scheinen zumindest gut, denn auch auf Bundesebene hatte das Thema Abwasserwärmenutzung zuletzt mehr Rückendeckung bekommen. Die Unionsfraktion hatte im Juli einen Antrag mit dem Titel "Ungenutzte Potenziale der Wärme aus Abwasser erschließen" in den Bundestag eingebracht. Darin fordern die Abgeordneten von CDU und CSU die Bundesregierung unter anderem auf, eine Strategie zur stärkeren Nutzung der Abwasserwärme zu entwickeln. /ml