Zum InhaltZum Cookiehinweis

RSS Feed

Gasag will Berlin zum Teil des H2-Kernnetzes machen

Berlin (energate) - Die NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg aus der Gasag-Gruppe bringt zwei Berliner Leitungsprojekte in den Antrag für das Wasserstoff-Kernnetz ein. Damit ist die NBB einer der wenigen Verteilnetzbetreiber, die am Wasserstoff-Kernnetz beteiligt sind. Der Gasag-Vorstandsvorsitzende Georg Friedrichs erläutert im Gespräch mit energate die Gründe dafür.

 

energate: Herr Friedrichs, warum beteiligt sich die NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg am Wasserstoff-Kernnetz?

 

Friedrichs: Wir werden auch in Zukunft in unserem Energiesystem Moleküle sehen. Und zwar dauerhafter und vermutlich mehr, als viele heute glauben. Die kommunalen Wärmepläne haben einen guten Nebeneffekt: Sie machen die Leistungsfähigkeit des elektrischen Systems sichtbar. Dazu eine Zahl aus Berlin. Die Kapazität des Stromnetzes beträgt aktuell 2,1 GW, die mögliche Spitzenleistung in den bestehenden Wärmenetzen ca. 4,5 GW und im Gasnetz 12 GW. An kalten Januartagen wird im Berliner Wärmesektor auch tatsächlich eine kombinierte Leistung von ca. 14 GW abgerufen.

 

Dieser Leistungsbedarf wird vermutlich in der Zukunft etwas kleiner, aber dennoch übersteigt er auch künftig die Ausbauszenarien des elektrischen Systems. Und die Leistung darf in Zukunft nicht mehr auf fossiler Basis erzeugt werden, wir benötigen grüne Energie, die auch im Winter zur Verfügung steht. Das lässt sich mit speicherbaren, "grün" erzeugten Molekülen meistern. Und ich kenne schlicht keine bessere Option als grünen Wasserstoff für diese Speicher- und Importaufgabe.

 

energate: Und die Moleküle werden auch im Wärmemarkt eingesetzt?

 

Friedrichs: Ja, aber nicht mehr so direkt, wie wir es heute kennen, sondern indirekt über den Strom, der dann den Grundstoff eines einheitlichen Energiesystems bildet. Aber immer dann, wenn wir viel Energie benötigen, also vor allem im Winter, werden wir auf gespeicherte Energie zurückgreifen müssen. Wir setzen gerade stark auf PV und Batterien, die als saisonale Speicher nicht taugen. Vereinfacht gesagt: Im Winter wird der Strom knapp, dann werden wir im Sommer erzeugten oder importierten Wasserstoff in Kraftwerken verbrennen und dabei hoffentlich nicht nur den entstehenden Strom, sondern auch die Wärme nutzen. Das macht schon heute jede KWK-Anlage, jedes Blockheizkraftwerk.

 

Die Anlagen werden künftig natürlich deutlich weniger Stunden laufen als heute, denn die direkte Nutzung von erneuerbarer Energie wird viel häufiger möglich sein als heute. Aber Wasserstoff hilft schlicht bei zwei Punkten, die wir sonst nur mit enormem Kapazitätsausbau lösen könnten: Das ist zum einen die Verlagerung von grünem Strom in den Winter. Und eine zweite unangenehme Wahrheit: Deutschland wird allem erneuerbaren Ehrgeiz zum Trotz Energie-Importland bleiben. Das geht innerhalb Europas mit Wasserstoff billiger und einfacher als mit Elektronen in Kabeln.

 

energate: Das heißt, Sie wollen mit den beiden Wasserstoffleitungen die Berliner Kraftwerke anschließen?

 

Friedrichs: Mit den Leitungen des Berliner Wasserstoff-Startnetzes können die großen Heizkraftwerke der BEW Energie und Wärme angeschlossen werden. Auch hier reden wir natürlich nicht über einen schlichten Ersatz von Erdgas und Kohle durch Wasserstoff, aber in der Spitzenlast wird Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Auch in der kommunalen Wärmeplanung kann Wasserstoff dann verlässlich eingeplant werden, deshalb war uns das Timing wichtig.

 

energate: Gibt es denn konkret ein Anschlussbegehren der Kraftwerke?

 

Friedrichs: Der Wasserstoffbedarf der Kraftwerke ist in die Marktabfrage der Bundesnetzagentur eingeflossen und ist auch in den Dekarbonisierungsfahrplänen beziffert. Die Zukunft bleibt die Zukunft, von Änderungen dürfen wir ausgehen - aber eine Leistungsabdeckung im Winter ohne Moleküle sehe ich nicht.

 

energate: Wenn es kein Förderregime für KWK-Anlagen gibt, wird Wasserstoff ein teurer Energieträger.

 

Friedrichs: Was teuer ist, bestimmt sich im Vergleich zu den Alternativen. Und ohne Wasserstoff als verlässlich verfügbarem Brennstoff würden wir in kalten Wintern zeitweise extrem hohe Strompreise sehen, die dann auf die Energiepreise durchschlagen. Und gerade Wärmeanwendungen kann man im Winter nicht abregeln. In der Spitzenlast kann sich Wasserstoff noch als ziemlich preiswerte Lösung zeigen, zumindest relativ betrachtet.

 

Und noch einmal: Auch zu den Kosten von Stromimporten machen wir uns aktuell nicht ehrlich. Dem Traum von der erneuerbaren Selbstversorgung sollten wir uns als Industrieland nicht verschreiben. Ich verstehe, dass die Industrie für Wasserstoff-Anwendungen von Anfang an wettbewerbsfähige Preise benötigt, das macht die Hochlaufphase schwierig. Aber für die erforderliche Absicherung des künftigen Energiesystems geht die Wasserstoffgleichung auf.

 

energate: Bis wann will NBB die Wasserstoffleitung in Betrieb nehmen?

 

Friedrichs: Das hängt von der Geschwindigkeit des Wasserstoffmarkthochlaufs und der Dekarbonisierungsumsetzung der Kollegen von der Fernwärme ab. Frühestens im Jahr 2030.

 

energate: Sie stellen Leitungen um oder baut NBB neue Leitungen?

 

Friedrichs: 54 Kilometer stellen wir um. Die technische Machbarkeit haben wir geklärt und prüfen lassen. Sechs Kilometer bauen wir neu.

 

energate: Warum können Leitungen umgestellt werden?

 

Friedrichs: Das sehr eng vermaschte Netz in Berlin erlaubt es, zwei Leitungen herauszunehmen, ohne dass die Gaslieferung an einer anderen Stelle beeinträchtigt würde. Das ist natürlich eine hervorragende Situation.

 

energate: Wie hoch sind die Investitionen?

 

Friedrichs: Die Zahl nennen wir nicht öffentlich.

 

energate: Aber mit dem Finanzierungsmodell für das Kernnetz können Sie offensichtlich leben. Oder hoffen Sie noch auf Verbesserungen?

 

Friedrichs: Die Kosten für die Umwidmung sind bei uns durchgeplant. Und es gibt keine Vorbehalte für die Umsetzung. Für uns funktioniert das halbwegs, denn wir reden nur über 60 Kilometer. Aber das Finanzierungsmodell ist gerade für die Träger der großen Vorhaben alles andere als perfekt. Schade eigentlich, denn das H2-Kernnetz ist aus meiner Sicht eine großartige strategische Leistung von Bundesregierung und Bundesnetzagentur. Über das Finanzierungsmodell wurde über Wochen diskutiert. Das schafft weder Motivation noch hilft es dabei, das dringend benötigte Kapital in die Mammutaufgabe Energiewende zu lenken.

 

Das vollständige Interview mit Georg Friedrichs können Sie in der nächsten Ausgabe des energate-Gasmarkts lesen.

Zurück

Privatsphäre-Einstellungen