Landwärme-Insolvenz treibt die Branche um
Essen (energate) - Die Insolvenz des Biomethanhändlers Landwärme versetzt die Energiewirtschaft in Alarmbereitschaft. Während der VKU - ähnlich wie bei BMP Greengas im vergangenen Jahr - hohe Schäden für Stadtwerke und kommunale Versorger befürchtet, sieht der Fachverband Biogas gleich die ganze Biomethanwirtschaft in Gefahr. "Die finanzielle Schieflage der Landwärme ist ein herber Schlag für die gesamte deutsche Biogasbranche", kommentierte Horst Seide, Präsident des Fachverbands Biogas. Gerade die Vorlieferanten, insbesondere von landwirtschaftlichen Anlagen, seien stark verunsichert.
100 Prozent abhängig von Landwärme
Von dieser Verunsicherung berichtete auch Henning Dicks, Geschäftsführer des Biomethan-Dienstleisters Agriportance, im Gespräch mit energate. "Die Lage ist vor allem bei neuen Anlagen und solchen, die gerade von Strom auf Biomethan umgestellt haben, dramatisch", berichtete Dicks. Zum einen, weil den Anlagenbetreibern ihre Erlöse komplett wegbrechen und sie gleichzeitig hohe Tilgungsraten leisten müssten. Zum anderen, weil die Betriebe oftmals zu 100 Prozent von der Landwärme als Abnehmer abhängig sind. "Wir haben diese einseitige Abhängigkeit schon seit Langem kritisch beobachtet", so Dicks weiter.
Biomethanmarkt ist ein Oligopol
Das liegt auch daran, dass der deutsche Biomethanmarkt ein sogenanntes Oligopol ist. Es gibt eigentlich nur zwei große Player. Neben Landwärme ist das BMP Greengas, die im vergangenen Jahr in Schieflage geraten war und mittlerweile in den VNG-Konzern integriert ist. "Danach kommt eigentlich sehr lange nichts", so der Agriportance-Geschäftsführer. Die beiden Unternehmen Weltec und Eon Biogas handeln zwar ebenfalls mit Biomethan, aber häufig mit eigenen Mengen. Dicks schätzt den Anteil der Landwärme auf rund knapp 40 Prozent in Deutschland.
Landwärme mit "aggressivem Einkaufsverhalten"
Dass der Händler mit Sitz in München seinen Anteil in den vergangenen Jahren so massiv ausgebaut hat, lag laut Dicks vor allem an der "aggressiven Einkaufsstrategie" des Unternehmens. So habe Landwärme den Produzenten häufig Verträge mit bis zu sieben Jahren Laufzeit angeboten, die deutlich über dem Marktpreis lagen. Inwieweit diese Verträge überhaupt abgesichert waren, also ob es auf der anderen Seite ausreichend Abnehmer für das Biomethan beziehungsweise die daraus resultierende THG-Quote gegeben hat und zu welchem Preis, sei eine "Blackbox".
Verfall bei THG-Quoten
Fest steht, Landwärme hat lange auf einen weiter steigenden Markt gesetzt. Seit geraumer Zeit ging der Preis für die Treibhausgasquoten aber in die andere Richtung. Das hat in der Folge zu Zahlungsschwierigkeiten beim Händler geführt. Im Mai habe es dahingehend die ersten Komplikationen gegeben, hieß es aus dem Markt. Auch seien Landwärme-Ansprechpartner plötzlich für Fragen von Lieferanten nicht mehr erreichbar gewesen. Am 13. August kam dann die offizielle Mitteilung zur Insolvenz in Eigenregie.
Untätigkeit des Bundes
Auslöser ist laut Landwärme allein die Marktentwicklung im THG-Handel. Seit Anfang 2023 waren die Preise für THG-Quoten von vormals bis zu 400 Euro/Tonne CO2 zwischenzeitlich unter die Marke von 120 Euro/Tonne gefallen. Grund ist ein Betrugsskandal rund um falsch deklarierten Biodiesel und gefälschte Zertifikate zu Upstream-Emissionsminderungen, der einen mutmaßlich milliardenschweren Schaden verursachte und mittlerweile aufgearbeitet wird. In den Augen von Landwärme-CEO Zoltan Elek kam das viel zu spät: "Dieses Verfahren wäre vermeidbar gewesen, hätten Politik und Behörden die mutmaßlichen Betrugsfälle bei Biodiesel und UER-Projekten konsequenter verfolgt und bekämpft", sagte er.
Auch der Fachverband Biogas beklagt an der Stelle die Untätigkeit des Bundesumweltministeriums. In der Summe hätten diese beiden Skandale das Marktgeschehen völlig zum Erliegen gebracht - mit offenkundig schwerwiegenden Folgen für alle "redlichen Marktteilnehmer". "Die Probleme wären vermeidbar gewesen, wenn der Gesetzgeber, allen voran das Bundesumweltministerium, sich beherzt der andauernden Marktmanipulation im Kraftstoffsektor entgegengestellt hätte", so Präsident Seide. Es sei nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung nahezu tatenlos dabei zusieht und sogar weiterhin unter Betrugsverdacht stehende Projekte auf die Quote anrechnen ließ.
Landwärme will Verträge anpassen
Zumal der Biomethanbranche weiteres Ungemach droht, denn ein Teil des laufenden Insolvenzverfahrens der Landwärme umfasst auch die Restrukturierung der Verträge mit den Kunden, diese sollen den gegenwärtigen Marktbedingungen angepasst oder aufgelöst werden. So sei es laut Agriportance-Geschäftsführer Dicks etwa denkbar, dass der Händler den Abnahmepreis für die Qualität mit dem Treibhausgas-Wert -100 Gramm CO2eq/MJ von ursprünglich etwa 30 bis 40 Cent/kWh auf das aktuelle Marktniveau von 12 bis 13 Cent kürzt. Das liege bei kleineren Anlagen deutlich unter den Produktionskosten. "Es könnte also am Ende sein, dass die Landwärme überlebt, die Biomethanlieferanten aber nicht", so Dicks.
Er rät Anlagenbetreibern, die sich vermehrt mit ihren Sorgen bei Agriportance melden, zu Nachverhandlungen mit Substratlieferanten und Banken über das Aussetzen von Tilgungsraten sowie dazu, kurzfristig Mengen abzusetzen. Dass dem Markt zunehmend Biomethan angedient werde, ließe sich bereits am Preis ablesen, sagt Dicks. Zeitversetzt werde das Thema dann auch bei den Stadtwerken und Energieversorgern ankommen, die Biomethan der Landwärme zum Beispiel in Blockheizkraftwerken oder CNG-Tankstellen nutzen. Dicks rechnet spätestens im Herbst mit einem "bösen Erwachen" auch für die Biomethanverwender. /ml