Finanzsituation der Städte gefährdet Wärmewende
Berlin (energate) - Der Deutsche Städtetag schlägt Alarm. In diesem Jahr werde fast keine Stadt in Deutschland mehr einen echten ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Dies gefährdet auch die kommunale Wärmewende, wie Vertreter des Deutschen Städtetages in Berlin betonten. "Wie diese massiven Investitionen finanziert werden sollen, ist kaum geklärt und bleibt an uns hängen", sagte Burkhard Jung, Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Leipzig. Für die großen Investitionen, beispielsweise für die Wärmewende und den Netzausbau, fehle die Perspektive, sagte auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster.
Der finanzielle Druck sei insbesondere auf Bereiche stark, die keine Pflichtleistungen seien, ergänzte Städtetag-Vizepräsidentin Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn. Dies betreffe auch Themen wie Klimaschutz und Klimaanpassung. Bei Investitionen in diesen Bereich dürfe aber auf Dauer nicht als Erstes eingespart werden, weil es kein Pflichtbereich sei, so ihr Appell an eine kommende Bundesregierung.
Milliardeninvestitionen stehen an
Die Stadt Bonn sei gerade mit der kommunalen Wärmeplanung fertig, ein Jahr vor der gesetzlichen Verpflichtung, sagte Dörner. Das Investitionsvolumen, das sich daraus ergebe, spiele sich im Milliardenbereich ab. Dafür brauche es privates Kapital und Unterstützung. "Für die Stadt Leipzig sind es etwa sechs Mrd. in zehn Jahren, um die Fernwärme und die non-fossile Versorgung zu ermöglichen", ergänzte Jung. Dazu komme noch einmal die gleiche Summe, um die Stadt dann wieder schön zu machen.
Auch Münster sei kurz vor Fertigstellung der Wärmeplanung, sagte Oberbürgermeister Lewe. Und auch hier würden Investitionssummen im Milliardenbereich benötigt. Es gebe Pläne, beispielsweise im Bereich der Geothermie, aber hinter diesen Plänen stehe auch eine Zahl, so Lewe. Und auch bei der Transformationsaufgabe Verkehrswende stünden die Städte vor massiven Investitionen, so Jung. "Und jetzt sorgt die prekäre Finanzlage der Kommunen dafür, dass Städte sogar Bus- und Bahnlinien streichen, statt neue zu schaffen." Statt einer Verkehrswende drohe eine Rolle rückwärts. Das gefährde die Zukunftsfähigkeit des Landes.
Immer weniger ausgeglichene Haushalte
Die Blitzumfrage des Deutschen Städtetages unter 100 Großstädten zeigt, dass in diesem Jahr voraussichtlich nur noch sechs Prozent der Städte einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, ohne auf Rücklagen zurückgreifen zu müssen. Im vergangenen Jahr waren dies noch 21 Prozent. Der Anteil der Städte, bei denen selbst mithilfe von Rücklagen kein ausgeglichener Haushalt mehr möglich ist, steigt von 27 auf 37 Prozent. "Das hat viele strukturelle Gründe, ist aber kein selbstverschuldetes Problem der Städte. Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon", so Lewe. Außerdem würden Bund und Länder den Kommunen immer mehr Aufgaben zuweisen, die nicht ausfinanziert seien. Zusammen mit der anhaltenden Wachstumsschwäche führe das zu einer völligen Überlastung der kommunalen Haushalte.
VKU: "Das ist ein Alarmsignal"
"Das ist ein Alarmsignal", sagte auch Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbandes VKU, gegenüber energate. Energie- und Wärmewende würden wackeln, wenn es dafür keine finanzielle Basis in den Städten gebe. Um bis 2045 klimaneutral zu sein, müssten Stadtwerke das Vier- bis Fünffache ihres bisherigen Investitionsvolumens für den Ausbau der Erneuerbaren, Kraftwerke und KWK-Anlagen sowie Netze mobilisieren.
Finanzstarke Städte würden bislang ihren Stadtwerken mit Bürgschaften, Garantien und Zuschüssen helfen. Sollte dies künftig nicht mehr möglich sein, würden Investitionen in die Energie- und Wärmewende erschwert. Weniger Gewinnausschüttung der Stadtwerke an die kommunalen Haushalte würde die Finanzlage ebenfalls verschärfen. Liebing fordert die neue Bundesregierung daher auf, ihren Beitrag für ein stabiles finanzielles Fundament der Kommunen zu leisten.
"Schuldenbremse auf den Prüfstand"
Und auch Lewe betonte, die neue Bundesregierung werde dafür Sorge tragen müssen, dass die Kommunalfinanzen nicht komplett zusammenbrechen. Dafür fordern die Städte unter anderem einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer. Auch dürfe es von Bund und Ländern keine steuerpolitischen Entscheidungen geben, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führen würden. Und nicht zuletzt müsse die Schuldenbremse auf den Prüfstand: Wenn die Schuldenbremse Zukunftsinvestitionen verhindere, müsse sie reformiert werden, fordert der Deutsche Städtetag.
Es gehe auch um die Zukunft der Demokratie, betonte Lewe. Vor Ort würden die Menschen den Staat konkret erleben. "Wenn sie ihn dort nur noch als Mangelverwalter und nicht mehr als Gestalter und Problemlöser wahrnehmen, leidet das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Demokratie", so der Städtetag-Präsident. /ck