Kartellrecht wirft bei Wasserstoffkooperationen Fragen auf
Düsseldorf (energate) - Für den Wasserstoffhochlauf finden sich derzeit unzählige Kooperationspartner zusammen. "Wir Kartellrechtler müssen hier häufig mahnen", berichtete Thilo-Maximilian Wienke, Partner der Kanzlei White & Case, bei einem Wasserstoffseminar in Düsseldorf. Vor allem unerfahrene Unternehmen müssten beachten, dass man sehr schnell in den Bereich der Fusionskontrolle gerate. Bei aller Umtriebigkeit und Aufbruchstimmung im Markt sollte darauf geachtet werden, was zu welchem Zeitpunkt kommuniziert wird.
Zwei Möglichkeiten haben Unternehmen grundsätzlich: Entweder sie regeln ihre Zusammenarbeit nur über ein Vertragswerk oder sie gründen ein Joint Venture. Im ersten Fall ist zu überlegen, ob die Zusammenarbeit dem Bundeskartellamt vorgestellt wird. Als Beispiel nannte Wienke das Projekt "GetH2", über das die Ferngasnetzbetreiber Nowega, Open Grid Europe und Thyssengas ein Wasserstoffnetz aufbauen wollen. Das Kartellamt hatte keine Bedenken und gab nur mit auf den Weg, dass der spätere Zugang zum Netz diskriminierungsfrei zu erfolgen habe.
Marktabgrenzung nach Wasserstofffarben
Bei der Fusionskontrolle stellt sich immer die Frage, wie groß oder klein die zuständige Behörde den Markt abgrenzt. Je kleiner der Markt, desto schwieriger wird es, nicht marktbeherrschend zu werden. Denkbar ist, dass nach der Farbe des Wasserstoffs abgegrenzt wird, nach räumlichen Kriterien (Europa, Deutschland oder nach spezifischen Netzgebieten) oder nach dem Einsatz des Wasserstoffs in den Sektoren Energie, Industrie und Verkehr. Viele Präzedenzfälle gibt es noch nicht. Im Jahr 2021 hatte die französische Kartellbehörde eine Übernahme im Bereich von Wasserstofftankstellen durchgewunken. Zwar sah sie bereits einen spezifischen Markt für die Nachfrage nach grünem Wasserstoff. Da die verfügbaren Mengen aber noch so gering waren, wurde nicht nach Farben unterschieden, erläuterte Wienke.
Erst im Dezember 2023 folgte der nächste wichtige Fall. Die EU-Kommission erlaubte das Joint Venture von Air Liquide und Total Energies namens "Teal Mobility" für den Aufbau eines gemeinsamen Wasserstofftankstellennetzes. In der Marktabfrage erhielt die Kommission unterschiedliche Rückmeldungen, weil die Präferenzen und Herstellungskosten der Wasserstofffarben inzwischen stark auseinandergehen. Letzten Endes entschieden sich die Wettbewerbshüter nur dafür, grauen Wasserstoff von dekarbonisiertem Wasserstoff abzugrenzen, nicht aber im zweiten Schritt blau und grün. "Das war erwartbar", ordnete der White-&-Case-Partner ein.
In seinen Augen ist es heute schwer zu beantworten, ob und wenn ja wann nochmals zwischen einem Markt für blauen und einem Markt für grünen Wasserstoff unterschieden wird. Damit würde die Aufsicht über die Zusammenarbeit von Unternehmen strenger. Ebenfalls keinen Unterschied machte die Kommission bei ihrer Analyse zwischen dem Tankstellenmarkt und den anderen beiden Sektoren Industrie und Energiewirtschaft.
Wasserstoffkernnetz als eigener Markt?
Bleibt noch die geografische Abgrenzung, die im Fall Total und Air Liquide durch die Belieferung nicht über Pipelines, sondern über LKW keine Rolle spielte. Dafür blickte Wienke noch weiter in die Vergangenheit zurück: auf Fälle, in denen Gasehersteller On-Site-Anlagen zur Produktion von grauem Wasserstoff aufstellen wollten. Bisher wurde eher großzügig, sprich europaweit ausgelegt, anders als im netzbezogenen Markt für Strom und Erdgas. Thomas Burmeister, ebenfalls Partner bei White & Case, hinterfragte in der anschließenden Diskussion, ob nicht in zehn Jahren, wenn nach der Umwidmung der Gasleitungen das Wasserstoffkernnetz steht, die netzbezogene Sicht auch im Wasserstoffmarkt Einzug halten könnte. "Im besten Fall ist das Netz dann so gut mit unseren Nachbarn verbunden, dass wir das nicht beantworten müssen", so Wienke. /mt