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"New Normal" am Finanzmarkt setzt Projektierer unter Druck

München (energate) - Energiewende-Debatten drehen sich in diesen Tagen zunehmend um Geld und Finanzierbarkeit. Das gilt in Teilen auch für Erneuerbarenprojektierer. Der Green-Finance-Trend im Bankensektor ist zwar ungebrochen. Allerdings hinterlassen die Verwerfungen der Krisenjahre ihre Spuren am grünen Finanzmarkt für Kredite und Darlehen zum Bau von Wind- und Solarparks. Das erklärt Michael Kohn von Baywa Re im Gespräch mit energate. Er ist Leiter Projektfinanzierung des Münchner Erneuerbarenprojektierers.

 

Denn mit der Zinswende, die half, die zeitweise galoppierende Inflationsrate von zwischenzeitlich über 8 Prozent auf aktuell 2,2 Prozent zu senken, kamen einige Projektierer unter Druck. "Die Zinsen sind deutlich gestiegen", so Kohn. "Es gibt immer wieder Projekte, die deshalb auf Eis liegen", berichtet er. Dabei erscheine das gegenwärtige Zinsniveau für Erneuerbaren-Projektfinanzierungen grundsätzlich "nicht problematisch". Der reine Zins für Darlehen mit zehn- bis fünfzehnjähriger Zinsbindung liege aktuell grob geschätzt etwas unter 3 Prozent. Vor 30 Jahren seien Zinssätze zwischen 8 und 9 Prozent nicht ungewöhnlich gewesen. Insofern sei die Zinsentwicklung eine Normalisierung, an die Baywa Re sich angepasst habe.

 

Geschwindigkeit der Zinswende als Problem

 

Problematisch war die Entwicklung für Projektierer Kohn zufolge aus mehrerlei Gründen. Es gehe nicht um die Steigerung allein, sondern auch darum, wie schnell diese vonstattenging: "Innerhalb weniger Monate ging es von null oder gar zeitweise leicht negativen Zinssetzen aufwärts bis auf circa 3 Prozent und bisweilen bis knapp unter 4 Prozent." Der Druck kam mit den schnell notwendigen Anpassungen, die für einzelne Projekte nötig wurden.

 

Fundamental neue Rahmenbedingungen

 

Vorher waren die fundamentalen Rahmendaten für die Finanzierung von Wind- und Solarparks andere, so Kohn weiter. "Blickt man fünf Jahre zurück, so spielten nahezu alle Parameter der Projektiererbranche voll in die Hände", sagte er mit Blick auf steigende Strompreise und sinkende Capex-Kosten bei dauerhaft historisch niedrigen Zinsen. Zugleich, so Kohn, seien die Renditeerwartungen der Investoren sehr attraktiv gewesen. Inzwischen allerdings habe sich zum einen das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verändert. Zum anderen seien die Capex-Kosten mit der Inflation und den Lieferkettenproblemen gestiegen, während die Strompreise fallen. Eine Rückkehr zu den außergewöhnlich guten Rahmenbedingungen werde es absehbar nicht geben, prophezeit Kohn. Gleichwohl habe sich Baywa Re an das "New Normal" bei Projektfinanzierungen angepasst.

 

Die richtige Balance zwischen Fremd- und Eigenkapital

 

Eine zentrale Frage bei Projektfinanzierungen ist stets, wie viel Eigenkapital die Bauherrin einbringt und wie viel Fremdkapital eine Bank in Form von Darlehen hinzugibt. Pauschale Richtwerte dazu gibt es nicht, so Kohn. Dazu sei diese Frage von zu vielen individuellen Faktoren abhängig. Allerdings seien die Finanzierungen derzeit in der Regel Cashflow-basiert. Was bedeutet, dass Banken den zu erwartenden Cashflow aus der Stromproduktion als Sicherheit nutzen. Je höher diese Erwartung ist, desto höher kann auch die Fremdkapitalquote ausfallen, sagt er. "Bei einem EEG-Windparkprojekt aus einer Ausschreibung der Bundesnetzagentur sind deshalb auch Fremdkapitalquoten von 90 Prozent oder mehr möglich."

 

Sehr hohe Fremdkapitalquoten bergen für Projektierer aber auch Risiken. "Projektierer müssen immer fragen, ob sie noch genügend Spielräume haben für den Fall, dass etwas im laufenden Betrieb nicht die Annahmen im Finanzmodell erreicht, etwa, wenn Betriebskosten höher ausfallen als kalkuliert", so Kohn. Vorhaben, die mit wenig Eigenkapital finanziert sind, fehle es in dieser Hinsicht an Resilienz. Es sei deshalb nicht immer ratsam, "die Renditeoptimierung in der Kalkulation bis zum Äußersten auszureizen".

 

Banken bei PPA-Finanzierungen vorsichtiger

 

Bei Anlagen, die jenseits eines staatlichen Förderregimes finanziert werden, etwa mit PPAs, sind eher niedrigere Fremdkapitalquoten an der Tagesordnung. "Wegen der höheren Marktpreisrisiken müssen Banken vorsichtiger agieren", so Kohn. Um für PPA-finanzierte Projekte gute Konditionen von einer Bank zu bekommen, "braucht es bonitätsstarke Stromabnehmer aus Gewerbe, Industrie oder auch von großen Tech-Konzernen", sagte er. Dennoch würden PPAs immer wichtiger. "Wir erwarten, dass sich ganz Europa über kurz oder lang von staatlichen Einspeisetarifen verabschieden wird", begründet er die Einschätzung. /pa

 

Das gesamte Interview im Wortlaut lesen Sie im heutigen Add-on Strom.

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