Lichtblick will mit neuem CEO unbequem bleiben
Essen/Hamburg (energate) - Der Ökostromanbieter Lichtblick will auch unter der Führung des neuen CEOs, Marc Wallraff, Konflikten mit anderen Marktakteuren nicht aus dem Weg gehen. Das kündigte Wallraff in seinem ersten Interview in neuer Position bei energate an. "Wir werden auch weiterhin mit unpopulären Forderungen auf die Energiebranche zukommen", sagte er. Als Beispiel wiederholte er die Forderungen des Hamburger Unternehmens nach einer radikalen Vereinfachung der Akteursstruktur im deutschen Verteilnetz. "Wir leisten uns mit einem Flickenteppich von knapp 900 Verteilnetzbetreibern in Deutschland eine Marktstruktur, die zu enormen Ineffizienzen und unnötig hohen Kosten führt. Das kann so nicht bleiben", mahnte der neue Lichtblick-Chef.
"Energiewende ist nicht teuer"
Die kleinteilige Struktur sei problematischer denn je, "da wir ja inzwischen eine Kostendiskussion der Energiewende haben, die sich immer mehr um die Netzkosten dreht", gab Wallraff zu bedenken. Schon in der Vergangenheit hatte der Stromanbieter vorgerechnet, dass eine Neustrukturierung des Verteilnetzes auf lediglich sechs Netzregionen, die mit einheitlichen und digitalen Standards agieren, jährlich mehrere Milliarden Euro einsparen könnte. "Die Energiewende ist nicht teuer, das System ist es", betonte Wallraff. Deswegen müsse es darum gehen, dieses System auf erneuerbare Energien auszurichten. "Das gilt auch für die Struktur im Verteilnetz."
Zu den Debatten, in die sich Lichtblick in der Vergangenheit mit "unpopulären" Positionen eingeschaltet hat, gehört auch die zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Seit Längerem kritisiert der Ökostromanbieter vermeintliche regionale Monopole im Ladesäulenmarkt durch lokale Energieversorger, die nach Überzeugung des Unternehmens zu überhöhten Preisen für Ladestrom führen. Diese Vorwürfe wollen Stadtwerke und Regionalversorger naturgemäß nicht stehen lassen. Als Alternative wirbt Lichtblick für ein sogenanntes Durchleitungsmodell, welches vorsieht, dass E-Auto-Nutzende sämtliche Ladevorgänge über einen Vertrag abrechnen können. Es sei einem E-Mobilisten doch gar nicht zu vermitteln, "dass man seinen Ladetarif nicht mit an die Ladesäule nehmen darf", argumentierte der neue CEO Wallraff in dem Interview.
Schwierige Zeiten für Ökostromanbieter
Wallraff ist seit November der neue Lichtblick-Chef. Zuvor war er als Head of Commercial Business beim Heizungshersteller Viessmann aktiv. Er stößt in einer schwierigen Phase zum Ökostromanbieter. Denn zum einen zieht die Energiewende als Vertriebsargument nicht mehr so stark wie früher, wie auch Wallraff einräumte. Zum anderen greifen zahlreiche neue Wettbewerber mit innovativen Produkten wie dynamischen Tarifen oder speziellen Prosumer-Angeboten, die beispielsweise die Einbindung von Solaranlage oder Wallbox ermöglichen, nach Marktanteilen im Stromvertrieb. Noch gehört Lichtblick indes zu den Platzhirschen. Mit etwa 1,7 Mio. Kunden zählt das Hamburger Unternehmen landesweit zur Top Ten im Energievertrieb.
Im Interview bemühte sich Wallraff ohnehin um eine positive Lesart: Er sei "überhaupt nicht traurig über ein intensives Wettbewerberfeld", betonte er. Alle innovativen Ideen brächten die Energiewende voran. "Da hat die Energieversorgung gegenüber anderen Branchen ja durchaus Nachholbedarf", sagte er. Lichtblick habe in dieser Hinsicht schon die "richtigen Schritte unternommen" und beispielsweise eine eigene Digitalisierungsplattform entwickelt. Nun sei das Ziel, "Lichtblick bei den neueren Themen wie Ladeinfrastruktur und Flexibilisierung stärker zu positionieren", kündigte Wallraff an. /rb
Das gesamte Interview mit dem neuen Lichtblick-CEO Marc Wallraff lesen Sie im Add-on Markt & Industrie.