Nach der Übernahme: EnBW und Enersis haben große Pläne
Karlsruhe (energate) - Der schweizerische IT-Dienstleister Enersis ist seit Kurzem eine 100-prozentige EnBW-Tochter. Beide Unternehmen hoffen, in der neuen Konstellation den Grundstein für eine strategisch wichtige Win-win-Situation gelegt zu haben. Während die Karlsruher bei dem Zukauf vor allem den Umbau ihrer Verteilnetze im Blick haben, will Enersis in Sachen Produktentwicklung und Marktdurchdringung ein neues Level erreichen. Das machten Thomas Koller, CEO der Enersis Suisse AG, und Nils Blume, Head of Venture Scaling der EnBW Innovation, im ersten gemeinsamen Gespräch mit energate nach dem Vollzug der Transaktion deutlich.
Nicht zuletzt, weil hierzulande bundesweit rund 1.900 Kommunen auf Enersis-Software setzen, ebenso wie einige große Mitbewerber der EnBW, hatte die Mitte September verkündete Übernahme branchenweit viel Beachtung erfahren. Blume zufolge hängt die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten EnBW eng mit dem Gelingen des anstehenden Aus- und Umbaus der Verteilnetze zusammen, wo "ein erheblicher Teil" des milliardenschweren Investitionsbudgets der Karlsruher hineinfließen wird, wie er sagte: "Wir müssen Flexibilitätspotenziale erschließen und die Digitalisierung vorantreiben." Speziell im strategisch wichtigen Innovationsfeld Smart Grids könne die neue Tochter mit ihren "digitalen Zwillingen einen wichtigen Impuls liefern", zeigte er sich überzeugt. Im Smart-Grid-Cluster der EnBW, so Blume weiter, komme der neuen Tochter "eine zentrale Rolle" zu: "In diesem Segment wollen wir Enersis zu einem ganz starken Player machen."
Know-how-Gewinn bei Simulationen und Datenanalyse
Besagter wichtiger Impulsgeber für das Smart-Grid-Segment der EnBW dürfte vor allem "Gaia" sein. Dabei handelt es sich um die modular aufgebaute Flaggschiff-Software von Enersis. Mit diesem IT-Planungs- und -Analyseprogramm und mithilfe von Echtzeitdaten lassen sich über Gaia präzise virtuelle Modelle großer Infrastrukturen erstellen. So können die Anwender Planungsschritte oder auch Betriebssituationen simulieren. Neben den Möglichkeiten zur Digitalisierung der Verteilnetze sind der Smart-Meter-Rollout und nicht zuletzt die kommunale Wärmeplanung weitere Anwendungsgebiete für diesen speziell für die Energiewirtschaft ausgelegten digitalen Zwilling.
Enersis und Smight rücken wohl enger zusammen
Gerade diese Technologie und die damit verbundene Know-how-Tiefe von Enersis stellt für Blume eine Bereicherung für die EnBW dar. Ferner ergänze sich Enersis mit weiteren IT-Töchtern der EnBW, allen voran Smight. Die EnBW-Ausgründung stellt Netzbetreibern unter anderem ebenfalls Echtzeitdaten zur Infrastrukturplanung zur Verfügung. Dies geschieht vorrangig über Sensorik für die Niederspannungsebene. Auch mit Smight hat Enersis bereits vor der Eingliederung bei EnBW zusammengearbeitet.
Enersis hofft auf mehr Tempo und Schlagkraft bei der Produktentwicklung
Enersis-Suisse-CEO Koller wiederum sieht ebenfalls mehrere Vorteile, die Enersis als EnBW-Tochter zugutekommen: "EnBW und die Verteilnetztochter Netze BW, mit der wir bereits seit Längerem zusammenarbeiten, sind für uns sehr starke Partner, die uns die Tür zu neuen Kunden öffnen können." Ferner könne der IT-Dienstleister nun auf zusätzliche Ressourcen zurückgreifen, von denen sich Koller mehr Tempo und eine zusätzliche Breite bei der Produktentwicklung sowie bei der Skalierung bestehender IT-Lösungen verspricht. "Ein anderer Aspekt sind die zunehmenden Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit. Das ist für ein eher kleines Unternehmen, wie wir es bisher waren, sehr herausfordernd", so Koller weiter. Innerhalb des EnBW-Konzerns gebe es fortan weitere erfahrene Partner für solche Themen.
Netzbetreiber-Software weiter ausrollen
Ein Beispiel für die Skalierung einer bereits erfolgreich eingesetzten Software ist die Kommunalplattform der Netze BW, wie Koller weiter ausführte. Die EnBW-Tochter nutze diese gemeinschaftlich entwickelte Software aktuell "als zentrales Dialog- und Energiewendeportal" in der Zusammenarbeit mit mehreren Hundert Kommunen in Baden-Württemberg. Dieses Portal könne über die Grenzen des Bundeslandes hinaus etabliert werden, zumal es "leistungsstarke Anwendungen für die Netz- und Baustellenplanung enthält, für welche es einen großen Marktbedarf gibt", so Koller weiter. /pa
Das gesamte Interview im Wortlaut lesen Sie im Add-on Markt & Industrie. Geführt hat das Gespräch energate-Chefredakteur Christian Seelos.