Nowega befüllt erste Leitung mit Wasserstoff
Nordhorn (energate) - Mit einem 55 Kilometer langen Abschnitt zwischen Lingen und Bad Bentheim hat Nowega den nächsten Teil des Kernnetzes erstmals mit Wasserstoff befüllt. Der Abschnitt im Südwesten von Niedersachsen ist Teil des Get-H2-Projekts und besteht fast vollständig aus bereits vorhandenen Gasleitungen, die auf den Transport von Wasserstoff umgestellt wurden. Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen unterstützen das Projekt im Rahmen der IPCEI-Förderung.
Vom Reden ins Machen kommen, lautete das Motto der offiziellen Inbetriebnahme-Feier in Nordhorn, mit der die Projektpartner ein Aufbruchssignal setzen wollten. "Heute ist ein besonderer Tag für den Wasserstoffhochlauf in Niedersachsen und für die Nowega GmbH, die sich mit diesem Projekt auf den Weg in die Zukunft macht. Das zeigt: Es geht voran", sagte Frank Doods (SPD), Staatssekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium. Der Ausbau zukunftsgerichteter Infrastruktur sei eine richtige und notwendige Entscheidung, die Transformation keine ideologische Veranstaltung, sondern hoch rational. "Ich glaube, das müssen die Menschen auch sehen können. Das muss greifbar werden", sagte Doods.
Fast acht Jahre haben die Vorbereitungen Nowega begleitet, resümierte Frank Heunemann, Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers. Von der ersten Frage, wie das Unternehmen einen Beitrag für eine klimaneutrale Energiewirtschaft leisten kann über viele Gespräche und Stakeholderprozesse bis hin zur Idee einer Wasserstoffinfrastruktur, "die gemeinsam mit der Strominfrastruktur das Rückgrat der Energiewirtschaft der Zukunft bildet". Seit rund zwei Jahren werde Powerpoint nun mehr und mehr abgelöst durch Menschen, die arbeiten, und Maschinen, die sie unterstützen.
Leitung ab April betriebsbereit
Im ersten Abschnitt zwischen Lingen und Bad Bentheim konnte Nowega zu 98 Prozent Leitungen aus dem Bestandsnetz nutzen. Dadurch lief die Umstellung weitestgehend unsichtbar ab. Nur am Anfangspunkt, beim Elektrolyseur der RWE Generation in Lingen, war eine rund 3 Kilometer lange Neubauleitung notwendig, erläuterte Dennis Hoeveler, Bereichsleiter Technik bei Nowega.
Im ersten Schritt der Inbetriebnahme wird der Netzabschnitt Lingen-Bad Bentheim nun mit insgesamt 28.500 Kubikmetern Wasserstoff befüllt und so auf ein Druckniveau von 3 bar gebracht. Bis Mitte April will der Netzbetreiber die Betriebsbereitschaft herstellen. "Wenn das System auf Betriebsdruck gebracht ist, können wir im Anschluss die ersten Transporte realisieren", so Hoeveler. Die Erstbefüllung findet dabei noch nicht über die Elektrolyse in Lingen statt, sondern über per Trailer angelieferten Wasserstoff.
Mit dem Kernnetz gehen die Netzbetreiber voraus, damit sich ein Wasserstoffmarkt entwickeln kann, führte Heunemann aus. Umgekehrt sei auch klar, mit der Infrastruktur alleine sei es nicht getan. "Wir brauchen Marktteilnehmer, die wirtschaftlich in die Lage versetzt werden, ihrerseits auch handeln zu können. Dafür müssen Rahmenbedingungen zügig und so pragmatisch angepasst werden, dass Kosten für die Erzeugung des grünen Wasserstoffs sinken und gezielte Anreize geschaffen werden, um klimaschonenden Wasserstoff bei Kunden auch tatsächlich einsetzbar zu machen."
Für RWE fügen sich die Puzzleteile zusammen
Zentraler Anschlussnehmer der Nowega ist die 300-MW-Elektrolyseanlage der RWE Generation in Lingen, die in diesem Jahr die Produktion von grünem Wasserstoff aufnehmen soll. Die Investitionsentscheidung hat RWE im September 2024 getroffen. Mit der Total Energies hat das Unternehmen zudem einen ersten wesentlichen Abnahmevertrag für die Raffinerie in Leuna, Sachsen-Anhalt, geschlossen. "Was es dafür jetzt braucht, ist das Wasserstoffnetz", sagte Sopna Sury, Wasserstoffvorständin der RWE Generation. Für sie sei die Erstbefüllung der Nowega ein Aufbruchssignal für die gesamte Wasserstoffwirtschaft.
Für RWE fügen sich mit der Leitung die Puzzleteile zusammen, denn im nächsten Ausbauschritt soll Lingen mit dem RWE-Wasserstoffspeicher in Gronau-Epe verbunden werden. Kunden wie die Total-Raffinerie in Leuna benötigten für die Versorgung, "dass wir ihnen ein Profil anbieten können, ein Produkt strukturieren, das wirklich ihren Bedürfnissen entspricht", erläuterte Sury. Das mache der Speicher möglich. In der zweiten Jahreshälfte soll das Wasserstoffnetz weiter in Richtung Süden wachsen. Dann sollen die Arbeiten an der gemeinschaftlichen Leitung von Nowega und Open Grid Europe (OGE) zwischen Bad Bentheim und Legden im Münsterland abgeschlossen sein. Darüber erfolgt dann auch die Anbindung des Speichers in Epe und des Chemieparks Marl.
Energie tanken für den nächsten Schritt
Mit Blick auf den weiteren Ausbau beschrieb Detlef Brüggemeyer, Technischer Geschäftsführer der OGE, die Erstbegasung in Nordhorn als eine Verschnaufpause. Noch im Jahr 2025 folge die Anbindung von Epe und 2027 dann Marl und das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg-Hamborn. Der Stahlkonzern hat seine Pläne zur grünen Stahlproduktion in den vergangenen Wochen und Monaten schon mehrfach hinterfragt. Der Hochlauf benötige Zeit und die Akteure einen langen Atem, sagte Brüggemeyer mit Blick auf die damit verbundenen Unsicherheiten.
Damit die Netze am Ende auch gefüllt werden, brauche es "zu wettbewerblichen Preisen verfügbaren Wasserstoff in ausreichender Menge für die Industrie", so Brüggemeyer. Dafür werde am Anfang vermutlich auch blauer Wasserstoff benötigt. Daneben werden in der Hochlaufphase die Wasserstoffproduzenten eine Form der Absicherung benötigen, die Abnehmer eine finanzielle Förderung zum Ausgleich höherer Preise. Die Netzbetreiber mahnte er, ein waches Auge auf die Marktentwicklung zu haben, damit sich das Netz nicht von der Marktentwicklung entkopple. /tc