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Kein Preisschock nach Aus des Ukraine-Transits

Berlin (energate) - Knapp drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs endet der Gastransit durch die Ukraine. Dies ist keine Überraschung nach dem Auslaufen des gültigen Vertrags zum 31. Dezember 2024. Die Gaspreise haben inzwischen um etwa drei Euro zugelegt und sind zwischenzeitlich über die 50-Euro-Marke geklettert. Ein Preissprung wie im Jahr 2022 blieb allerdings aus. Marktteilnehmer hatten dies bereits erwartet.

 

Vor dem Ende des Transitvertrages flossen zuletzt noch rund 42 Mio. Kubikmeter pro Tag durch die Ukraine, erläuterte Joachim Endress, Geschäftsführer des Marktanalyse-Unternehmens Ganexo, auf Anfrage. Per Pipeline exportiere Gazprom jetzt nur noch durch die Turk-Stream-Pipeline über die Türkei und Bulgarien Erdgas in die EU. Die Lieferungen liegen bei rund 40 Mio. Kubikmeter pro Tag und machen rund 5 Prozent der europäischen Gasimporte aus.

 

"Obwohl das Transitende weitgehend von allen Marktteilnehmern erwartet wurde, stiegen die Gaspreise am Dienstag mit über 50 Euro/MWh auf den höchsten Stand seit 14 Monaten. Ein generelles Aufwärtspotenzial sehen wir jedoch wegen des Transitstopps nicht", so Endress weiter. So sei der Day-Ahead an der niederländischen TTF am 2. Januar im Zuge einer technischen Korrektur wieder auf rund 49 Euro/MWh gefallen. "Österreich versorgt sich durch alternative Quellen und gut gefüllte Gasspeicher, die Versorgung ist laut der österreichischen E-Control gesichert und nicht gefährdet."

 

Deutschland musste bereits 2022 die russischen Gaslieferungen ersetzen, wird jetzt aber als Drehscheibe für Nachbarländer wie Österreich oder die Slowakei wichtiger als in der Vergangenheit. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist gewährleistet, wir sind unabhängig von russischem Gas", bekräftigte eine Sprecherin des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Es zeige sich noch einmal, wie richtig es war, sich von russischem Gas zu lösen.

 

Lieferstopp am 1. Januar

 

Nachdem die Ukraine eine Verlängerung des im Jahr 2019 geschlossenen Transitabkommens verweigert habe, fehle die technische und juristische Grundlage für weitere Gaslieferungen durch die Ukraine, teilte der russische Gaskonzern Gazprom mit. Die Lieferungen wurden daher am 1. Januar um 6 Uhr mitteleuropäischer Zeit eingestellt. Russland weist die Verantwortung für den Stopp der Lieferungen damit der angegriffenen Ukraine zu. Die will verhindern, dass Russland über die Einnahmen aus dem Gasverkauf weiter seine Kriegskasse füllt und appelliert an die Solidarität der EU-Staaten.

 

In der vergangenen Woche schlug Russlands Präsident Wladimir Putin vor, den Transit über Polen wieder zu öffnen, sollte das Transitabkommen mit der Ukraine nicht verlängert werden. Polen hat zum Jahreswechsel die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und als ein prioritäres Ziel ausgegeben, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden. Eine Renaissance der durch Polen verlaufenden Pipeline Jamal gilt von daher als unwahrscheinlich.

 

Der ukrainische Fernleitungsnetzbetreiber Gas TSO of Ukraine bestätigte am 1. Januar den Stopp des Gastransits über den russischen Entry-Punkt Sudscha. Die Infrastruktur sei vorbereitet und arbeite jetzt in einem Modus ohne russische Transite. Dafür habe der Netzbetreiber das Angebot an festen Kapazitäten erhöht, insbesondere für Importe aus Polen und auf dem Nord-Süd-Korridor.

 

Alternative Bezugsrouten denk- und bezahlbar

 

Mehrere Länder im Osten der EU könnten von ihrer Hauptversorgungsquelle abgeschnitten werden, räumte die BMWK-Sprecherin ein. Laut EU-Kommission sei eine Versorgung über andere Wege aber denkbar und auch bezahlbar. Deutschland sei vorbereitet, auch zur Unterstützung anderer europäischer Staaten. "Die Kapazitäten an den deutschen LNG-Terminals stehen Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung und werden auch genutzt", so die Sprecherin.

 

Die Anlagen seien kurz- und mittelfristig für die Resilienz der deutschen und europäischen Gasversorgung essenziell, da sie Versorgungsengpässe bei Nachfrage-Erhöhung vermeiden und eine Diversifikation der Energielieferungen ermöglichen. "Außerdem werden Reservekapazitäten geschaffen, um Versorgungsengpässe bei Einschränkungen oder Ausfall anderer Lieferrouten ausgleichen zu können." Auch bei Havarien oder größeren Ausfällen sei die Versorgung Ost- und Süddeutschlands sowie der angrenzenden Nachbarstaaten ohne eigenen Zugang zur Küste gesichert.

 

Aus Sicht des BMWKs gibt es verschiedene Möglichkeiten, um den Gastransit nach Mittel- und Osteuropa zu regeln. Neben den deutschen und europäischen LNG-Terminals spiele hier auch die Schwarzmeer-Pipeline Turk Stream eine Rolle. "Die betroffenen Staaten und Unternehmen haben sich alle auf die Situation vorbereitet, sodass die Versorgungssicherheit gewährleistet wird", so die Ministeriumssprecherin. Die europäischen Speicher, auch die deutschen, seien für die Jahreszeit gut gefüllt. Es sei auch nicht im deutschen und im EU-Interesse, dass Südeuropa russisches Gas bezieht, so die Sprecherin. "Das weltweite Angebot an LNG ist ausreichend."

 

Österreich erwartet keine Engpässe

 

In Österreich mussten Gaslieferanten der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control vorab eidesstattlich versichern, dass sie über die Börse und bilaterale Verträge aus nicht russischen Quellen ausgleichen können. Tatsächlich erwartet der österreichische Regulator auch weiterhin keine Versorgungsengpässe, weil die Speicherstände hoch seien und auf den Gasmärkten der Nachbarstaaten ausreichende Liquidität vorhanden. Auch der Marktgebietsmanager AGGM und das Energieministerium äußerten sich dahingehend. In den österreichischen Gasspeichern lagern derzeit 79 TWh, das entspricht einem Füllstand von 78 Prozent. Zum Vergleich: Der Jahresverbrauch des Landes liegt bei 76 TWh. Allerdings ist mit Beginn des Januars ein starker Anstieg der Importe aus Deutschland und Italien zu beobachten.

 

Der slowakische Fernleitungsnetzbetreiber Eustream bestätigte am 1. Januar, dass über den Grenzübergangspunkt Velke Kapusany kein russisches Gas mehr ankommt. Das Unternehmen sei bereit, den Gastransport sicherzustellen, um den Versorgungsbedarf auf dem gesamten Gebiet der Slowakei entsprechend den Kundennominierungen zu decken, betonte Eustream. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hatte im Vorfeld davor gewarnt, dem Land drohe eine Krise, weil es auf die russischen Gaslieferungen angewiesen sei. Die Slowakei verfügt über eine Sondergenehmigung der EU, trotz Sanktionen Gas aus Russland zu beziehen. Mit einem heftig kritisierten Überraschungsbesuch in Moskau kurz vor Weihnachten hatte sich Fico vergeblich für die Fortsetzung der russischen Lieferungen eingesetzt.

 

Die Slowakei und die Ukraine vereinbarten Ende Oktober eine Energiepartnerschaft, die der Slowakei Zugang zu ukrainischen Gasspeichern und Stromlieferungen in die Ukraine vorsieht. Fico hat nun nach dem Stopp der Gastransite gedroht, sein Land könne im Gegenzug die Lieferung von Strom stoppen. Im Rahmen der ukrainisch-slowakischen Energiepartnerschaft wurde die Hoffnung geäußert, dass Gas aus Aserbaidschan über die Ukraine in die Slowakei fließen könnte. Auch der Orlen-Konzern aus Polen hat sich angeboten, von Norden Gas nach Velke Kapusany zu liefern und Russland als Gaslieferant abzulösen. Nach aktuellen Flussdaten von Eustream erfolgt die Gasversorgung der Slowakei derzeit aber ausschließlich über heimische Speicher und den Importpunkt Velke Zlievce an der ungarischen Grenze.

 

"Moskaus größte Niederlage"

 

In den vergangenen zwei Kriegsjahren verdiente die Ukraine an den Transitgebühren und Russland durch den verbliebenen Gasabsatz in Europa. "Russland verliert Märkte, es wird unter den finanziellen Verlusten leiden", zitiert die Nachrichtenagentur DPA den ukrainischen Energieminister Herman Haluschtschenko nach dem Lieferstopp. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf dem Netzwerkdienst "X" von "Moskaus größter Niederlage". Als Wladimir Putin vor 25 Jahren die russische Präsidentschaft antrat, lagen die jährlichen Gastransite durch die Ukraine bei mehr als 130 Mrd. Kubikmeter. "Heute betragen sie null." Dies sei das Ergebnis einer Politik, die Energie als Waffe und Mittel der Erpressung eingesetzt habe.

 

Die meisten europäischen Länder hätten sich auf den Transitstopp eingestellt, betont auch der ukrainische Präsident. "Wir müssen die Hysterie mancher europäischer Politiker überwinden, die mafiöse Machenschaften mit Moskau einer transparenten Energiepolitik vorziehen", so Selenskyj. Zudem liege die Hoffnung auf zunehmenden Gaslieferungen der USA nach Europa, die der designierte Präsident Donald Trump bereits zugesagt habe. /tc /mt

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