Energiewende-Finanzierung: Staat oder Markt?
Berlin (energate) - Mehr Markt oder mehr Förderung - wie sollte die Energiewende finanziert werden? Das war Thema eines Fachgesprächs der Strombörse EEX in deren Repräsentanz in Berlin. Das Gerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF), das zu einer Haushaltskrise der Bundesregierung und schließlich auch zu deren Bruch führte, war ein bestimmendes Thema des Abends. Das Problem durch den KTF sei substanziell, erklärte Barbara Praetorius. Sie ist Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Es brauche jedoch die Transformation des Energiesystems, um Krisen wie dem Klimawandel zu begegnen. Dafür seien große finanzielle Mittel nötig, unabhängig davon, welche Regierung als nächstes gewählt werde. Um private Investitionen in die Energiewende anzureizen, plädierte Praetorius für einen staatlichen Rahmen, der das Geld teilweise absichert - sogenanntes De-Risking. Was es hingegen nicht brauche, sei eine rein staatliche Finanzierung der Energiewende.
Gerichtsurteil schärft Fokus
EEX-Chef Peter Reitz resümierte, das KTF-Urteil habe den Fokus auf wichtige Maßnahmen nötig gemacht. Seiner Meinung brauche es nur in drei Bereichen staatliche Unterstützung: Märkte, in denen es Monopole und somit keinen Wettbewerb gibt, wie bei den Stromnetzen. Märkte, in denen eine freie Preisbildung noch nicht funktioniert und die eine Anschubförderung brauchen, etwa die Wasserstoffwirtschaft. Zudem brauche es eine staatliche Unterstützung bei der Akzeptanz, beispielsweise um gravierende negative Einflüsse abzufedern, so Reitz.
Die Förderung der erneuerbaren Energien hat sich über die Jahre weiterentwickelt, führte Reitz aus, von der festen Einspeisevergütung hin zu den derzeitigen Ausschreibungen. Dem Ausbau habe das nicht geschadet. Jetzt sei es an der Zeit für die nächste Stufe. Die Erneuerbarenanlagen sollten nicht mehr über 20 Jahre gefördert werden. Stattdessen brauche es einen Investitionskostenzuschuss zu Beginn des Projekts.
Scheer gegen Investitionskostenzuschüsse
Vor dieser Art der Förderung warnte Nina Scheer, Energieexpertin der SPD-Bundestagsfraktion. Jede Änderung der Förderung sei unverantwortlich, wenn bislang keine Erfahrungen mit dem neuen System gesammelt wurden. Zudem hätte der Umstieg auf das Auktionssystem sehr wohl den Ausbau abgebremst. Dadurch seien viele Jahre verloren gegangen. "Wir können uns keinen weiteren Fadenriss leisten", erklärte Scheer. Die Ampelkoalition habe einige der Fehlentscheidungen der Vorgängerregierung - etwa den Solardeckel - rückgängig gemacht, jetzt komme der Ausbau wieder in Schwung.
Die Politikerin warnte auch davor, den CO2-Preis als alleinige Lösung zu präsentieren, wie es derzeit die Union mache. "Wie soll der Erneuerbarenausbau über den CO2-Preis funktionieren?", fragte Scheer. Die Forderungen der Union etwa nach Fusionsreaktoren würden sie um die Zukunft der Erneuerbaren fürchten lassen. Sie plädierte dafür, am EEG festzuhalten. Das Instrument werde als planwirtschaftlich verschrien, dabei sei es eine Kombination aus staatlichen Garantien und marktwirtschaftlichen Instrumenten.
Bedenken gegen reine Steuerung durch CO2-Preis
Auch Barbara Praetorius äußerte Bedenken, den Markt dem CO2-Preis zu überlassen. Bei kapitalintensiven Investitionen in der Industrie gebe es aufgrund der politischen Rahmenbedingungen Unsicherheit. Diese müsse rausgenommen und die Investitionen staatlich abgesichert werden. Der CO2-Preis allein reiche dafür nicht aus. Es sei ein industriepolitisches Risiko, nur daraufzusetzen. Praetorius bezeichnete dagegen das Instrument der Klimaverträge als sinnvoll.
Nicolaus Heinen, Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium, erklärte bei der Runde, der öffentliche Zuspruch für die erneuerbaren Energien zeige, dass sie sich unabhängig von der politischen Debatte durchsetzen. Die Menschen würden erkennen, dass das System funktioniert. Nina Scheer hielt dagegen, der Vorrang für erneuerbare Energien müsse Realität werden, andernfalls würden sie sich nicht durchsetzen. Das derzeitige Regelwerk sei nicht auf die Überlegenheit der Erneuerbaren ausgelegt.
Die Menschen müssten beim Systemumbau mitgenommen werden, sagte Heinen. Die Befürworter müssten sachliche Diskussionen mit Gegnern der Energiewende führen. Praetorius forderte mehr Ehrlichkeit in den Diskussionen, vieles sei zu populistisch und es gebe eine große Verunsicherung in der Öffentlichkeit. Auch mit Blick auf die Kosten brauche es mehr Ehrlichkeit. Sie warnte davor, dass die Ausgaben für Folgeschäden des Klimawandels deutlich höher seien als die für die Transformation.
Diskussionen über mögliche Kraftwerksstrategie
Mit Blick auf die Kraftwerksstrategie und einen geplanten Kapazitätsmarkt erklärte die Professorin, es sei sinnvoll, die Versorgungssicherheit staatlich abzusichern, auch im europäischen Verbund. Fraglich sei jedoch, wie viel Kapazität jedes Land am Ende selbst absichern muss. Für diese Reservekraftwerke brauche es einen staatlichen Mechanismus.
Peter Reitz von der EEX unterstützte die Forderung nach einem Absicherungsmechanismus. Dieser müsse jedoch nicht zwingend eine Kraftwerksstrategie sein, es könne auch über marktliche Mechanismen funktionieren. Stromlieferanten könnten etwa dazu verpflichtet werden, ihre Lieferungen einzuhalten. Dazu brauche es nicht unbedingt den Staat. Die Preisentwicklungen an der Börse würden zudem Anreize schaffen, in Speicher zu investieren. /mh