Digitalisierung im Verteilnetz verläuft schleppend
Köln/Essen (energate) - Für viele Verteilnetzbetreiber haben sich die erhofften Vorteile der Digitalisierung noch nicht eingestellt. Die meisten Unternehmen haben die Potenziale digitaler Hilfsmittel zwar durchaus erkannt und erste Maßnahmen ergriffen. Doch der Weg zum smarten Stromnetz erweist sich für viele als länger als erhofft. Dieses Bild zeichnet die Studie "Digital Grid Insights", die energate gemeinsam mit dem Software-Dienstleister Envelio zum Stand der Digitalisierung der Verteilnetze erstellt hat. Die Analyse basiert auf einer Umfrage unter Netzbetreibern.
Vorteile liegen auf der Hand
Über den Nutzen der Digitalisierung sind sich die meisten Befragten im Klaren, wobei die größten Vorteile in der Automatisierung und Beschleunigung von (Massen-)Prozessen gesehen werden. Zugleich zeigt die Studie, dass die Digitalisierung des Verteilnetzes in der Praxis schleppend verläuft. So gaben mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass ihr Digitalisierungsgrad bislang unter 50 Prozent liegt. Gefragt nach der Automatisierung schätzten sogar 70 Prozent den Grad im eigenen Unternehmen auf weniger als 50 Prozent.
Die Umfrage belegt auch, dass die Digitalisierung nur schrittweise Einzug in den Netzbetrieb erhält. Beispielsweise haben lediglich 23 Prozent der Netzbetreiber den Netzanschlussprozess vollständig digitalisiert. Nur 17 Prozent sind in der Lage, Echtzeitdaten für die Netzüberwachung auf sämtlichen Spannungsebenen zu nutzen. Bei der Umsetzung der Prozesse zur Netzintegration steuerbarer Verbraucher nach § 14a EnWG befinden sich 43 Prozent noch immer in der Umsetzung, obwohl die Vorgaben bereits Anfang des Jahres in Kraft getreten sind.
Potenziale noch nicht ausgeschöpft
"Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass sich Netzbetreiber in einer frühen Phase der Digitalisierung befinden und noch vor zahlreichen Herausforderungen stehen", erklärte Simon Koopmann, Geschäftsführer von Envelio. Obwohl viele Unternehmen bereits an der Transformation zu digitalisierten und automatisierten Prozessen arbeiten, "gelingt es ihnen noch nicht, die Potenziale in Gänze zu nutzen", ordnete er die Ergebnisse ein.
Wenn es um die Ursachen für die eher schleppende Umsetzung von Digitalisierungsprojekten geht, zeigen sich die befragten Netzbetreiber durchaus selbstkritisch. Denn die größeren Hürden sehen sie eher in internen strukturellen Hürden als in externen Faktoren. Beispielsweise nannten die Befragten Probleme bei der Integration neuer Technologien (65 %), fehlendes IT-Know-how (60 %), Akzeptanzprobleme im eigenen Mitarbeiterstab (49 %) und begrenzte Ressourcen als Hemmnisse.
Kooperationen und externes Know-how vonnöten
Externe Hürden wie die Verfügbarkeit von Kapital (18 %) oder Technologie (22 %) spielen indes nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings gaben zwei Drittel der Befragten auch an, dass der politische Druck zur Digitalisierung eine "große Herausforderung" darstelle. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass Verteilnetzbetreiber künftig stärker auf externes Know-how zurückgreifen oder untereinander kooperieren müssen, resümiert die Studie. Ansonsten sei die Transformation der Netze "in der erforderlichen Geschwindigkeit kaum realisierbar".
Zugleich machte Envelio-Chef Koopmann auch Optimierungspotenzial im regulatorischen Rahmen aus: Die aktuelle Anreizregulierung bevorzuge Capex-Investitionen gegenüber Opex (Betriebskosten). "Bei vielen Digitalisierungsmaßnahmen entstehen aber eher Opex als Capex. Im Zweifel ist es somit für Netzbetreiber attraktiver, 100.000 Euro in Kabel zu investieren
als 10.000 Euro in eine Software zur Vermeidung von Engpässen", gab er zu bedenken. /rb
Die gesamte Studie "Digital Grid Insights" finden Sie online.