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Fernwärmeanbieter dürfen Preisgleitklauseln einseitig anpassen

Hamburg (energate) - Fernwärmeanbieter dürfen ihre Preisgleitklauseln einseitig anpassen, wenn es um Änderungen beim eingesetzten Brennstoff geht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg mit seinem jüngsten Urteil entschieden. Das Urteil beendet - zumindest vorerst - einen seit knapp zehn Jahren laufenden Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg und dem Fernwärmeunternehmen Hansewerk. "Bei dem Urteil handelt es sich um Nachwehen aus einem Rechtsproblem, das Mitte der 2010er Jahre entstanden ist", ordnete Norman Fricke, Bereichsleiter Recht & Europa beim Branchenverband AGFW, gegenüber energate ein.

 

LG Hamburg hatte noch anders entschieden

 

Der Versorger Hansewerk hatte damals seine Kunden schriftlich per Brief über die geänderten Vertragsbedingungen informiert. Das war den Verbraucherschützern gegen den Strich gegangen, sie hatten erst abgemahnt und waren dann gegen dieses in der Branche übliche Prozedere gerichtlich vorgegangen. In erster Instanz hatte sich das Landgericht Hamburg 2019 noch auf die Seite der Verbraucher gestellt. Zur Begründung hieß es damals, die Anschreiben erweckten unrechtmäßig den Eindruck, dass die geänderte Klausel auch ohne Zustimmung der angeschriebenen Kunden wirksam sei.

 

Das OLG als nächsthöhere Instanz kam in seinem Urteil (AZ 3 U 192/19, 312 O 577/15) nun zu einem anderen Ergebnis und hob damit die Entscheidung des Landgerichts auf. "Wir begrüßen dieses Urteil, weil es nach vielen Jahren Klarheit schafft und hilft, die Wärmewende voranzubringen", betonte Gerta Gerdes, Geschäftsführerin von Hansewerk Natur. Das Urteil sei dahingehend für die gesamte Branche wichtig und eine gute Nachricht. Eine Stellungnahme der Verbraucherzentrale lag bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor.

 

Transformation der Wärme muss sich in Preisklauseln widerspiegeln

 

Hintergrund ist, dass im Rahmen der angestrebten Energiewende die Unternehmen ihre Wärmeerzeugung dekarbonisieren müssen, mit einem am Ende ganz anders zusammengesetzten Brennstoffmix. Das führt zwangsläufig zu umfangreichen Änderungen in den Preisgleitklauseln, die über Indices auch die Kosten der eingesetzten Brennstoffe widerspiegeln müssen. Dürften Fernwärmeanbieter diese Klauseln nicht einseitig anpassen und müssten sich vorab eine Zustimmung jedes Kunden holen, könnten einzelne den gesamten Transformationsprozess verhindern oder zumindest verlangsamen. Die Unternehmen dürften quasi keine anderen Wärmequellen einbinden, wenn nicht jeder angeschlossene Kunde dieser Maßnahme vorher zugestimmt hat. Die aktuelle Rechtslage verunsichere die Fernwärmeanbieter, erklärte eine Branchenteilnehmerin gegenüber energate. Sie berichtete von Fällen, wo Anbieter gerne Industrieabwärme integrieren wollten, davor allerdings zurückschreckten, um nicht das Fass der Preisänderungsklauseln aufmachen zu müssen.

 

OLG-Entscheidung steht in einer Linie mit BGH

 

Die Problematik hatte auch der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ähnlichen Verfahren schon erkannt und im Jahr 2022 die Rechte von Fernwärmeanbietern gestärkt. In dem Fall ging es allerdings allein um die öffentliche Bekanntmachung, etwa in der Zeitung oder auf der Homepage. Hansewerk hatte im Gegensatz dazu zusätzlich ein Informationsschreiben an seine Kundinnen und Kunden mit der neuen Preisstruktur verschickt. "Das Urteil des OLG Hamburg fügt sich konsequent an die Erwägungen des BGH an. Es überzeugt und ist daher zu begrüßen", so AGFW-Vertreter Fricke weiter. Laut ihm zeige der langwierige Prozess im Verfahren um die Preisgleitklauseln vor dem OLG Hamburg aber ein grundsätzliches Problem auf, das sich in Zukunft noch verstärken wird. "Die Anpassung der Preisänderungsklauseln sind sehr streitträchtig", so Fricke. Deswegen sei es dringend geboten, dass der Gesetzgeber den zugrundeliegenden Rechtsrahmen, die AVB Fernwärmeverordnung, überarbeitet.

 

AVBFernwärmeV muss modernisiert werden

 

Auch das Hansewerk fordert eine Anpassung der AVBFernwärmeV, um eine Welle von weiteren Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Dazu gehören Aspekte wie ein flexibles Kostenelement, eine unkomplizierte Einführung neuer Preisformeln bei Dekarbonisierungsmaßnahmen sowie ein konkretisiertes Marktelement. Aber auch ein Aussetzen desselben, wenn - wie zuletzt als Folge des russischen Angriffskrieg - ein Marktversagen vorliegt. Auch während der Krise hatten sich die Preisgleitklauseln an vielen Stellen als Problem erwiesen. Etwa, weil Anbieter kurzfristig keinen Fuelswitch weg vom teuren Erdgas umsetzen konnten, ohne die Klauseln anzufassen.

 

Die AVB Fernwärmeverordnung stammt aus den 1980er Jahren, Branchenexperten weisen seit Langem darauf hin, dass sie überarbeitungswürdig ist und nicht mehr dem Stand der Zeit entspricht. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet daran bereits, zumindest gibt es seit Sommer 2022 einen Referentenentwurf. Wie es damit weiter geht, darauf wartet die Brache gespannt. "Fernwärmeversorger sind aufgrund der notwendigen Transformation ihrer Netze mit einem hohen Investitionsbedarf konfrontiert. Ein sicherer Planungshorizont ist deshalb zentral", erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. /ml

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