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"Man kann sich nicht zu Größe schrumpfen"

Berlin (energate) - Die Rolle der Verteilnetze in einer Wasserstoffwirtschaft wird kontrovers diskutiert. Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der Stadtwerkekooperation 8KU, spricht sich dafür aus, beim künftigen Wasserstoffnetz eher groß zu denken. Das gilt beim Wasserstoff-Kernnetz, aber auch bei den Verteilnetzen, die das Bindeglied zwischen den kleinen und mittelgroßen Kunden in Industrie und Gewerbe darstellen. Die kommunale Wärmeplanung sollte zu einer Infrastrukturstrategie weiterentwickelt werden.

 

energate: Herr Dümpelmann, auf der Fernleitungsnetzebene hat die Politik mit dem Wasserstoff-Kernnetz den

Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur auf den Weg gebracht. Wo stehen wir heute?

 

Dümpelmann: Ich bin zunächst sehr froh, dass es überhaupt diesen Prozess gibt. Nach langem Hin und Her um das Unbundling gibt es jetzt einen Ansatz, wirklich ein Kernnetz zu errichten. Der Aufbau der neuen Wasserstoffinfrastruktur getrennt von den bestehenden Gasinfrastrukturen wäre volkswirtschaftlich nicht darstellbar gewesen. Wir haben hier einen großen Fortschritt erzielt und ich bin der Meinung, dass man jetzt nicht mit kleinem Karo vorgehen sollte. Das ist ja ganz offenbar auch nicht der Hintergrund der Verzögerung bei der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Kommission gewesen.

 

energate: Sie meinen, es ist besser, das Netz groß zu denken?

 

Dümpelmann: Man kann sich nicht zu Größe schrumpfen. Wenn wir in eine Wasserstoffwirtschaft einsteigen wollen, dann sollten wir das auch richtig machen und eher mehr als weniger bauen. Wenn Sie erst mal die Entscheidung getroffen haben und Regionen bei der Netzplanung außen vor bleiben, dann werden die Unternehmen, die dort Wasserstoff abnehmen wollen, völlig andere Entscheidungen treffen und dann können Sie die regionale Entwicklung dort vergessen. Also, das Kernnetz ist erst einmal ein großer Fortschritt.

 

energate: Das klingt nach einem großen "Aber".

 

Dümpelmann: Es ist natürlich immer noch viel zu machen. Wenn Sie etwa an die ersten konzeptionellen Entwürfe für das Kernnetz denken, war da ein signifikanter Anteil von Wasserstoff für die Kraft-Wärme-Kopplung als Basis hinterlegt. Jetzt haben wir das Jahr 2024 und eigentlich hätte die Bundesregierung schon 2022 eine Evaluierung vorlegen müssen zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz.

 

Wenn im Kernnetz eine signifikante Menge Wasserstoff für KWK-Anlagen modelliert wird, die H2-ready sind, dann verstehe ich nicht, weshalb man bei der Konzeption des KWKG nicht vorankommt. Man könnte sich wenigstens darauf vorbereiten, das KWKG zu entfristen. Das ginge relativ einfach. Damit könnte man schon eine Menge Tempo auf die Straße bringen. Dann gilt es, über den zweiten Schritt zu reden, über das Verteilnetz, denn ohne Verteilnetz kommen Sie nicht zum Kunden. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Fass Bier, aber keine Gläser! Ganz viel hängt am Verteilnetz.

 

energate: BNetzA-Präsident Klaus Müller hat eingeräumt, dass die Verteilnetze beim Wasserstoff eine Rolle spielen werden. Aber welche?

 

Dümpelmann: Die Verteilnetze sind das notwendige Bindeglied zwischen all den unzählig vielen kleinen und mittelgroßen Kunden, damit diese überhaupt Zugang zum Wasserstoff bekommen. Damit meine ich nicht, dass jetzt jede Gasheizung umgestellt wird, ich rede von dem unglaublich hohen Bedarf an Prozessenergie im Gewerbe und in der Industrie. Es gibt viele mittelgroße Unternehmen, die hohe Temperaturen brauchen, sei es die kunststoffverarbeitende Industrie, seien es Papier- oder Zementhersteller. Diese Unternehmen hängen heute nicht am Fernleitungsnetz für Gas und werden auch morgen nicht am Kernnetz für Wasserstoff hängen. Das sind die Kunden, an die man denken muss.

 

energate: Was bedeutet das?

 

Dümpelmann: Um diese Fragen wird es in der kommunalen Wärmeplanung gehen müssen, zu schauen, wo liegen die hochkalorischen Wärmebedarfe, an welchen Stellen sind die Verteilnetze für Wasserstoff unerlässlich, welche Gasnetze werden nicht mehr gebraucht. Dafür muss ein klarer Regulierungsrahmen geschaffen werden, der ökonomische Sicherheit gibt. Die kommunalen Wärmepläne sind hier eine entscheidende Voraussetzung. Sie sollten den Charakter einer Infrastrukturstrategie erhalten. Denn wenn sie das nicht haben, wenn jeder macht, was er will, dann ist das vielleicht technologieoffen, aber es ist weder volkswirtschaftlich noch betriebswirtschaftlich effizient.

 

energate: Wie steht es denn um die Finanzierung der Wasserstoffleitungen im Verteilnetz?

 

Dümpelmann: Das ist eine gute Frage. Das wird in jeder Stadt und in jeder Gegend anders sein, weil die Ablösestrategien sehr unterschiedlich aussehen werden. Was man sagen kann und muss, ist, dass wir einen riesengroßen Finanzierungsbedarf haben. Das gilt im Übrigen für jedes Netz, egal ob Wasserstoff-Kernnetz oder -Verteilnetz oder Stromverteilnetz. Wir werden eine Riesenmenge Eigenkapital brauchen, der Regulierungsrahmen ist aber gar nicht darauf ausgelegt, große Investitionen zu begründen. Wir befinden uns in einer ganz neuen Situation, es geht nicht mehr darum, laufende Aufwendungen zu finanzieren, sondern darum, in einem enormen Umfang Liquidität für Neuinvestitionen bereitzustellen. Das ist noch nicht hinreichend verstanden worden.

 

Die Fragen stellte Thorsten Czechanowsky.

 

Das gesamte Interview mit 8KU-Geschäftsführer Matthias Dümpelmann lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der emw vom 6. Juni.

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