Habeck gibt Startschuss für Klimaschutzverträge
Berlin (energate) - Mit einiger Verzögerung hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das erste Verfahren zur Vergabe der Klimaschutzverträge für die Industrie gestartet. Das milliardenschwere Programm soll das schaffen, was der EU-Emissionshandel bisher nicht geschafft hat: eine Umstellung der CO2-intensiven Industrie anstoßen. Mit dem ausgelobten Fördergeld will die Bundesregierung die Investitionsrisiken für die Unternehmen senken. Dafür nimmt sie viel Geld in die Hand: Insgesamt stehen für das laufende Jahr 23 Mrd. Euro für zwei Gebotsrunden bereit.
Minister Habeck sprach in Berlin von einem guten Tag für die Industrie. Im Vergleich zu bisherigen Förderprogrammen wie IPCEI seien die Klimaschutzverträge deutlich schneller und bürokratieärmer. Letztendlich will Habeck auch dem vielgepriesenen Inflation Reduction Act (IRA) in den USA etwas entgegensetzen und den Standort stärken. "Wir brauchen energieintensive Industrie in Deutschland", betonte er. Im Blick hat er etwa die Papier-, Glas- oder Chemieindustrie.
CO2-Vermeidungspreis entscheidend
Für Vereinfachung sorgen soll vor allem das Auktionsmodell, denn es erspart eine aufwendige Prüfung einzelner Förderanträge. Unternehmen berechnen dabei vereinfacht gesagt die Mehrkosten der Investitionen in klimafreundliche Technologien im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Die Differenz ist die staatliche Förderung, mit der sie als Preis pro Tonne in die Auktion gehen. Dieser Preis wird durch variable Faktoren wie die Kosten für Strom, CO2 und Wasserstoff erweitert. Eine Grundlage ist dabei etwa der von energate veröffentlichte Hydex des Beratungsunternehmens E-Bridge Consulting. Den Zuschlag sollen Vorhaben mit dem günstigsten und besten Gebot haben, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Die Fördersumme wird dabei nicht auf einen Schlag, sondern über 15 Jahre ausgezahlt. So lange laufen die Verträge. Sollte sich die grüne Produktion schneller rechnen als erwartet, etwa wegen steigender CO2- oder sinkender Wasserstoffpreise, müssen die Unternehmen Mehreinnahmen zurückzahlen. Allerdings trägt der Staat im umgekehrten Fall auch das Risiko, sollten sich die Preise ungünstig entwickeln.
Zweite Ausschreibung im Herbst
Interessierte Industrieunternehmen haben nun vier Monate Zeit, für die erste Runde mit einem Fördervolumen von vier Mrd. Euro Gebote abzugeben. Über diese soll dann innerhalb von zwei Monaten entschieden werden. Im Herbst wird es nach dem Willen des Ministeriums eine deutlich größere, zweite Ausschreiberunde mit einem Volumen von 19 Mrd. Euro geben. Das Vergabeverfahren betreut der Projektträger Jülich für die Bundesregierung. Die maximale Fördersumme pro Projekt liegt zunächst bei einer Mrd. Euro. Teilnehmen können Unternehmen, deren fossile Referenzanlagen mindestens 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen.
Neues Förderprogramm für den Mittelstand
Wirtschaftsminister Habeck rechnet mit großem Interesse. An einem Vorverfahren im Jahr 2023 haben sich seiner Aussage nach fast 100 Unternehmen beteiligt. Von mittelständischen Unternehmen hatte es zuletzt Kritik gegeben, dass die Klimaschutzverträge sich zu sehr auf die Großindustrie konzentrieren würden. Habeck betonte dagegen, das Verfahren sei mittelstandsfreundlich, etwa weil sich Unternehmen zu Konsortien zusammenschließen können. Er räumte aber ein, dass der Fokus auf großen energieintensiven Unternehmen liege. Für kleinere Betriebe soll demnächst eine neue "Bundesförderung Industrie und Klimaschutz" starten.
Die EU-Kommission hat die Klimaschutzverträge bereits beihilferechtlich genehmigt. Unternehmen, die einen Zuschlag erhalten, können also direkt mit den Vorhaben starten. Vorgesehen ist eine Realisierungsfrist von drei Jahren.
Industrie lobt, Greenpeace mahnt
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte den Start der Klimaschutzverträge. "Umfangreiche staatliche Unterstützung ist nötig, wenn die politisch gewünschte Transformation hin zur Klimaneutralität in kurzer Zeit gelingen soll", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Kritisch sieht er, dass die geplante Gesamtförderung für das Programm, laut Habeck ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag, noch nicht abgesichert ist. Damit die Unternehmen planen können, müsse es Verpflichtungsermächtigungen für die folgenden Jahre geben, so der BDI. Lob für die Klimaschutzverträge kommt auch vom Elektroverband ZVEI, insbesondere, weil diese sowohl Investitions- wie auch Betriebskosten adressierten.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht die Verträge zwar als Mittel, um die Industrie zu modernisieren. Kritisch sieht Greenpeace aber, dass Vorhaben eine Förderung erhalten können, die auf blauen Wasserstoff oder CCS setzen. /kw