Habeck hofft auf punktuelle Zusammenarbeit mit der Union
Berlin (energate) - Am Tag nach dem Ampel-Aus stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klar, dass es keine Haushaltssperre und keine Förderstopps geben werde, beispielsweise beim EEG. Gesetzliche Ansprüche würden bedient, Förderprogramme würden weiter ausgeführt. Sogar weitere Verpflichtungsermächtigungen innerhalb der bereitgestellten Budgets seien möglich. Neue Förderprogramme bräuchten jedoch einen Beschluss des Haushaltsausschusses oder des Bundestages, somit bestehe hier eine Limitierung.
"Wir sind keine geschäftsführende Regierung, wir sind im Amt. Das Kabinett wird weiter Gesetze auf den Weg bringen", sagte Habeck zudem. So gibt es noch zahlreiche energiepolitische Vorhaben der Regierung, deren Umsetzung nun unklar ist - beispielsweise das Kraftwerkssicherheitsgesetz. Bei Energiesicherheitsfragen sieht Habeck generell die Möglichkeit einer Einigung mit der Union. Das Kraftwerkssicherheitsgesetz sei weit fortgeschritten. Politiker auch aus unionsgeführten Ländern würden darauf warten. Das Gesetz sieht ab 2025 die Ausschreibung von rund 12 Gigawatt Kraftwerksleistungen vor, die Ausschreibungen sollen Anfang des Jahres beginnen.
"Ich erwarte nicht, dass die demokratische Opposition der verbleibenden Regierung in den letzten Monaten groß helfen wird. Ob es gelingt, punktuell mit der Union zu Einigungen zu kommen, bleibt abzuwarten - beispielsweise bei der Sicherheitslage in Europa und Deutschland", sagte Habeck. Er könne nicht sehen, dass es hier unterschiedliche parteipolitische Interessen gebe. Am Vortag hatte das Bundeskabinett beispielsweise das sogenannte Kritis-Dachgesetz verabschiedet. Es soll die kritische Infrastruktur in Deutschland besser schützen, vor allem auch im Energiesektor.
Scholz bot Deckelung der Netzentgelte an
Zu den weiteren energiepolitischen Gesetzesvorhaben sagte Habeck nichts. Offen sind beispielsweise noch die Novelle des Energiewirtschaftsrechts (EnWG) mit Neuregelungen zum Messstellenbetriebsgesetz und dem Smart-Meter-Rollout sowie die von der Energiebranche geforderte Verlängerung des KWK-Gesetzes über 2026 hinaus. Hinzu kommen beispielsweise das sogenannte CCS-Gesetz, das am Vortag im Energieausschuss beraten wurde, die Biomasseverordnung oder die Neufassung der Fernwärmeverordnung. Bei letzterem reicht gegebenenfalls die Zustimmung des Bundesrates.
Ein weiterer offener Punkt, bei dem es eine Zusammenarbeit mit der Union geben könnte, ist die Entlastung bei Strompreisen durch Senkung der Netzentgelte. Diese hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober in Aussicht gestellt. Auch die CDU/CSU-Fraktion drängt in ihrer am 5. November in Berlin vorgestellten Energie-Agenda auf eine Senkung der Strompreise und der Netzentgelte. Scholz kündigte an, trotz des Bruchs der Koalition noch 2024 die Strompreise senken zu wollen. Bis Jahresende wolle er Sofortmaßnahmen durchsetzen und die Netzentgelte für Unternehmen deckeln.
Das Thema Strompreise und Deckelung der Netzentgelte ist auch Thema in einer "Agenda für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze", die Scholz den Koalitionspartnern vorgelegt hatte und die energate vorliegt. Enthalten sind jedoch wenig Vorschläge aus dem "Wirtschaftswende-Papier" von Finanzminister Christian Lindner (FDP), das von SPD und Grünen als Provokation gewertet worden war. Es enthielt Forderungen wie den Aufschub der deutschen Klimaziele oder die Streichung der gerade angelaufenen Klimaschutzverträge, die als zentrales Förderprogramm für die Transformation der Industrie gelten.
Schuldenbremse als Knackpunkt
Zum Koalitionsbruch geführt hat aber wohl auch der Vorschlag von Scholz, die Schuldenbremse teilweise auszusetzen und angesichts des fortschreitenden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine eine Notlage zu erklären, um das haushaltsrechtliche Instrument des Überschreitungsbeschlusses zu ermöglichen. Lindner sagte, dies würde seinen Amtseid verletzen. SPD und Grüne erwarten, dass auch wegen des Wahlsieges von Donald Trump in den USA eine verstärkte Unterstützung der Ukraine notwendig sein wird.
Der Bruch sei dennoch vermeidbar gewesen, betonte Wirtschaftsminister Habeck. "Verschiedene Optionen zur Schließung der Haushaltslücke lagen auf dem Tisch - auch ohne Überschreitungsbeschluss", sagte er. Habeck war dem Bundesfinanzminister in der Haushaltsfrage entgegengekommen, indem er die freigewordenen Intel-Milliarden dem Haushalt zur Verfügung stellen wollte. Diese Subventionen hätten eigentlich in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen sollen. Hierbei geht es um 10 Mrd. Euro zur Deckung der rund 20 Mrd. Euro großen Haushaltslücke. Auch für die restlichen 10 Mrd. Euro hätten die Grünen Vorschläge gemacht, ist aus dem Umfeld der Partei zu hören. Somit hätte auch ein Haushalt ohne Notlage und Aussetzung der Schuldenbremse aufgestellt werden können.
Neuwahlen im März 2025 oder früher
Abzuwarten bleibt, wie sich die Union positioniert und ob punktuelle Zusammenarbeit in energiepolitischen Fragen mit der Rest-Regierung möglich ist. "Es wird nun zu beraten sein, welche Vorhaben mit den geänderten Bündnisverhältnissen mehrheitsfähig sein werden", sagte Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit energate. Der Umstieg auf erneuerbare Energien bedürfe zahlreicher systemischer Transformationsschritte, die in den geplanten Gesetzen angelegt seien. "Deren Ausgestaltung muss dann aber auch eben diese Transformationsziele, etwa im Strommarkt, unter Einbindung von Speichern, erreichen lassen", sagte sie.
Während Kanzler Scholz die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen will, was Neuwahlen im März 2025 bedeuten würde, drängt CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf sofortige Neuwahlen. Dies verlangt auch die FDP. Der Noch-Kanzler solle jetzt den Weg für schnellstmögliche Neuwahlen freimachen, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Diese Entscheidung liege beim Kanzler, betonte hingegen Wirtschaftsminister Habeck. /ck