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"Es muss nicht immer ein dickeres Kabel sein"

Freiburg (energate) - Ein gemeinsames Projekt haben die Freiburger Badenova und der Plattformanbieter Mondas schon umgesetzt. So haben die Partner die Wärmeversorgung für das Stadion des Fußballbundesligisten SC Freiburg neu aufgesetzt. Nun sollen viele weitere Folgen. Denn der Versorger ist kürzlich bei dem Start-up eingestiegen. Welche Pläne die Badenova gemeinsam mit den IT-Spezialisten hat und welche Rolle Daten bei der Energiewende spielen, darüber sprach energate mit Vorstand Hans-Martin Hellebrand.

 

energate: Herr Hellebrand, was steckt hinter dem Unternehmen Mondas?

 

Hellebrand: Mondas ist eine Ausgründung aus dem Fraunhofer ISE hier aus Freiburg. Das Team besteht aus rund 20 IT- und Softwareexperten, die sich von Anfang an mit der Frage beschäftigt haben, wie eine gute Plattform für Daten aus der Energiewirtschaft aussieht. Mittlerweile hat sich Mondas zu einer echten Datendrehscheibe für die Energie- und Wärmewende weiterentwickelt. Dabei stehen vor allem Sensordaten, also operative Daten, im Fokus.

 

energate: Wofür lässt sich die Plattform nutzen?

 

Hellebrand: Die Plattform hilft uns, unsere Energiewendeprojekte effizienter umzusetzen und zu betreiben. Denn die Plattform visualisiert und analysiert ein großes Datenspektrum und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab, etwa für eine effiziente Anlagensteuerung. Dafür gibt es unendlich viele Use-Cases, die Steuerung einer Energieheizzentrale ist dabei ein einfaches Beispiel.

 

energate: Warum ist das wichtig?

 

Hellebrand: Erstens ist es wichtig, diese Daten überhaupt erst einmal zusammenzukriegen und zu analysieren. Das ist noch ein großer Hebel in der Energiebranche, den wir meiner Meinung nach noch nicht ausreichend nutzen. Denn im Moment beantworten wir die gestiegene Nachfrage und Volatilität oftmals noch mit "mehr Kupfer", also zum Beispiel verstärkten Netzen und größeren Heizzentralen. Aber es muss nicht immer ein dickeres Kabel sein. Bei der Energieeffizienz sind die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft. Da rede ich nicht zwingend von KI, sondern zunächst von einfachen Daten- und Regressionsanalysen - also Daten anschauen und verstehen. Mondas liefert da ein Produkt, das diese intelligente Aussteuerung ermöglicht - von der einfachen Analyse bis zum komplexen Algorithmus.

 

energate: Wäre es für die Badenova auch eine Option gewesen, selbst so eine Plattform zu entwickeln?

 

Hellebrand: Wir wussten zwar, dass wir ein solches Tool und den Zugriff auf die Daten brauchen. Aber es war auch schnell klar, dass wir nicht selbst eine IoT-Plattform bauen können. Dafür haben wir schlicht das Know-how nicht im Haus und bei null anzufangen, wäre nicht der effizienteste Weg gewesen. Aber wir müssen ja das Rad auch nicht neu erfinden. Also haben wir uns im Markt umgeschaut und nach Partnern gesucht. Das machen wir übrigens auch in anderen Bereichen so, siehe Epilot oder TMZ. Das ist ein wichtiges Konzept unserer Zukunftsvision: Transformation und Skalierung mit Partnern. Denn da draußen gibt es meist Unternehmen, die haben sich schon über Jahre aus einer anderen Perspektive mit verschiedenen Themen und Herausforderungen gekümmert. Mondas ist da das beste Beispiel.

 

energate: Gibt es denn schon gemeinsame Projekte von Badenova und Mondas?

 

Hellebrand: Wir sind mit der Mondas in verschiedenen Vorhaben unterwegs, eines unserer Vorzeigeprojekte war aber die neue Wärmeversorgung für das SC-Stadion hier in Freiburg vor rund zwei Jahren. Über industrielle Abwärme, einem nahegelegenen Wärmenetz und der PV-Anlage auf dem Stadiondach versorgen wir das gesamte Stadion klimaneutral. Hier haben wir auch das erste Mal den Mehrwert der Plattform gesehen, was uns überzeugt hat, verstärkt Daten zur intelligenten Aussteuerung von Energiesystemen zu nutzen.

 

energate: Wie sah das konkret aus?

 

Hellebrand: Die Plattform steuert insbesondere die Wärmeversorgung. Das SC-Stadion ist dabei einer der zentralen Abnehmer in diesem gewerblichen Wärmenetz, es sind aber auch noch die Messehallen und weitere größere Gebäude mit angeschlossen. Das Zusammenspiel all dieser Aktoren im Wärmenetz steuert die Plattform. Das kann dann so aussehen, dass wir zum Beispiel das Temperaturniveau der Rasenheizung im Stadion je nach verfügbarer Wärme anpassen oder die Gebäude schon nachts vorheizen. Dann müssen wir tagsüber die Wärme nicht mehr aus dem gasbasierten Wärmenetz holen. So erreichen wir die über Optimierung der Energieströme die zeitliche und räumliche Flexibilität in der Nutzung - darum muss es zukünftig gehen.

 

energate: Gibt es weitere gemeinsame Vorhaben?

 

Hellebrand: Wir arbeiten bereits an drei größeren Projekten aus dem Bereich Wärme und Quartierskonzepten. Da geht es im Endeffekt darum, unsere verteilten Heizzentralen und Wärmenetze über Daten optimal auszusteuern. Wir möchten hiermit die PS aus der kommunalen Wärmeplanung effektiv auf die Straße bringen. Ein anderes Anwendungsbeispiel ist das Optimieren unserer Solarparks.

 

energate: Gibt es bestimmte Voraussetzungen, um die Plattform nutzen zu können?

 

Hellebrand: Eigentlich nicht, das ist ja das Schöne. Man kann schnell starten, etwa mit einer einzelnen Heizzentrale, denn da liegen zumeist die Produktionsdaten vor. Dann lässt sich die Messtechnik immer feiner aufbauen und sukzessive mehr Daten in die Plattform holen, um damit die Algorithmen und Optimierung immer kleinteiliger und präziser werden zu lassen. Es muss also nicht immer das Großprojekt mit drei Jahren Vorlauf sein. Lieber einfach mal klein anfangen und sich ein Thema mutig erschließen. Man bekommt dann recht schnell eine Vorstellung, wie sich dieser Nukleus weiter skalieren lässt - zum Beispiel von Quartieren auf Straßenzüge, auf Stadtteile und schlussendlich die ganze Kommune.

 

energate: Was bedeutet schnell, können Sie das genauer sagen?

 

Hellebrand: Zum Teil reden wir hier wirklich über Tage, ein gutes Beispiel ist der Solarpark von 125 MW in Bundorf gemeinsam mit Maxsolar. Hier ging es darum, die PV-Stromnutzung zur Wärmeerzeugung über Wärmepumpen und das Zusammenspiel der verschiedenen Erzeuger in der Heizzentrale zu optimieren. Der Grundstock an Daten war innerhalb von Tagen da, nach wenigen Wochen waren schon echte Effekte messbar.

 

energate: Mal von der Schnelligkeit abgesehen, welche Vorteile hat die Mondas-Plattform noch?

 

Hellebrand: Sie ist zum einen generisch, wie es in der Softwaresprache immer so schön heißt. Das bedeutet, dass sie sich auf alle möglichen Datenquellen aufsatteln lässt - da ist es egal, von welchem Hersteller ein BHKW, die Wärmepumpe der Heizzentrale oder eine PV-Freiflächenanlage stammt. Die Plattform ist aber vor allem praxiserprobt und die Mondas-Mitarbeitenden bringen viel Energie-Know-how und Verständnis für das Energiesystem mit.

 

energate: Wie soll sich die Plattform denn weiterentwickeln, auch mit dem Badenova-Kapital?

 

Hellebrand: In den nächsten zwei Jahren wird bei Mondas der Fokus auf der Skalierung und Markterschließung der bereits praxiserprobten Lösungen liegen. Diesen Prozess möchten wir aktiv begleiten und unterstützen. Dabei freuen wir uns, mit dem FTTF einen erfahrenen und starken Mitinvestor an unserer Seite zu haben. Wir als Badenova verstehen uns dabei ganz bewusst auch als strategischer Partner, nicht nur als Finanzpartner.

 

energate: Was bedeutet das konkret?

 

Hellebrand: Da heißt, wir wollen auch ein Stück weit auf die Roadmap des Unternehmens Einfluss nehmen. Ziel ist es, die Lösungen, die sich bei uns bewährt haben, auch anderen Versorgern anzubieten. Denn wir sehen, dass viele Stadtwerke bundesweit mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, aber vielleicht nicht die Größe haben, eine solche Lösung selbst umzusetzen. Wir wollen die Plattform also nicht hüten, wie Gollum seinen Schatz, sondern ganz im Gegenteil eine Art Full-Service-Provider werden mit einer schlüsselfertigen Lösung für die optimierte Anlagensteuerung. Die Nachfrage nach solchen Tools nimmt jedenfalls merklich zu.

 

energate: Vermutlich auch vor dem Hintergrund einer immer kleinteiligeren Wärmeversorgung?

 

Hellebrand: Genau, im Zuge der Dekarbonisierung und Energiewende werden Wärmenetze komplexer und die Versorger müssen viele verschiedene Aktoren stärker miteinander vernetzen. Da sind zum Beispiel Wärmepumpenlastgänge zu berücksichtigen, aber auch industrielle Abwärme bringt einige Schwierigkeiten mit sich, denn die Erzeugung basiert auf Produktionsprozessen, die sie als Energieunternehmen nicht steuern können. Aber auch die weiter fortschreitende Sektorkopplung macht eine solche intelligente Steuerung notwendig.

 

Vor diesem Hintergrund hat Mondas auch eine strategische Kooperation mit der Providata, unsere Tochtergesellschaft für Prozess- und IoT-Dienstleistungen, abgeschlossen. Aus dieser Partnerschaft entstand die erste gemeinsame Lösung zur Optimierung von Wärmenetzen und Heizzentralen, "HeatWatch Connect". Und diese ist bereits erfolgreich bei der Thüga Energie in Salem im Einsatz. Um diese Zusammenarbeit weiter zu stärken, wird zudem Andreas Pfaff in die Geschäftsführung der Mondas eintreten. Er hat für uns den gesamten M&A-Prozess begleitet und kennt das Unternehmen sowie das Geschäftsmodell der Mondas bereits hervorragend.

 

energate: Was sind denn die nächsten wichtigen Schritte für die Weiterentwicklung der Plattform?

 

Hellebrand: Wir arbeiten daran, noch mehr Aspekte der Energie- und Wärmewende aufzunehmen und die Plattform dahingehend reifen zu lassen. Auch die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz ist ein Thema, insofern als dass die Plattform eben nicht mehr nur Vorschläge für die Optimierung macht, sondern idealerweise die Anlagen direkt ansteuert bis hin zur kompletten Automatisierung.

 

energate: Herr Hellebrand, vielen Dank für das Gespräch!

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