Mehr Erneuerbare im Regelleistungsmarkt
Bayreuth/Berlin/Dortmund/Stuttgart (energate) - Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) wollen volatilen Erzeugungsanlagen den Zugang zum Regelleistungsmarkt erleichtern. Dafür prüfen die vier ÜNB eine Verkürzung der Produktzeitscheiben. Einen entsprechenden Vorschlag haben 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW nun zur Konsultation mit der Branche gestellt, wie energate auf Anfrage von den ÜNB erfuhr. Um auf dem Regelleistungsmarkt aktiv werden zu können, müssen Direktvermarkter ihre Anlagen zunächst präqualifizieren. Die Anforderungen gelten für grundsätzlich alle Technologien.
Aktuelles Marktdesign bringt Nachteile für volatile Erzeuger
Aktuell müssen Anlagenbetreiber beziehungsweise deren Vermarkter Sekundärregelleistung für Vier-Stunden-Abschnitte des Folgetages anbieten. Rufen die ÜNB die angebotene Menge ab, müssen die Vermarkter innerhalb von 30 Sekunden reagieren und binnen fünf Minuten die Ausschreibungsleistung rauf- oder runterfahren. Dieses Marktdesign bringt für volatile Erzeuger wie Windkraft- und Solaranlagen Nachteile mit sich. Denn für jede Vier-Stunden-Zeitscheibe kann nur der niedrigste erwartete Einspeisewert der gesamten Zeitscheibe angeboten werden. Kürzere Zeitscheiben würden Wind- und Solaranlagen insofern entgegenkommen. Je kürzer die Zeitscheibe, desto weniger volatil ist die Leistungseinspeisung und umso besser ist die Planbarkeit für die Direktvermarkter.
Die ÜNB begründen ihren Vorstoß mit dem Hinweis, dass am Regelleistungsmarkt zunehmend volatile Preise mit Preisspitzen in den Sommermonaten zu beobachten seien. Dies gehe mit "geringeren Angebotsvolumen, hoher EE-Einspeisung und Nichtverfügbarkeiten insbesondere von Pumpspeicherkraftwerken" einher. Die Pumpspeicherkraftwerke bilden jedoch das Rückgrat des Regelleistungsmarktes, stehen aber nicht immer zur Verfügung. Die bessere Einbindung von Windkraft- und Solaranlagen könnte somit die Regelleistungspreise senken, so die Argumentation der ÜNB.
Interesse an Präqualifikation von Windkraft nimmt zu
Die Präqualifikation von Windenergieanlagen für Regelenergie ist bereits seit 2015 möglich. Bislang stieß diese Möglichkeit jedoch nur auf geringes Interesse, wie eine Auswertung der ÜNB zeigt. Doch dies scheint sich zu wandeln. "Das Interesse hinsichtlich der Präqualifizierung von Windkraftanlagen nimmt merklich zu", erklärten die ÜNB gemeinsam gegenüber energate. Sie gehen davon aus, dass sowohl in der Sekundärregelreserve als auch in der Minutenreserve "kurz- bis mittelfristig vermehrt Windkraftanlagen" präqualifiziert werden. Einen entsprechenden Leitfaden haben die ÜNB ebenfalls vor Kurzem veröffentlicht.
MVV schließt erste Verträge
Einer der potenziellen Anbieter ist die MVV Energie aus Mannheim. Über die Handelsgesellschaft MVV Trading hat das Unternehmen erste Verträge zur Vermarktung von Sekundärregelleistung aus Onshore-Windparks geschlossen. Mitte November gelang es dem Unternehmen, die Voraussetzungen für negative Sekundärregelleistung aus Windkraft zu erfüllen. Im Anschluss hat das Unternehmen die Präqualifikation für diesen Windpark beantragt, wie die MVV mitteilte. Auch erste Verträge zur Vermarktung von Sekundärregelleistung seien abgeschlossen worden, hieß es aus Mannheim.
In der Vergangenheit habe insbesondere die für die Direktvermarktung eingesetzte Fernsteuertechnik nicht die Anforderungen der ÜNB erfüllt, erklärte das Unternehmen auf energate-Anfrage. MVV Trading habe jedoch "frühzeitig die technische Umrüstung von Windparks als standardisiertes Vorgehen aufgesetzt, sowohl was die Fernsteueranbindung als auch Anpassungen in der Parksteuerung durch die WEA-Hersteller angeht", so ein Unternehmenssprecher. Eine weitere Herausforderung sei, dass viele Windparks die Leistungseinspeisung noch nicht auf Basis der aktuellen Windgeschwindigkeit ermitteln. Dessen ungeachtet sei das Unternehmen "weit fortgeschritten" im Präqualifikationsprozess des ersten Windparks. Insgesamt sehe das Unternehmen ein Potenzial von rund 500 MW installierter Windparkleistung in seinem Direktvermarktungsvertrieb.
Nutzen von Solarenergie umstritten
Generell können auch Photovoltaikanlagen die Präqualifikationsanforderungen erfüllen. Bislang gibt es laut der ÜNB-Auswertung jedoch noch keine Teilnehmer im Markt für Regelenergie. Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) kommt ohnehin nur die Erbringung negativer Sekundärleistung für Solaranlagen infrage. Daher sei nicht abschätzbar, "ob und wie stark die Photovoltaik zukünftig am Sekundärleistungsmarkt teilnehmen" werde, erklärte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig gegenüber energate. Er warb stattdessen für die Kombination aus Photovoltaikanlage und Batteriespeichern.
Etwas optimistischer zeigte sich dagegen die MVV. Das Unternehmen kündigte an, im kommenden Jahr auch Solaranlagen an den Sekundärregelleistungsmarkt bringen zu wollen. Jedoch sei selbst bei "Erfüllung der technischen Anforderungen" noch schwierig zu beurteilen, ob die Steuerbarkeit zur Erfüllung der Regelenergieanforderungen gegeben sei. Auch müssten im Vergleich zur Windenergie "die technischen Lösungen für Photovoltaik individueller auf die Solarparks angepasst werden", so der Sprecher weiter. Trotz dieser Herausforderungen sehe MVV "auch für Solaranlagen ein großes Potenzial bei Sekundärregelleistung". /rh