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Northvolt: Droht Bund und Land der Totalverlust?

Eschborn (energate) - Die Havarie von Northvolt könnte für das Land Schleswig-Holstein und den Bund ein millionenschweres Finanzdebakel werden. Es geht um rund 600 Mio. Euro an Fördermitteln, die der insolvente schwedische Batteriezellenhersteller für sein Gigafabrikvorhaben in Heide bekommen hat. Dazu, wie sehr dieses Geld im Feuer steht, könnten in Kürze richtungsweisende Entscheidungen fallen. Darauf weist der Rechtsanwalt Christian Knittel im Gespräch mit energate hin. Der Jurist ist Partner der Kanzlei Rödl & Partner und Fachmann für Insolvenzrecht. Im Blickpunkt steht ihm zufolge der 5. März. Zu diesem Termin ist die nächste Gläubigerversammlung anberaumt.

 

Spannend könnte dieser Tag werden, weil für Northvolt bis dahin eine wichtige Frist endet, erläutert Knittel. Dann nämlich muss der Plan stehen, mit dem sich die Schweden im laufenden Chapter-11-Insolvenzverfahren in Eigenregie vor einem US-Gericht in Texas sanieren wollen. "Gerade aus deutscher Sicht und mit Blick auf die Fördermittel ist besonders spannend, was im Sanierungsplan stehen wird." Schließlich werde darin "die Frage nach dem Schicksal des Anspruchs von Bund und Land" beantwortet. Ein Sanierungskonzept müsse jetzt schon "zumindest in Grundzügen vorhanden sein", so der Jurist. Schließlich hätten neben den Bestandsgläubigern auch neue Investoren inzwischen Geld zugeschossen, um das wirtschaftliche Überleben während des Insolvenzverfahrens zu sichern. Geldgeber, "die heute schon an den Plan im gegenwärtigen Stadium glauben."

 

Düsteres Szenario für Bund und Land steht im Raum

 

Dabei hält Knittel ein aus Gläubigersicht und damit auch für Bund und Land düsteres Szenario für wahrscheinlich: "Ich erwarte, dass Northvolt einen Schuldenschnitt vollziehen wird oder dass die Forderung ohnehin nachrangig ist". Insofern sei der Totalausfall zu befürchten. Dagegen könnten Gläubiger zwar juristisch vorgehen, weiß Knittel. "Das wäre ein schwieriges, langwieriges und somit auch kostspieliges Verfahren", sagt er.

 

Die mutmaßlich düsteren Aussichten für Gläubiger wie Bund und Land gründet der Fachmann auch auf das komplexe Finanzierungskonstrukt, das zur Förderung des Gigafabrikbaus in Heide gewählt wurde. Das Geld ging in Form einer Wandelanleihe an den schwedischen Konzern. "Generell gilt bei Finanzinstrumenten dieser Art: Entweder die Forderung wird in Anteile am Schuldner gewandelt, oder die Schuldnerin bedient die Forderung mit Geld", so Knittel. Die Anleihe-Millionen habe Northvolt aus Schweden an eine deutsche Tochter weitergeleitet. Diese nicht von der Insolvenz betroffene Firma treibt den Fabrikbau in Heide nach wie vor voran.

 

Stopp des Fabrikbaus in Heide könnte Gelder zurückbringen

 

Knittel geht davon aus, dass dazu Treuhandkonten mit Zweckbindung genutzt wurden. "Sollte sich Northvolt mit Blick auf die nicht ganz leichte Marktsituation am Batteriemarkt gegen die Fortführung des Projekts Heide entscheiden, dürften Bund und Land die nicht verbauten Gelder zurückerhalten, sofern die Annahme mit den Treuhandkonten stimmt." Es gibt allerdings eine aus Gläubigersicht möglicherweise wiederum nachteilige weitere Besonderheit im Fall Northvolt: Dem Vernehmen nach sollen es die Schweden in der Hand haben, was mit der Anleihe passiert. "Nach deutschem Recht spricht man von einer umgekehrten Wandelanleihe, weil der Schuldner das Recht hat zu entscheiden, was der Gläubiger bekommt", so Knittel. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist allerdings offen: "Die Dokumente dazu sind nicht öffentlich."

 

Gutachten zum Förderentscheid sorgt für Wirbel

 

Das Gutachten, anhand dessen die Förderung 2023 beschlossen wurde, stammt vom Beratungshaus PWC. Erst kürzlich wurde öffentlich, dass das Bundeswirtschaftsministerium es als "vertraulich" hat einstufen lassen, was den Zugang einschränkt. Weil der "Norddeutsche Rundfunk" (NDR) jetzt Details daraus zugespielt bekam, macht das Gutachten Schlagzeilen und die Einstufung steht in der Kritik. PWC soll darin angeführt haben, dass die Produktion von Northvolt noch weit von der Serienreife entfernt sei. "Nach hiesiger Kenntnis" habe Northvolt "seit dem Jahr 2023 drei Automobilhersteller mit serienreifen Batteriezellen beliefert", erklärte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf energate-Nachfrage. Dass Northvolt große Schwierigkeiten hatte, die Produktion wie erhofft hochzufahren, ist allerdings längst kein Geheimnis mehr. Im Sommer 2024 verlor das Unternehmen deshalb einen milliardenschweren Rahmenliefervertrag von BMW.

 

Zur Einstufung des Gutachtens als "vertraulich" stellte das Ministerium klar: "Geschützt werden die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens", die Einstufung diene nicht dem Ministerium. Ferner hätten Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium die Rückzahlungsperspektive der Northvolt-Anleihe "geprüft und das Risiko für vertretbar gehalten". Überdies habe auch das Gutachten "gute Aussichten auf Rückzahlung" bescheinigt.

 

US-Insolvenzverfahren als gezielte strategische Entscheidung

 

Dass das Insolvenzverfahren der Schweden in den USA läuft, ist eine weitere Besonderheit der Causa Northvolt. "Gläubigerschutz in den USA zu beantragen war für Northvolt möglich, weil der Konzern dort Vermögenswerte beziehungsweise Forderungen hat. Das reicht nach US-Recht aus, um antragsbefugt zu sein", sagt Knittel. Solche Verfahren gelten als schnell, effizient und transparent, so der Fachmann. Allerdings: "Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um sogenanntes Forum Shopping handelt", so Knittel. "In solchen Fällen suchen sich Schuldner den für sie rechtlich günstigsten Gerichtsstand aus, um die Themen ihrer Gläubiger loszuwerden." Northvolt seinerseits betonte bei der Antragstellung im November 2024, dass der Zugang zu der gewährten Überbrückungsfinanzierung einer der ausschlaggebenden Gründe für den Gang vor ein US-Gericht war. /pa

 

Das gesamte Interview im Wortlaut lesen Sie im heutigen Add-on Markt & Industrie. Darin geht Christian Knittel auch auf Fragen der Haftung aufseiten der Entscheider über die Fördermittelvergabe ein.

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