EnBW sieht CCS an Gaskraftwerken als "extrem teuer"
Karlsruhe (energate) - Die neue Regierung in spe will die Kohlenstoffabscheidung an Gaskraftwerken ermöglichen. Mit EnBW-CEO Georg Stamatelopoulos bekommt die Liste derer, die am wirtschaftlichen Sinn dieses energiepolitischen Schrittes zweifeln, einen namhaften Zugang. Um die Carbon-Capture-and-Storage-Technologie (CCS) wirkungsvoll für solche Kraftwerke nutzen zu können, müssten CSS-Anlagen deutlich größer dimensioniert werden, als es etwa bei Kohlekraftwerken der Fall sei, sagte er im Gespräch mit energate, damit werde CCS für diesen Anwendungsfall "extrem teuer", argumentierte Stamatelopoulos.
Dazu verwies er auch auf die vergleichsweise niedrige Auslastung, die die neu zu bauenden Gaskraftwerke absehbar haben werden und das Fehlen einer CO2-Transportinfrastruktur. Beides spreche ebenfalls gegen die Wirtschaftlichkeit der Kohlenstoffabscheidung an Gaskraftwerken. Mit dieser Einschätzung ist die EnBW nicht allein, wie unlängst aus einer energate-Branchenumfrage hervorging. Die EnBW ist eine der wenigen Energiekonzerne des Landes, die ungeachtet der Hängepartie mit der Kraftwerksstrategie der scheidenden Ampelregierung bereits neue wasserstofffähige Gaskraftwerke baut, von denen eines kürzlich in Betrieb gegangen ist. Wasserstoff sei "der richtige Weg", die neu zu schaffenden Gaskraftwerkskapazitäten zu dekarbonisieren, bekräftigte Stamatelopoulos. Bis jüngst in Betrieb gegangene Gaskraftwerk in Stuttgart-Münster planmäßig Wasserstoff verfeuern soll, vergehen noch einige Jahre.
Wenig hält der EnBW-CEO auch von der schwarz-roten Idee, Deutschlands kohlebefeuerte Reservekraftwerke zur Senkung der Strompreise einzusetzen. Das hatte Stamatelopoulos auch bei der jüngsten Bilanzpressekonferenz klargemacht, ähnlich wie zuvor sein Amtskollege bei RWE, Markus Krebber. Letzterer hatte dabei unter anderem mit dem Zustand sowie dem Alter und rechtlichen beziehungsweise regulatorischen Bedenken argumentiert. Stamatelopoulos bekräftigte diese Kritik nun mit "mangelnder Wirtschaftlichkeit" der Kraftwerksreserve und einem zusätzlichen Klimaschutzargument: "Wenn die Kraftwerke wieder in den Markt zurückkehren sollen, wer steht für die CO2-Emissionen gerade?", fragte er.
Appetit auf Gaskraftwerksbau ist EnBW nicht vergangen
Wie viele weitere wasserstofffähige Gaskraftwerke als klimafreundlichere Alternative zur Kohle, die EnBW auf dem hauseigenen Dekarbonisierungspfad bis 2035 bauen wird, will der CEO noch nicht festlegen. "Grundsätzlich haben wir schon Appetit, uns mit Projekten einzubringen", sagte er mit Blick darauf, dass allein Baden-Württemberg auf bis zu 6,5 GW gesicherter Kraftwerksleistung zusteuere. "Ich möchte erst die Auktionsrahmenbedingungen sehen", begründete Stamatelopoulos die Zurückhaltung. Die lange Wartezeit auf das konkrete Ausschreibungsdesign zu Gaskraftwerken, hatte zuvor etwa Uniper dazu bewogen, ihre Wasserstoffpläne anzupassen. "Eine spannende Frage wird sein, wie die Ausschreibungen die regionale Steuerung der Kraftwerke organisieren", blickte der EnBW-Chef voraus.
Deutschlands Wasserstoff-Hochlauf läuft bislang deutlich schleppender als ursprünglich erhofft. Die EnBW selbst schlägt deshalb auf Basis einer Studie von Aurora Energy Reseaech vor, die Pläne zum Bau von Elektrolyseuren deutlich zu stutzen und somit die Energiewende perspektivisch um viele Milliarden günstiger zu machen. Deutschlands Anlaufschwierigkeiten in Sachen Wasserstoff hat für Stamatelopoulos klare Gründe. Ein Geschäftsfeld Wasserstoff brauche drei Dinge, erläuterte der Konzernlenker: "Angebot, Infrastruktur und Nachfrage".
Blauer Wasserstoff als Markthochlaufkatalysator
Während das Wasserstoff-Kernnetz mittlerweile "auf einem guten Weg" sei, sieht der EnBW-CEO in Sachen Wasserstoff-Angebot und -Nachfrage Nachholbedarf. "Die Nachfrage wird nicht von allein kommen", mahnte er. "Dazu muss man für günstiges und verfügbares Angebot sorgen, und das wird zunächst blauer Wasserstoff sein, der weltweit günstiger zu haben sein wird als grüner Wasserstoff", stellte er klar. Ein Grund, diesen "in der Phase des Markthochlaufs" also vorübergehend, als Dekarbonisierungsoption zuzulassen, plädierte Stamatelopoulos.
"Grüner" Wasserstoff aus Deutschland ein Langfristprojekt
Ohnedies hat "grüner" Wasserstoff "made in Germany" in Stamatelopoulos' Augen auf dem Weltmarkt absehbar einen sehr schweren Stand: "Bei den Rahmenbedingungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff können wir nicht mit Nordafrika, dem arabischen Raum und anderen Regionen konkurrieren", stellte er klar. Allerdings: "Deutscher grüner Wasserstoff wird kommen", prognostizierte er: "Aber nicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren." EnBW konzentriere sich deshalb zunächst darauf, in der Forschung und Entwicklung zur Wasserstoffproduktion Erfahrungen zu sammeln. "Langfristig passt es zur EnBW, auch bei Wasserstoff die komplette Wertschöpfungskette abzudecken." /pa
Das gesamte Interview von Rouben Bathke mit dem EnBW-Vorstandsvorsitzenden Georg Stamatelopoulos lesen Sie im heutigen Add-on Markt & Industrie. Darin erklärt er unter anderem, wie er insgesamt auf den Koalitionsvertrag der wohl kommenden Regierung schaut und speziell den geplanten Energiewendefonds für Infrastrukturprojekte bewertet. Außerdem spricht er auch über die milliardenschweren hauseigenen Investitionspläne der EnBW.