Mittelständische Stadtwerke brauchen Kooperationen
Völklingen (energate) - Gerade für die vielen mittelständischen Stadtwerke weniger finanzstarker Kommunen ist der anstehende Umbau ihrer Netzinfrastruktur eine besondere Mammutaufgabe. Eine Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen sind Netzwerke und Kooperationen. Im Saarland, wo auch die Stadtwerke Völklingen ihr Einzugsgebiet haben, hat das schon eine gewisse Tradition, berichtet Karsten Wünsche, Geschäftsführer der Stadtwerke Völklingen Netz, im Rahmen unserer Sommerinterview-Serie zur kommunalen Infrastruktur.
Das gilt etwa für das Fernwärmenetz, das nicht zum Eigentum des Kommunalversorgers gehört, sondern dem Fernwärme-Verbund Saar von Iqony und den Stadtwerken Saarbrücken. "Wir agieren im Verbund als Dienstleister und als Bindeglied zu den Endkunden", erläuterte Wünsche. Auf Kooperation setzten die Stadtwerke auch bei bisherigen Bemühungen rund um die kommunale Wärmeplanung und einem laufenden Digitalisierungsprojekt im Stromnetz mit der EnBW-Tochter Smight. Ziel hierbei ist, den Ausbaubedarf der Stromnetze mittels Sensorik und Lorawan-Technologie zu minimieren.
"Mittelständler kommen nicht um Kooperationen herum"
Mit Partnern sind die Stadtwerke auch beim Umgang mit Netzanschlussbegehren und beim Aufbau einer neuen IT-Plattform für die Geschäftsprozesse rund um den Lieferantenwechsel (GPKE) unterwegs. Herkömmliche ERP-Systeme, so Wünsche, stoßen mit der angeschobenen Digitalisierung hier längst an ihre Grenzen. "Generell leben wir hier im Saarland den Kooperationsgedanken sehr stark", so Wünsche: "Mittelständler können sich auch allein auf den Weg machen, letztendlich kommen sie jedoch nicht um Kooperationen herum."
Industrietransformation bringt Chancen
Völklingen steht auch als Industriestandort vor einer großen Transformation. Saarstahl prägt nicht nur die 40.000-Einwohner-Stadt, sondern die Region. Um zu dekarbonisieren, will Saarstahl einerseits seine Schmelzöfen elektrifizieren und anderseits - mit staatlicher Förderung - auf Wasserstoff setzen. Große Wasserstoff-Pläne verfolgen auch Steag und die Schwester Iqony für den Kraftwerksstandort Völklingen-Fenne. Die Steinkohleblöcke der Anlage sind zwar bis 2031 systemrelevant. Gleichwohl soll der bereits im Entstehen begriffene "HydroHub Fenne" ab 2028 auf Basis eines 53-MW-Elektrolyseurs jährlich bis zu 8.200 Tonnen Wasserstoff produzieren. Die Stadtwerke sind zwar nicht Netzbetreiber der Großindustrie, trotzdem stellt diese Wasserstoffperspektive auch für sie eine Chance dar, die laut Wünsche im Entstehen des Wasserstoff-Kernnetzes liegt.
Wasserstoff als "fantastische" Option der kommunalen Wärmeplanung
Allerdings sei Wasserstoff "in der Verteilnetzebene nicht der große Heilsbringer, als der er bisweilen dargestellt wird". Wünsches Appell: "Wir müssen uns über die Chancen und Risiken ehrlich machen." Eine weitere Chance ergebe sich aus seiner Sicht, "wenn Wasserstoff im Zuge der kommunalen Wärmeplanung als Option zur Versorgung von Haushalten" gesehen würde. "Das wäre ganz fantastisch", so Wünsche mit Blick auf die H2-ready-Strategie des Branchenverbands DVGW, der seinerseits für Wasserstoff im Wärmemarkt plädiert. "Wie bundesweit sehr viele Gasnetzbetreiber haben die Stadtwerke Völklingen ein vergleichsweise junges Gasnetz, was im Mittel erst seit 30 Jahren in der Erde liegt", erläuterte er.
Aus der Frage zur Zukunft der Gasverteilnetze ergebe sich ein "politisches Spannungsfeld" mit einigem dringlichen Klärungsbedarf, so Wünsche. "Von politischer Seite als auch vonseiten der großen Verbände ist zu hören, dass Wasserstoff in der Wärmeversorgung der Haushalte keine Rolle spielen soll." Zugleich aber seien Heizungsbauer längst im Begriff, Fakten zu schaffen, indem sie "H2-ready-Heizungsanlagen" vertreiben. "Verbraucher kaufen solche Anlagen im Glauben, mit diesen Anlagen für die Zukunft gerüstet zu sein." Dabei gelte Wasserstoff der Politik gegenwärtig eben nicht als Mittel der Wahl für die Wärmeversorgung der Zukunft.
Steigende Netzentgelte als zusätzliche Herausforderung
Herausfordernd ist der Status quo beim Thema Netzbetrieb in Völklingen auch mit Blick auf die Entwicklung der Netzentgelte. Sowohl für das Strom- als auch im Gasnetz führt die gegenwärtige Entwicklung bei den Stadtwerken Völklingen zu steigenden Netzentgelten. Gasseitig nennt Wünsche zwei Faktoren: Einerseits drosselten die Endkunden seit der Energiekrise merklich den Gasverbrauch, um zu sparen. Anderseits sorge das sehr umstrittene sogenannte Heizungsgesetz dafür, dass sich Kunden sukzessive verabschieden. "Diese Gemengelage - weniger kWh im Netz und weniger Nutzer am Netz - lässt die Netzentgelte immens steigen", so Wünsche. Stromseitig müssen die Stadtwerke absehbar eine Reihe von Umspannwerken bauen, was ebendiesen Effekt nach sich zieht. "Das ist dem Industriestandort geschuldet", so Wünsche.
Netzentgeltentwicklung braucht "politische Lösung"
Zahlreiche große Logistiker, die sich entlang der Autobahn A 620 angesiedelt haben, rüsten ihre Hallen zusehends mit PV aus, berichtete er. Zudem ist auch in Völklingen die Zahl der Prosumer-Privathaushalte gewachsen. "Weil PV-Anlagen EEG-Strom produzieren, der per Gesetz zeitnah abgenommen und vergütet werden muss, zahlen die Betreiber an dieser Stelle keine Netzentgelte", so Wünsche weiter. "Das wiederum bringt uns in ein Spannungsfeld mit unseren Anteilseignern", das Investitionen in Umspannwerke nicht leichter mache. "Es wird eine gesetzliche Lösung brauchen, dies in den Griff zu bekommen", forderte Wünsche. /pa
Das gesamte Interview mit Karsten Wünsche lesen Sie im Add-on Markt & Industrie.
Weitere Interviews aus unserer diesjährigen Sommerserie "Kommunale Netzinfrastruktur im Umbruch" lesen Sie hier.