Kartellamt genehmigt Berliner Wärmeübernahme - und mahnt
Bonn (energate) - Das Land Berlin darf wie geplant das Fernwärmenetz von Vattenfall in der Hauptstadt übernehmen. Das Bundeskartellamt hat die Transaktionspläne nach kritischer Prüfung nun freigegeben. Die Übernahme lasse keine Verschlechterung der wettbewerblichen Bedingungen erwarten, teilte die Behörde dazu mit. Der Berliner Senat und der Energiekonzern Vattenfall hatten sich im Dezember auf den Kauf der Betreibergesellschaft Vattenfall Wärme Berlin AG verständigt. Das Land zahlt rund 1,6 Mrd. Euro für das 2.000 Kilometer lange Wärmenetz und die daran angeschlossenen Heizkraftwerke.
Mahnende Worte an die Branche
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, verband die fusionskontrollrechtliche Freigabe indes mit mahnenden Worten an die gesamte Fernwärmebranche. Denn im Zuge der angestrebten Wärmewende werde die Fernwärmeversorgung an Bedeutung gewinnen. "Für die Akzeptanz dieser Entwicklung ist es wichtig, dass der Versorger seine marktbeherrschende Stellung nicht missbraucht, unabhängig davon, ob das Fernwärmenetz in öffentlicher oder privater Hand steht", erklärte Mundt. Zugleich müssten auch für neue Anbieter faire Chancen bestehen, "bei einem etwaigen Neubau von Fernwärmenetzen zum Zuge zu kommen", sagte er.
Die Kartellbehörde ließ in ihren Ausführungen keinen Zweifel daran, dass sie Rekommunalisierungen wie in Berlin aus wettbewerblichen Gründen kritisch gegenüberstehe. So nahm sie die Freigabe der Berliner Netzübernahme auch zum Anlass, Kommunen an ein diskriminierungsfreies Vorgehen bei der Konzessionsvergabe zu erinnern. Eine "sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung der eigenen kommunalen oder landeseigenen Fernwärmeversorgung" sei bei der Vergabe von Wegerechten "kartellrechtlich unzulässig". Daran ändere auch das zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Wärmeplanungsgesetz nichts. Eine Vorfestlegung, welcher konkreter Versorger Fernwärmenetze errichten und betreiben soll, sei nicht Gegenstand der kommunalen Wärmeplanung, betonten die Bonner Wettbewerbshüter.
VKU sieht "funktionierende Kontrollmechanismen"
Der Stadtwerkeverband VKU fand lobende Worte für die Freigabe durch die Kartellbehörde. Die Übernahme der Fernwärmeversorgung durch das Land werde "der Wärmewende in der Hauptstadt einen Schub verleihen und die Akzeptanz für die leitungsgebundene Wärmeversorgung steigern", zeigte sich der Verband überzeugt. Mit Blick auf die Warnungen des Kartellamts vor missbräuchlicher Preisgestaltung erinnerte der VKU an die "klaren gesetzlichen Regeln" für die Preisbildung und die "funktionierenden Kontrollmechanismen". Zugleich verwies er auf die Transparenzplattform für Fernwärmepreise, die derzeit in Arbeit ist.
BGH hatte Wettbewerbsrecht gestärkt
Der fehlende Wettbewerb ist seit Langem Thema in der Fernwärmebranche und sowohl dem Kartellamt als auch Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 5. Dezember das Wettbewerbsrecht in der Fernwärme allerdings gestärkt. In dem Verfahren ging es um den Fernwärmestreit zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Energiekonzern EnBW. Der BGH schrieb in seinem Urteil dazu, die EnBW habe "keinen kartellrechtlichen Anspruch auf die erneute Einräumung der Wegenutzungsrechte zum Betrieb des Fernwärmenetzes", trotz umfangreicher Investitionen des Unternehmens in die Infrastruktur.
Bisher "Ewigkeitsrecht in der Fernwärme"
Mit anderen Worten: Die Stadt Stuttgart darf die entsprechende Konzession - analog zu Strom und Gas - neu ausschreiben und dann auch zeitlich befristet vergeben. Das ist ein Novum im Fernwärmemarkt, weil bislang solche Gestattungsverträge im Bereich der Fernwärme größtenteils fristlos gelten, also quasi mit einem Ewigkeitsrecht verbunden sind. Vor diesem Hintergrund könnte das BGH-Urteil "weitreichende Auswirkungen" auf die Vergabe von Fernwärmekonzessionen bundesweit haben, ordneten die Rechtsanwälte Christian von Hammerstein und Hans Heller der Anwaltskanzlei Raue damals gegenüber energate ein. "Der BGH hat damit den gordischen Knoten zerschlagen", schrieben die Juristen dazu in einem Gastkommentar.
Wärmebranche vor dem Umbruch
Die Fernwärmebranche sieht das durchaus kritisch, vor allem vor dem Hintergrund der Mammutaufgabe Wärmewende. "Das Urteil des BGH erweist dem dringend notwendigen Aus- und Umbau der Fernwärmesysteme einen Bärendienst", sagte Norman Fricke, Bereichsleiter Recht & Europa beim Branchenverband AGFW, dazu gegenüber energate. Die Fernwärmeversorger müssten in den nächsten Jahrzehnten Investitionen in großem Umfang tätigen und bräuchten dafür die Gewissheit, "dass sie die Früchte ihrer Arbeit eines Tages auch ernten dürfen", so Fricke. Der Ausbau der Fernwärme gilt als wichtiger Teil der Wärmewende und zur Erreichung der Klimaziele. So hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch 2023 das Ziel von 100.000 neuen Fernwärmeanschlüssen pro Jahr ausgegeben.
Es fehlt an Transparenz
Für den milliardenschweren Ausbau der Fernwärme braucht es die Akzeptanz der Verbrauchenden. "Die Menschen dürfen mehr Transparenz bei den Fernwärmepreisen erwarten", sagte vor diesem Hintergrund Minister Habeck bei einer Konferenz des Branchenverbandes AGFW im Februar. Die Branche räumt auch ein, dass es in Sachen Transparenz Aufholbedarf gibt und will mit einer zentralen Plattform für mehr Klarheit sorgen. Auf dieser sollen Anbieter ihre jeweiligen Preise für Standardabnehmer, aber auch Informationen zu den genutzten Wärmequellen, der Größe des Netzes oder den Preisanpassungszyklen veröffentlichen. Ziel ist es, die Preise in unterschiedlichen Fernwärmegebieten vergleichbarer zu machen.
Verbraucherschützer kritisieren intransparente Preise
Die Akzeptanz der Fernwärme hängt allerdings neben ihrer Nachvollziehbarkeit vor allem an der Höhe der Preise. Auch das Bundeskartellamt erinnerte nochmals daran, dass es als Kontrollinstanz in der Vergangenheit mehrfach bei der Prüfung von Fernwärmepreisen Missbrauch festgestellt und Preissenkungen durchgesetzt habe. Seit November läuft zudem ein Verfahren der Behörde gegen insgesamt sechs Fernwärmeanbieter wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen. Aber auch die Gerichte beschäftigen sich weiter mit den Fernwärmepreisen.Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte zuletzt gegen die Versorger Eon und Hansewerk Abhilfeklagen eingereicht.
Dabei wird das Thema Preisgestaltung weiter wichtig bleiben. Denn Marktteilnehmer gehen größtenteils davon aus, dass die grüne Wärme mit steigenden Preisen verbunden sein wird. "Wir dürfen nicht verschweigen, dass grüne Wärme teurer wird", sagte etwa Anna Jasper-Martens, CEO Eon Energy Infrastructure Solutions Germany (EIS), am Rande der Eon-Wärmekonferenz gegenüber energate. /rb/ml