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Netzbetreiber und IHKs warnen vor Strompreiszonensplit

München (energate) - In die Debatte um eine mögliche Aufteilung der einheitlichen Strompreiszone kommt neuer Wind. Die Bundesregierung ist in einem Positionspapier nun zum Erhalt der einheitlichen Strompreiszone aufgerufen worden. Für den einheitlichen Börsenstrompreis setzen sich in dem Papier der Wirtschaftsbeirat Bayern, die Industrie- und Handelskammern (IHK) aus Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Amprion und Transnet BW ein. Sie fordern die Regierung auf, "alle Bundesländer an einen Tisch zu bringen und gemeinsam eine starke Position für den Erhalt der deutschen Strompreiszone zu beziehen", erklärte eine Sprecherin des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) auf Anfrage von energate. Dies solle zeitnah geschehen.

 

Zur Debatte steht das Splitting in bis zu fünf Preiszonen. Das hatte die Regulierungsbehörde Acer in einem möglichen Strompreis-Modell vorgeschlagen. Ebenfalls solle mit Deutschlands Nachbarländern und der EU-Kommission gesprochen werden. Die Kernaussage des Positionspapiers ist hingegen, dass mehrere Strompreiszonen zum Nachteil der europäischen Versorgungssicherheit und der Erreichung der EU-Klimaziele wären.

 

"Bidding Zone Review" von Acer entscheidend

 

Ende 2024 veröffentlicht die Regulierungsbehörde Acer ihren Bericht im Rahmen des sogenannten "Bidding Zone Review". Aus Sicht des BIHK gewinnt die Frage des Strompreiszonen daher immer mehr an Bedeutung. "Umso wichtiger ist es für uns, rechtzeitig auf die wirtschaftspolitischen Risiken einer Teilung der deutschen Strompreiszone hinzuweisen und notwendige Fragen zur Methodik des Review zu stellen", so die BIHK-Sprecherin. Am 18. November wolle die BIHK dazu eine Fachveranstaltung in der Bayerischen Vertretung in Brüssel durchführen, zu der EU-Parlamentarier und EU-Kommissionsmitglieder eingeladen sind.

 

Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet erklärte auf Nachfrage, dass die vier ÜNB in Deutschland im Rahmen des Acer-Berichtes zur Bidding Zone Review damit beauftragt wurden, "eine rein techno-ökonomische Einschätzung zu einer möglichen Gebotszonenteilung abzugeben". Dort schauen sich die ÜNB an, wo eine Gebotszonenteilung überhaupt notwendig sei, so eine Sprecherin von Tennet. "Die Entscheidung ob, und wenn ja, wie ein Strompreiszonensplit erfolgen wird, muss die Politik treffen. Wir werden das umsetzen, was der Gesetzgeber regelt", sagte die Sprecherin weiter.

 

Klimaziele und Wirtschaft könnten unter Splitting leiden

 

BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl sieht eine generelle Schwächung der deutschen Wirtschaft, denn: "eine Teilung der deutschen Strompreiszone würde für die bayerische Wirtschaft höhere Kosten bedeuten und die Standortbedingungen insbesondere für die Industrie verschlechtern." Zudem sieht er das EU-Prüfverfahren zur Anpassung der Strompreiszonen methodisch als fragwürdig an. Grund dafür sei, dass der laufende Netzausbau in Deutschland nicht ausreichend berücksichtigt würde.

 

Für die erfolgreiche Transformation des Energiesystems brauche es stabile Rahmenbedingungen, bekräftigte Hans-Jürgen Brick, CEO von Amprion auf energate-Nachfrage. Denn alle geplanten Maßnahmen basierten auf der Annahme einer einheitlichen Gebotszone in Deutschland, so Brick. Eine Aufteilung der deutschen Gebotszone würde das Ziel der Klimaneutralität sowie den zügigen Ausbau der Stromnetze und der erneuerbaren Energien verzögern oder sogar insgesamt gefährden.

 

Viele Zonen könnten Erneuerbarenausbau verringern

 

Laut dem Positionspapier sei die operative Einführung einer Gebotszonenteilung vor allem für gebotszonenübergreifende Power Purchase Agreements (PPAs) vom Nachteil, da diese nicht mehr ohne weiteres umsetzbar seien. Auch könnten Industriebetriebe ihre Investitionen in Offshore-Windparks oder Elektrolyseure bis nach finaler Entscheidung über Gebotszonengrenzen verschieben oder zurücknehmen. Dazu sagte die Präsidentin des Wirtschaftsbeirats Bayern, Angelika Niebler: "Investitionskalkulationen für Erneuerbare-Energien-Projekte wie Windkraftparks an der Nordsee müssten auf komplett neue Füße gestellt werden, wenn sie nicht mehr in der gleichen Strompreiszone angesiedelt sind wie die vorgesehenen Abnehmer im Süden."

 

Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Transnet BW, sieht dies gegenüber energate ähnlich. Eine Aufteilung bringe Unsicherheiten für dringend benötigte Investitionen in die Energiewende und habe demnach das Potenzial, den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu schwächen, sagte er. Der im Norden Deutschlands angesiedelte ÜNB 50 Hertz teilte auf Anfrage die Einschätzung von Transnet BW. "Einem möglichen Nutzen, der durch temporär niedrigere Redispatchkosten entstehen könnte, stehen auf der anderen Seite eine enorme Marktverunsicherung, ein drohender Attentismus bei Investitionen in erneuerbare Energien und andere Energiewendetechnologien sowie Nachteile für Deutschland und die europäischen Nachbarländer gegenüber", so ein 50-Hertz-Sprecher.

 

Netzausbau als kritischer Punkt

 

Es sollte sich auf den schnellen Ausbau der Erneuerbaren und der Stromnetze fokussieren werden, forderte Transnet-BW-Chef Götz. Eine Aufteilung der deutsch-luxemburgischen Gebotszone bringe "uns in der aktuell dynamischen Situation nicht weiter".

 

Die Netze stehen auch beim Wirtschaftsbeirat Bayern im Fokus. So seien die geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsvorhaben Suedost- und Suedlink oder auch A-Nord und Ultranet der Übertragungsnetzbetreiber längst ausgebaut, wenn die Bundesregierung dann für einen ausgereiften Strompreiszonensplit bereit wäre. Denn die Leitungen würden schrittweise von 2026 bis 2028 in Betrieb gehen. Auch seien Interkonnektoren und Wechselstrom-Verbindungen dann fertiggestellt.

 

Dem pflichtet 50 Hertz bei: "Durch den Netzausbau, insbesondere durch die Fertigstellung der Gleichstromverbindungen aus dem Norden in den Süden, perspektivisch auch vom Nordwesten in den Südosten, würden sich die Preise in zwei oder mehr Strompreiszonen immer mehr angleichen", erklärte der Sprecher.

 

Gegenstimmen kommen aus dem Norden

 

Gegenwind kommt in der Debatte vor allem aus dem Norden Deutschlands. Damit Strom günstiger werde, seien effiziente Preissignale wichtig, so der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Michael Kruse am 29. Juli auf der Plattform X (ehem. Twitter). Dabei sprach sich der hamburgische Abgeordnete für eine Aufteilung in Strompreiszonen aus: "Sogar Schweden hat eine Leitung nach Deutschland abgelehnt, weil der deutsche Markt mit einer Zone schädlich wirkt. Habeck sollte den Impuls aus der Wissenschaft umsetzen, sonst wird Strom noch teurer."

 

Auch Joschka Knuth, Energie-Staatssekretär im Umweltministerium Schleswig-Holstein sieht die einheitliche Strompreiszone kritisch. "Deutschland steht vor der Herausforderung, dass Markt und Physik durch die Energiewende zunehmend auseinanderklaffen: Notwendige Marktkorrekturen, in Form von Redispatch, werden immer stärker zu einer Kostenbelastung", sagte er gegenüber energate. Ein "weiter so" werde teurer als die Zonenteilung. Der aktuelle Strommarkt verhindere zudem Investitionsentscheidungen und eine systemdienliche Betriebsführung von Erzeugern und Verbrauchern, so Knuth. Das Preiszonensplitting würde "uns wesentlich schneller ans Ziel eines klimaneutralen Energiesystems bringen".

 

Damit unterstützt er die Aussagen des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt (Grüne), der sich im April bei einer Veranstaltung zum Thema Strompreiszonensplit für eine Aufteilung aussprach. "Die Energiewende in Deutschland verläuft in zwei Geschwindigkeiten, das muss sich auch im Marktdesign zeigen", so Goldschmidt. /hp

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