Keine richtige Erholung der THG-Quote in Sicht
Essen (energate) - Mit einer umfassenden Erholung der Preise für Treibhausgasminderungsquoten (THG) ist in naher Zukunft nicht zu rechnen. Dies war allgemeiner Tenor beim jüngsten energate-Webtalk zum Thema "Wie gelingt der Neustart bei der THG-Quote?" Das hat auch damit zu tun, dass die politische Aufarbeitung der Betrugsskandale rund um gefälschte Upstream Emission Reductions (UER)-Projekte weiter auf sich warten lässt.
Die Branche hatte auf zügige Vor-Ort-Kontrollen gehofft durch eine geplante kurzfristige Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Diese Änderung hatte es aber dann am 29. Januar doch nicht durch das Parlament geschafft. "Das ist wirklich misslich und ärgerlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich eigentlich alle Parteien einig waren, das umsetzen zu wollen", sagte Sandra Rostek, Sprecherin der Initiative "Klimabetrug Stoppen", beim Webtalk. Die Initiative mit rund 130 Mitgliedern setzt sich maßgeblich für die Aufarbeitung des Skandals ein.
Gesetz erreichte keine Mehrheit
Woran die Gesetzesänderung genau gescheitert ist, ist schwierig zu sagen. "Die Lage ist etwas unübersichtlich", so Rostek weiter. Aber das zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) fand wohl nicht das passende Gesetzgebungsverfahren aus dem Umweltbereich, an welches es die BImSchG-Änderung hätte andocken können. Beziehungsweise das Gesetz der Wahl erwies sich im Nachgang als strittig und erreichte im Bundestag eben keine Mehrheit. "Wir sind sehr unglücklich mit dem Vorgehen des BMUV, das aus meiner Sicht zu lax an die Sache herangeht", fand Rostek klare Worte. Sie sprach weiter von einer "taktischen Verschleppung und Behördenversagen" sowie dem Versuch des Ministeriums, Biokraftstoffe ganz aus dem Markt zu drängen. Die Beimischung von Biokraftstoffen ist eine Erfüllungsoption für die THQ-Quote, ebenso wie Elektromobilität oder Wasserstoff.
Fragwürdige Mengen weiter im deutschen Markt
Für Tim Kimpel, Geschäftsführer und Mitgründer des THG-Quotenanbieters Carbonify, war an der Stelle möglicherweise auch Parteipolitik im Spiel. "Offenbar ist man sich am Basar nicht einig geworden, wer welchen Zuspruch bekommt. Schade, dass so etwas Sinnvolles am Ende daran scheitert", so Kimpel. Denn für die Branche hat das große Auswirkungen. Mit dem Scheitern der Gesetzesänderung gelangen weiter THG-Quotenmengen aus fragwürdigen Projekten - vor allem aus China - auf den deutschen Markt. Zudem landet fragwürdiger Biodiesel im Hafen von Rotterdam in großen Mengen an. Diese Schwemme hatte in den vergangenen 2,5 Jahren den Preis für Treibhausgasminderung von über 400 Euro/Tonne auf rund 80 Euro sinken lassen. Davon hatten vor allem Mineralölkonzerne profitiert, die sich günstig eindecken konnten.
Große Schwemme 2027 erwartet
Zwar gab es bereits erste vorsichtige Versuche von politischer Seite, diesen Umstand einzudämmen, etwa über das Einfrieren eingelagerter THG-Quoten bis zum Ende des Jahres 2026. Das sollte - zumindest kurzfristig - wieder neue Nachfrage generieren. Dadurch hatte sich der Quotenpreis zuletzt zwar ein bisschen erholt und steht aktuell bei etwa 125 Euro/Tonne. Die Teilnehmer des Webtalks waren sich aber einig, dass dies nur ein Kratzen an der Oberfläche ist und nicht die Grundproblematik löst. "Eine Revitalisierung der THG-Quotenpreise wird sich auf diesem Weg nicht einstellen", sagte Dominik Trisl vom Plattformbetreiber Q-Bility, wo Käufer und Verkäufer zusammenfinden. Stattdessen verschiebe es das Problem in das Jahr 2027. "Wenn alles so bleibt und wir keine regulatorischen Veränderungen bekommen, wird es erhebliche Übermengen an angesparten Treibhausgasminderungsquoten geben", blickt Trisl voraus.
Auch Wasserstoffprojekte stehen unter Druck
Die rund 150 auf der Plattform von Q-Bility registrierten Unternehmen seien auch eher verhalten, was die Marktentwicklung für 2025 angeht, führte Trisl weiter aus. Sie rechneten mit Preisen zwischen 100 und 150 Euro. "Elektrolyseprojekte brauchen aber zum Beispiel mindestens 250 Euro/Tonne, damit es sich rechnet", so der Q-Bility-Vertreter. Erste Wasserstoffprojekte sind deswegen im Laufe des vergangenen Jahres schon gestorben, darunter etwa Westküste 100. Auch viele Biogasanlagen, die aus der EEG-Förderung fallen und in den Biokraftstoffen ein künftiges Geschäftsfeld ausgemacht hatten, stehen unter Druck. Bis 2026 könnte sich die Lage noch dramatisch zuspitzen und es weitere Insolvenzen geben, waren die Diskutanten überzeugt.
Verunsicherung in der Branche ist groß
Dass viele Marktteilnehmer vor diesem Hintergrund verunsichert sind, spürt auch Carbonify-Geschäftsführer Kimpel. Erschwerend hinzu kommt noch die unsichere politische Lage. "Wir sehen, dass es sehr viel Austauschbedarf gibt und die Beteiligten die komplexen Hintergründe der Preisentwicklung verstehen wollen." An der Stelle brauche es auch offene und ehrliche Kommunikation mit den Kunden, meint Kimpel. Nicht zuletzt, um den Imageschaden und Vertrauensverlust, den die Branche durch den Betrugsskandal genommen hat, aufzufangen. Dass dies grundsätzlich möglich ist und die THG-Quote wieder zu einem funktionierenden Instrument für den Klimaschutz im Verkehrssektor werden kann, da waren alle drei Teilnehmer optimistisch. Aber ohne die Unterstützung aus der Politik wird es eben nicht gehen. /ml
Den energate-Talk können Sie sich hier kostenlos ansehen.