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Ende des Ukraine-Transits - keine Panik im Gasmarkt

Essen (energate) - Das in gut drei Wochen bevorstehende Ende der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine löst keine Krisenstimmung im europäischen Gasmarkt aus. "Wir gehen davon aus, dass am 1. Januar 2025 ab 6 Uhr morgens alles gut funktionieren wird", sagte Markus Krug vom österreichischen Regulierer E-Control im energate-Talk "Gaskrise: Sind wir über den Berg?". Die benachbarte Alpenrepublik, die auch zwei Jahre nach Beginn des Ukrainekriegs noch große Gasmengen über die Transitroute erhält, sieht sich gut aufgestellt, sollten die Importe komplett ausbleiben. Alternativen sind vor allem Importe aus Deutschland und Italien.

 

Versorgungssicherheitskonzepte der österreichischen Gaslieferanten liegen inzwischen auf dem Schreibtisch der E-Control. "Alle sind vorbereitet und haben uns eidesstattlich versichert, dass sie über die Börse und bilaterale Verträge aus nicht-russischen Quellen ausgleichen können", führte der stellvertretende Gasabteilungsleiter des Regulierers aus. Aus seiner Sicht ist auch denkbar, dass die Erdgaspreise keine Reaktion zeigen werden, weil Händler das Risiko schon lange eingepreist haben. Die vollen Gasspeicher, die in Österreich für das Anderthalbfache des Winterverbrauchs reichen, schließen laut Krug Probleme bei der physischen Versorgung mit Gas aus.

 

Händler sehen Risikoentscheidung beim Kunden

 

Ganz so entspannt wollten es zwei Handelsexperten im energate-Talk nicht sehen, sollten die nach wie vor 15 bis 16 Mrd. Kubikmeter Gas durch die Ukraine für Österreich und andere Länder ausbleiben. "Wir haben aus einem konservativen Ansatz heraus dem einen oder anderen Kunden geraten, seine Positionen zu überdenken und Vorsorge zu treffen", berichtete Jörg Selbach-Röntgen, Chief Strategy & Business Development Officer der Schweizer MET Group. Dietrich Hoffmann, Head of Gas Origination bei RWE Supply & Trading, empfahl, die nächsten zwei Wochen abzuwarten. Dann seien die Preise in Kenntnis der Temperaturen und damit der erforderlichen Gaslast für die erste Januarhälfte besser abzuschätzen. Letztlich sei es die Entscheidung jedes Marktteilnehmers, ob er sich eher "long" stellen wolle und in dem Fall beispielsweise nur 10 Euro verliert, wenn die Preise heruntergehen. Alternativ gibt es die Möglichkeit, risikobereit wenig Gas einzukaufen, also "short" zu bleiben, um dann aber vielleicht bei 80 Euro nachkaufen zu müssen.

 

Barbara Lempp, COO beim Händlerverband Energy Traders Europe, betonte, dass auch auf der Höhe der Gaskrise im Jahr 2022 - als die Preise zeitweise dreistellig waren - der Markt zu jeder Zeit funktioniert habe. Zu keinem Zeitpunkt habe es einen Versorgungsabriss gegeben. "Das, was bei hohen Preisen abgebildet wird, ist aber nicht immer das, was die Politik gerne sehen will", kritisierte sie. Die Verbandsvertreterin sieht die Zeit gekommen, den Gashandel aus dem Krisenmodus zu entlassen. Die EU sollte Preis-Caps am Handelspunkt TTF aufgeben, die ohnehin nicht geholfen hätten, so Lempp. Auch die Pflicht zur Befüllung der Gasspeicher zu einzelnen Stichtagen gehöre auf den Prüfstand.

 

Gaskrise: Fast über den Berg

 

Nach Auffassung der Diskutanten hat der Gasmarkt die Krise zum großen Teil gemeistert und ist somit fast über den Berg. Zwar hat sich der Preis in den vergangenen Wochen Richtung 50 Euro/MWh wieder etwas verteuert. Aber an der Faktenlage zur Gasversorgung habe sich nichts geändert, ordnete RWE-Handelsexperte Hoffmann ein. Die ausbleibenden russischen Gasmengen in Höhe von etwa 100 TWh ersetzt Deutschland und der Rest von Europa durch Pipelineimporte unter anderem aus Norwegen und über LNG-Tankerladungen, die "zum Zünglein an der Waage" geworden seien. Globale Einflussfaktoren wie beispielsweise eine Kältewelle in China wirkten sich auf europäische Gaspreise aus, erläuterte Hoffmann.

 

Langfristige LNG-Kontrakte gut fürs Portfolio

 

Selbach-Röntgen dämpfte zugleich die Hoffnungen, dass die Gaspreise ab 2026/27 ins Bodenlose fallen, sollten die USA unter Präsident Donald Trump deutlich mehr LNG Richtung Europa transportieren. Der Gaskontrakt 2026 wird aktuell 9 Euro günstiger gehandelt als 2025. Für die Jahre 2028 und 2029 werden derzeit nur 25 Euro/MWh aufgerufen. "Ja, es wird mehr Angebot geben, aber nicht so viel, dass eine LNG-Schwemme kommt", prophezeite Selbach-Röntgen. So würden in China derzeit zwei LNG-Importterminals pro Monat gebaut und dieser Trend werde weiter anhalten. "Der Geldbeutel in der Region ist groß."

 

MET empfiehlt Kunden, für eine ausgewogene Portfoliostrategie zumindest einen Teil des Bedarfs mit langfristigen Bändern abzudecken - etwa indexiert an den US-amerikanischen Henry Hub. "Ich habe in der Vergangenheit mit Kunden schon Langfristverträge für anteilige Mengen im Portfolio bis zu acht Jahre im Voraus abgeschlossen, die sind heute sehr froh darüber", berichtete Selbach-Röntgen. Es sei aber nicht nur Aufgabe des Staates und der Lieferanten, langfristige LNG-Mengen zu beschaffen, auch die Industrie müsse aktiv werden.

 

Zwei Risiken sind bekannt

 

Abgesehen von der Frage des Ukrainetransits sahen die Diskussionsteilnehmer zwei weitere Herausforderungen für den Gasmarkt: Noch sind die Gasspeicher in Deutschland gut gefüllt, aber die Preise für den Sommer 2025 sind höher als die für diesen Winter. Somit könnte die Wiederbefüllung zum Problem werden. Die Vorstellung, dass der deutsche Marktgebietsverantwortliche THE - gebunden an das Gasspeichergesetz - zum zweiten Mal Gas im großen Stil einkaufen könnte mit hohen Preisfolgen für den Markt, nannte Barbara Lempp "extrem beunruhigend". Bisher ist nur die Hälfte der Speicher gebucht, das Speicherjahr startet zum 1. April. Für die noch nicht vermarkteten Speicher wird es "sehr schwierig", blickte RWE-Vertreter Hoffmann voraus.

 

Zweiter offener Punkt ist die Methanverordnung der EU-Kommission, die ab 2027 neue Pflichten für alle Importeure zur Messung und dem Nachweis beinhaltet - "mit empfindlichen Strafzahlungen", warnte Lempp. Dies bereite den Händlern große Sorgen, weil sich das bei den nicht bekannten Handelsparteien nicht abbilden lässt. "Das können wir nur schwer mit einem Efet-Rahmenvertrag lösen, da wird ein Dialog mit der EU-Kommission fällig", so Lempp. Ob dies tatsächlich dazu führt, dass die USA oder andere Lieferanten sich vom europäischen Markt abwenden, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. /mt

 

Die gesamte Aufzeichnung des energate-Talks können Sie kostenlos hier abrufen.

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