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Geothermie als zweite Chance für alte Gasbohrungen

Hannover (energate) - Ausgeförderte Öl- und Gasbohrungen könnten bei der Gewinnung von Erdwärme künftig eine wichtige Rolle spielen. Bislang findet eine solche thermische Nachnutzung in Deutschland allerdings kaum statt. Das könnte sich aber bald ändern. Mit Wintershall Dea hat nun ein erstes Unternehmen für ein solches Vorhaben in Niedersachsen die Erlaubnis erhalten.Dies teilte das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) mit. Eine Nachnutzung der fossilen Bohrlöcher hat gleich mehrere Vorteile. Existierende Bohrungen sparen nicht nur Kosten, sondern verschaffen auch bessere Informationen über den Untergrund. "Das macht nicht genutzte Bohrungen grundsätzlich wertvoll", ordnete Ludwig Möhring, Geschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), im Gespräch mit energate ein.

 

Thermische Nachnutzung an traditionellem Gasförderstandort

 

Wintershall Dea hatte im Januar dieses Jahres den Antrag auf Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdwärme für das Feld "Barnstorf" gestellt. Jetzt hat das Unternehmen dafür grünes Licht vom LBEG erhalten. Die Erlaubnis ist zunächst auf zwei Jahre befristet. Das Feld im niedersächsischen Landkreis Diepholz, einem traditionellen Öl- und Gasförderstandort von Wintershall Dea, ist knapp 30 Quadratkilometer groß. "Wintershall Dea konzentriert sich auf die Förderung von Gas und Öl, bleibt aber gleichzeitig technologieoffen", kommentierte ein Sprecher die Pläne des Unternehmens auf energate-Nachfrage. Aktuell analysiere Wintershall Dea deswegen weitere potenzielle Projekte zur thermischen Nachnutzung stillgelegter Gasbohrungen.

 

Abverkauf bei Wintershall Dea

 

Der Vorstoß des Unternehmens in Richtung Geothermie überrascht zum jetzigen Zeitpunkt. So läuft bei Wintershall Dea gerade ein großer Abverkauf. Erst im April hatte das Bundeswirtschaftsministerium den Verkauf weiterer Teile an die britische Harbour Energy ohne Auflagen durchgewunken. Parallel dazu ist der derzeit staatlich kontrollierte Gashändler Sefe (ehemals Gazprom Germania) im Begriff, Alleineigner der Gasnetzbetreiber Gascade und NEL zu werden. Seit März besteht eine entsprechende Vereinbarung zwischen Wintershall Dea und Sefe, die diese beiden Unternehmen bislang als Joint Ventures führten. Wie das Geothermie-Vorhaben insgesamt in diese Transaktionen passt, dazu wollte der Sprecher gegenüber energate nichts sagen.

 

Gesamte Branche steht vor dem Umbruch

 

Fest steht aber, Wintershall Dea ist sicher nicht das einzige Explorationsunternehmen, das vor dem Umbruch steht. Die Transformation betrifft die Branche als Ganzes. Auch Neptune Energy hatte kürzlich erst verkündet, seine Aktivitäten im Bereich von Erdwärme und Lithium ausbauen zu wollen. Deswegen geht BVEG-Geschäftsführer Möhring auch davon aus, dass weitere Projekte folgen werden. "Was wir sehen, ist, dass der Bohrlochbergbau in Deutschland mit Blick auf die Transformation neu zu denken und einzuordnen ist", so Möhring. Die Öl- und Gasförderunternehmen in Deutschland schauten sich derzeit die Untertage-Potenziale sehr genau an. Das war auch Tenor bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts des Verbands im April.

 

Hohes Potenzial gerade in Niedersachsen

 

Das LBEG will diesen Prozess als zuständige Bergbehörde für Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein laut eigenen Aussagen eng begleiten. Insbesondere in Niedersachsen gelten die Potenziale zur Erdwärmenutzung als hoch, denn allein im norddeutschen Becken seien Tausende von Tiefbohrungen zur Förderung von Kohlenwasserstoffen niedergebracht worden. "Wir unterstützen es ausdrücklich, dieses Potenzial für die Gewinnung von regenerativen Energien zu nutzen", sagte LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier. Auch der Bund hatte 2022 das große Potenzial Niedersachsens für die thermische Nachnutzung alter Bohrlöcher erkannt und ein Papier mit dem Titel "Bericht der Bundesregierung zur geothermischen Anschlussnutzung von Bohrlöchern" veröffentlicht.

 

Hürden bestehen weiterhin

 

Darin benennt der Bund auch bestehende Hürden, die auch knapp zwei Jahre später noch nicht aus dem Weg geräumt sind. Es geht dabei vor allem um die Haftung. "Falls nicht die Förderunternehmen, sondern dritte Tiefengeothermie-Unternehmen die Bohrungen übernehmen und weiternutzen wollen, stellen sich durchaus schwierige Haftungsfragen bezogen auf die Bohrung", sagte BVEG-Chef Möhring zu energate. Diese Erfahrung hat auch das Nachbarland Österreich schon gemacht. Dort wären sogar mehrere Hundert Kohlenwasserstoffbohrungen der OMV zur Wärmegewinnung möglich. Probleme bei der Haftung stoppten neue Projekte aber, bevor sie überhaupt angefangen haben. Hier sieht Möhring in erster Linie den Gesetzgeber in der Pflicht. Für das Bergrecht zuständig ist federführend das Bundeswirtschaftsministerium, das die Rahmenbedingungen für die Gewinnung heimischer Rohstoffe setzt. /ml

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