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Netzausbau: Auf die richtige Dimension kommt es an

Essen (energate) - Der reale Netzausbaubedarf könnte unter dem der aktuellen Planungen liegen. Und das, ohne die Klimaziele zu gefährden. Davon gehen zumindest einige Experten aus. Die Übertragungsnetzbetreiber sind in dem Punkt aber uneins.

 

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50 Hertz, hatte schon bei der Anhörung zum Bundesbedarfsplangesetz auf unsichere Stromverbrauchsprognosen und die bevorstehende Entscheidung zum Strompreiszonensplit verwiesen. Im energate-Interview bekräftigte er nun seine Position. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, verursache dies einen Lock-in-Effekt, der im Zweifelsfall viel Geld koste. Das geplante Gesetz sieht fünf weitere Netzausbauvorhaben bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung vor. Auf Nachfrage von energate geht Kapferer sogar noch weiter. Seine Forderung: "Der nächste Netzentwicklungsplan sollte ein zusätzliches Szenario beinhalten, das von einem niedrigeren Stromverbrauch ausgeht."

 

Von den beiden Übertragungsnetzbetreibern Transnet BW und Amprion kommt Zustimmung. Transnet BW verwies darauf, dass der Hochlauf bei Wärmepumpen und E-Mobilität sich verlangsamt habe. Christoph Müller, CEO beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion, ergänzte, der Batterieboom habe "alle überrascht". Sein Postulat daher: "Wir sollten uns auf das Netz fokussieren, das wir bis 2035 sicher benötigen." Weiter sagte er, mit der Netzentwicklungsplanung würden gerade zwei Ziele adressiert: die Klimaneutralität und die Energieautarkie. "Letztere brauchen wir nicht", so Müller. Wenn Deutschland den benötigten Wasserstoff überwiegend importiere, reduziere das den Netzausbau deutlich.

 

Wirtschaftsweise sieht Einsparungen in Milliardenhöhe

 

Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm fordert, den Netzausbau anzupassen. Bislang gehe die Netzplanung von einem Stromverbrauch aus, der wegen der stockenden Elektrifizierung bis 2030 so wohl nicht erreicht werde, sagte sie im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Zudem könnten anstelle der wasserstofffähigen Kraftwerke einfache Gaskraftwerke zugebaut werden. Durch diese beiden Maßnahmen könnte ihrer Einschätzung nach ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag eingespart werden.

 

Tennet nimmt Gegenposition ein

 

Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet hält dagegen. Starke Netze seien eine Grundvoraussetzung für eine starke Wirtschaft und der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Industrie. Tim Meyerjürgens, CEO von Tennet Germany, erklärte: "Vorübergehende konjunkturelle Schwankungen oder Verzögerungen bei der Elektrifizierung einzelner Sektoren ändern nichts an der langfristigen Zielsetzung - wir sollten somit nicht verkürzt auf die Zwischenschritte 2030 und 2037 blicken." Schon bei der Anhörung zum Bundesbedarfsplan hatte sich das Unternehmen entsprechend positioniert. Dabei geht es auch um bereits begonnene Planungen. Eine Unternehmenssprecherin bezifferte den Schaden, falls diese neu aufgerollt werden müssten, damals auf 150 Mio. Euro.

 

Festhalten an Klimazielen

 

Sowohl Kapferer als auch Müller betonen, die Klimaziele seien durch einen geringeren Netzausbau nicht gefährdet. Werner Götz, Geschäftsführer bei Transnet BW, ergänzte: "Das Ziel bleibt Klimaneutralität. Aber wir müssen einen stärkeren Fokus auf die Bezahlbarkeit werfen." Dabei sieht er zwei Schlüssel zur Kostenreduktion. Zum einen sollten mehr Projekte in Freileitung realisiert werden. Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller hatte sich Mitte Februar ähnlich geäußert. Zum anderen sollten Netzausbauprojekte nach Dringlichkeit zeitlich gestaffelt werden, um die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen und die Lieferketten nicht zu überlasten, so Götz. Auch hier ist er auf Linie mit der Bundesnetzagentur: Die gerade veröffentlichten Eckpunkte für die Regulierung der Übertragungsnetze sehen solch eine Priorisierung vor.

 

Sondervermögen für Energieinfrastruktur

 

Das von Union und SPD angekündigte Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro ist neben dem Ausbau von Verkehrswegen und der Digitalisierung unter anderem auch für die Energienetze vorgesehen, wie SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil bei einer Pressekonferenz sagte. Das könnte auch die Kosten für die Endverbraucher drücken. Allerdings: Noch ist das Paket nicht verabschiedet, zudem ist unklar, wie hoch der Zuschuss für die Energienetze ausfallen könnte - und ob es überhaupt einen geben wird. /sd

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