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Kapazitätsauktionen zwischen Verzögerung und Komplexität

Berlin (energate) - Die Angst vor zu viel Komplexität und weiterer Verzögerung dominiert die Debatte um die Kraftwerksstrategie und den Kapazitätsmarkt. Dies wurde deutlich beim jüngsten energate-Digitaltalk. "Wir haben bisher keine Klarheit zu vielen entscheidenden Fragen", sagte beispielsweise Jörg Jasper, Leiter Energiewirtschaft beim Energiekonzern EnBW. Sinn der Kraftwerksstrategie sei gewesen, pragmatisch und schnell einen Kraftwerkszubau zu schaffen und eine Leistungslücke zu schließen. "Das hat man nicht geschafft", zeigte sich Jasper enttäuscht. Die Verzögerung sei das Hauptproblem. Noch immer wartet die Energiebranche auf eine Konkretisierung des geplanten Kraftwerkssicherheitsgesetzes. Viele technische Fragen sind ungeklärt.

 

Regionalsteuerung durch Ausschreibungen

 

Eine dieser Fragen betrifft die regionale Steuerung im Hinblick auf die Netzdienlichkeit der geplanten Back-up-Kraftwerke. Diese könne bei den Ausschreibungen einfach berücksichtigt werden, sagte Jasper. Das Bundeswirtschaftsministerium hat in den Eckpunkten zur Kraftwerksstrategie einen Bonus für Anlagen im Süden und Westen Deutschlands vorgeschlagen. "Das direkt in die Auktion zu integrieren, wäre unsere erste Präferenz", erklärte EnBW-Mann Jasper, der einen Kraftwerksbetreiber aus dem Süden Deutschlands vertritt. Weitere Vorschläge, wie der eines Neubauvorschusses stünden im Raum. Thorsten Kramer, Vorstandsvorsitzender des ostdeutschen Energiekonzerns Leag, sieht für einen Südbonus allerdings keine Notwendigkeit. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen sollte nicht an zu viel Stellrädchen gleichzeitig gedreht werden, gab er in der Diskussion zu bedenken.

 

Auch Jasper warnt vor zu viel Komplexität, dennoch brauche es eine regionale Komponente in der Auktion, insistierte er. Kramer schlug daraufhin zwei Ausschreibungen vor: eine für Süd- und Westdeutschland und eine für Nordostdeutschland. Damit sei eine regionale Steuerung gegeben. Dann müsse man nur noch über die Volumen nachdenken, die man ausschreiben wolle. "Aber das bekommt man schon hin", so Kramer.

 

Volumen und Flexibilitäten

 

Bezüglich des Volumens der Kraftwerksstrategie insgesamt sieht Kramer Nachbesserungsbedarf. "Allein die Leag schaltet 7 GW ab", warnte er vor drohenden Kapazitätslücken. Die im Juli vorgelegten Eckpunkte des Bundeswirtschaftsministeriums sehen den Aufbau von Gas- und Wasserstoffkraftwerken mit einer Gesamtleistung von 12,5 GW vor. Im Gegensatz zu den Kraftwerksbetreibern stufte Patrick Jochem, Abteilungsleiter Energiesystemanalyse am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Volumen als tendenziell realistisch ein. Die "Big-Five-Energieszenarien" kämen zu ähnlichen Größenordnungen. Es sei richtig, erst einmal mit dem unteren Limit anzufangen, so Jochem. Ausschreibungen ließen sich schlecht wieder zurücknehmen. Nach oben nachbessern, wäre einfacher.

 

"Entscheidend sind auch die angenommenen Flexibilitäten im Markt", sagte Jochem. "Wir wissen eben nicht, wie viel Prozent der künftigen Wärmepumpenbetreiber beziehungsweise auch Elektromobilitätsnutzerinnen Flexibilität anbieten werden", sagte er. Potenziell gehe es da um Gigawatt. Auch Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), betonte die Rolle der Flexibilitäten im System. Es brauche eine Flexibilitätsstrategie, die gemeinsam mit der Kraftwerksstrategie betrachtet werden solle. Biogasanlagen sollten darin eine Rolle spielen. Zudem gebe es bei den Speichern einen schnellen Zuwachs. Peter verwies darüber hinaus auf die Geothermie, die sowohl Strom als auch Wärme liefern könne.

 

Kapazitätsmarkt: hybrid oder zentral?

 

Die Bedeutung vielfältiger Flexibilitätstechnologien betont der BEE auch in seiner Stellungnahme zum Optionenpapier des Bundeswirtschaftsministeriums. Im Gegensatz zu den Kraftwerksbetreibern und dem Energieverband BDEW, die einen zentralen Kapazitätsmarkt bevorzugen, plädiert der BEE für eine Kombination aus dezentralem Kapazitätsmarkt mit zentralen Ausschreibungen als eine weiterzuentwickelnde Möglichkeit. Für ein Hybridmodell hatten sich auch das Wirtschaftsministerium und der Stadtwerkeverband VKU ausgesprochen.

 

EnBW-Manager Jasper warnt jedoch wie Leag-Chef Kramer auch beim Kapazitätsmarkt vor zu viel Komplexität. Dem Verbraucher könne man nur zumuten, Systemkosten für ein effizientes System zu refinanzieren, argumentierte Jasper. Wenn aber ein komplexer Kapazitätsmechanismus aufgesetzt werde, sei die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass das System effizient werde. Unabhängig davon, ob der Mechanismus zentral oder dezentral ausgerichtet werde, sieht Jasper den Staat und nicht etwa den Markt in der zentralen Rolle bei der Ausgestaltung. "Ein Kapazitätsmarkt ist ein staatliches Designerstückchen", sagte er. /kij/ck

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