Lücken im Regelwerk hemmen Wasserstoff-Infrastruktur
München/Essen (energate) - Zum Aufbau eines Wasserstoff-Verteilnetzes in Deutschland fehlt noch das entsprechende rechtliche Gerüst. Gasnetzbetreiber zögern daher, ihre Infrastruktur umzurüsten und entsprechende Investitionen anzustoßen. In der Branche werden nun die Rufe nach mehr Rechtssicherheit lauter. Das Stadtwerkenetzwerk Thüga hat nun einen Vorstoß gewagt, wie sich die Regelungslücken schließen lassen könnten. Das Unternehmen hat ein Gutachten vorgelegt, das eine Orientierung an der geltenden Regulierung für Erdgasverteilnetze empfiehlt. Das Gutachten hat die Essener Kanzlei Rosin Büdenbender im Auftrag der Thüga und vier Partnerunternehmen erstellt. Unterm Strich besagt es, dass es nur wenige Anpassungen am vorhandenen Rechtsrahmen braucht, um die Transformation effizient zu gestalten. Dabei helfe vor allem auch der Blick auf die europäischen Regelungen in Form der EU-Gasverordnung.
Branche fordert praktikable Transformation
Die Verteilnetzbetreiber sehen sich seit Langem beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur im Vergleich zu den Transportnetzbetreibern zu wenig beachtet. Dabei sei ein Großteil der Industriestandorte, die für klimaneutrale Produktionsprozesse Wasserstoff benötigen werden, nicht direkt ans Kernnetz angeschlossen. Die Unternehmen drängen deswegen auf ein Festzurren der Investitions- und Finanzierungsbedingungen für die Wasserstoff-Verteilnetze. "Wir müssen die Transformation praktikabel gestalten", forderte Patrick Kunkel, Leiter der Thüga Regulierung. Diese dürfe Wasserstoffnutzer und -netzbetreiber finanziell nicht überfordern. "Das Gaspaket der EU bietet dafür Möglichkeiten", gab er anlässlich der Veröffentlichung des Gutachtens zu bedenken.
"Effiziente" H2-ready-Kosten
Für das Wasserstoff-Kernnetz ist der Rechtsrahmen bereits vergleichsweise ausdifferenziert. Mit den Festlegungen Wanda, Wasabi und Wakanda hat die Große Beschlusskammer (GBK) der Bundesnetzagentur bereits erste wichtige Leitplanken, etwa für die Entgeltbildung, gesetzt. Im Bereich der Verteilnetze gibt es einen solchen Rahmen noch nicht. Das Gutachten will deswegen an dieser Stelle Lösungswege aufzeigen, wie sich der bestehende Rechtsrahmen für Erdgas auch auf die Verteilung von Wasserstoff anwenden lässt. Beispielsweise geht es darum, wie sich die Kosten für H2-ready-Investitionen in der Regulierung rechtssicher abbilden lassen. Eine entscheidende Rolle wird nach Ansicht der Rechtsexperten dabei der in der Gasrichtlinie (EU) 2024/1788 vorgesehene Transformationseffizienzmaßstab spielen. Denn dieser Maßstab schließt nicht aus, "effiziente" H2-ready-Kosten für einen Übergangszeitraum regulatorisch als "effiziente" Erdgasverteilernetzkosten behandeln zu können, also quasi aus der Erdgas-Kasse zu zahlen.
Gestattung von Finanztransfers
Auch an anderer Stelle helfe eine Orientierung an der EU-Gasverordnung, nämlich was die Möglichkeit einer Gestattung von Finanztransfers angeht. Denn hinsichtlich der Kosten für Wasserstoffneubauinvestitionen sieht die Verordnung die Implementierung einer Methodik eines zulässigen Transfers im nationalen Rechtsrahmen vor, was eigentlich im Sinne des Unbundlings bislang ein No-Go ist. Diese Option ergibt laut der Rechtsexperten vor allem aufgrund der Strukturen in einem Markt, der sich im Hochlauf befindet, Sinn. "Eine Refinanzierung von Kosten für Investitionen in den Neubau von Wasserstoffverteilernetzen würde in vielen Fällen zu prohibitiv hohen Netznutzungsentgelten für die wenigen Wasserstoffnetzkunden führen, was Investitionen in neue Wasserstoffnetze gefährden könnte. In vielen Fällen gibt es noch keine Wasserstoffnetzkunden", erklärte Jana Michaelis, Rechtsanwältin und Geschäftsführende Gesellschafterin von Rosin Büdenbender.
Auftraggeber des Gutachtens sind neben der Thüga die Versorger Eins Energie, Energie Schwaben, Energie Südbayern und die Mainova. Das Gutachten ist online aufrufbar. /ml