Leag darf Milliardenentschädigung für Kohleausstieg erhalten
Berlin (energate) - Die Bundesregierung darf den Betreiber Leag für den vorgezogenen Kohleausstieg bis 2038 mit bis zu 1,75 Mrd. Euro entschädigen. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, gab dafür per Brief nun ihre Zustimmung. Eine detaillierte Vereinbarung soll im laufenden Jahr folgen. Dennoch sprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei einer Pressekonferenz von einer guten Nachricht für die Region, die Menschen vor Ort und die Leag selbst. Die grundsätzliche Freigabe kommt wenige Tage vor der Europawahl und Kommunalwahlen in Sachsen und Brandenburg, also Ländern mit Braunkohleabbau.
Die Entschädigungszahlungen gehen auf das 2020 beschlossene Kohleverstromungsbeendigungsgesetz zurück, das den Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038 vorsieht. Während die Betreiber von Steinkohlekraftwerken ihre Anlagen in Abschaltauktionen anbieten mussten, sind bei der Braunkohle direkte Entschädigungen vorgesehen. Dabei geht es um eine Summe von 4,35 Mrd. Euro für RWE und die Leag. Die Gespräche mit der EU-Kommission über die beihilferechtliche Freigabe dieser Entschädigungen laufen schon seit 2021.
Die rund 2,6 Mrd. Euro Entschädigung an RWE genehmigte die Behörde Ende 2023. Der Versorger hatte zwischenzeitlich eine separate Vereinbarung mit dem Land NRW über ein Ende der Kohleverstromung im Jahr 2030 geschlossen und auch schon einen Teil der Kraftwerke vom Netz genommen. Das EU-Prüfverfahren gestaltete sich für RWE daher deutlich weniger komplex.
Komplexes Verfahren
Für die Leag seien dagegen langfristige Wirtschaftlichkeitsprognosen nötig gewesen, was die beihilferechtliche Bewertung erschwert habe, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Eingebunden in die Gespräche waren neben dem Energiekonzern auch die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen. Minister Habeck ließ durchblicken, dass sich das Verfahren schwierig gestaltet habe. Er selbst habe vor wenigen Monaten nicht damit gerechnet, für die gesamte Summe von 1,75 Mrd. Euro eine Freigabe zu erhalten.
Aufgeteilte Zahlungen
Leag-Vorstandschef Thorsten Kramer zeigte sich entsprechend erleichtert. Das Signal aus Brüssel sei für das Unternehmen und die Beschäftigten in der Region von entscheidender Bedeutung, erklärte er. Die Zahlungen sind in zwei Tranchen aufgeteilt. Fix ist die Summe von 1,2 Mrd. Euro für Sozialkosten sowie höhere Ausgaben für die Renaturierung durch den schnelleren Kohleausstieg. Hierfür muss der Versorger in Brüssel Nachweise erbringen.
Die restlichen maximal 550 Mio. Euro hängen von Variablen ab, etwa der Frage, wie sich die Kosten für Strom und CO2 entwickeln und wie viel das Unternehmen mit Beiprodukten wie Briketts oder Wärme hätte verdienen können - nach dem politisch vereinbarten Ausstiegsdatum. Für die genaue Berechnung wird eine Formel zum Einsatz kommen. "Hier wird spitz abgerechnet", erklärte Habeck. Erstmals angewendet wird das Verfahren 2028, wenn das Kraftwerk Jänschwalde vom Netz gehen soll.
Entschädigung fließt in Zweckgesellschaften
Die Entschädigung von maximal 1,75 Mrd. Euro geht nicht direkt an die Leag beziehungsweise den Eigentümer EPH, sondern in Zweckgesellschaften der Länder Brandenburg und Sachsen, die die Renaturierung der Tagebaue finanzieren. Im Umkehrschluss muss der Versorger dort entsprechend weniger einzahlen, denn dazu verpflichtet ist er ohnehin. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) betonte, dem Unternehmen bliebe nun mehr Geld, um in seine Transformation zu investieren. Die Leag plant etwa den Bau von großen Wind- und Solarparks auf den ehemaligen Tagebauflächen.
Konsequenzen für den Zeitpunkt des Kohleausstieges haben die Entschädigungszahlungen nicht. Ein schnelleres Ende der Verstromung sorgt nicht für eine höhere Entschädigung. Einen neuen gesetzlichen Ausstiegsrahmen für den Osten werde es nicht geben, betonte zudem Minister Habeck. "Ich glaube aber, dass es früher gelingen kann als 2038." Er verwies auf erwartbar steigende CO2-Preise nach 2030, die die Kohleverstromung unwirtschaftlich machen könnten.
Vor Abschaltung braucht es neue Kraftwerke
Leag-Chef Kramer gab sich zurückhaltender. "Die Kraftwerke werden abgeschaltet, wenn wir eine Versorgungslösung auf anderer Basis haben", betonte er. Dazu gehören neben erneuerbaren Energien auch Back-up-Kraftwerke auf Gas- und später Wasserstoffbasis, die die Leag bauen will. Die Bundesregierung will diese mit der Kraftwerksstrategie fördern, allerdings hat die EU-Kommission hierfür ihre Freigabe noch nicht erteilt. Ob dies noch vor der Europawahl am 9. Juni passiert, ist weiter offen. Habeck konnte keinen neuen Stand verkünden, sondern erklärte, die Gespräche liefen weiter auf Hochtouren. /kw