Der Süden fürchtet Nachteile beim Wasserstoffhochlauf
Stuttgart (energate) - Die südlichen Bundesländer fürchten, bei der geplanten Förderung von Elektrolysestandorten leer auszugehen. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordern die Energieministerinnen und -minister von fünf Ländern daher, Wasserstoffproduktion auch an Standorten mit geringerer Erneuerbaren-Produktion zu ermöglichen. Andernfalls hätten Betriebe im Süden keine Chance, ihre Prozesse zeitnah auf grünen Wasserstoff umzustellen, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben der Minister aus Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Es liegt energate exklusiv vor.
Hintergrund des Schreibens ist der Plan der Bundesregierung, die Elektrolysekapazitäten in Deutschland bis 2030 auf 10.000 MW auszubauen. Festgeschrieben ist diese Vorgabe in der 2023 überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS). Knackpunkt ist dabei das Thema Systemdienlichkeit. Die Bundesregierung will verhindern, dass durch die Produktion von Wasserstoff Engpässe entstehen, etwa dadurch, dass Strom für Elektrolyseure die ohnehin knappen Stromleitungskapazitäten in den Süden belastet. In der NWS hat sie daher angekündigt, Anforderungen für die Systemdienlichkeit festzulegen. In dem Papier ist etwa von erzeugungsnahen Elektrolysestandorten die Rede.
Nord- gegen Südländer
Damit kämen in erster Linie Standorte im Norden mit hohen Anteilen an On- und Offshore-Windkraft zum Zuge. Diese Lesart wird erwartungsgemäß von den Energieministern der Nordländer geteilt. "Grundsätzlich sollte Wasserstofferzeugung an Standorten angesiedelt werden, an denen Strom aus erneuerbaren Energien in hohem Maße verfügbar ist", heißt es in einem ebenfalls an Wirtschaftsminister Habeck gerichteten Schreiben aus dem Februar dieses Jahres.
Ihre Amtskollegen aus dem Süden halten diese enge Auslegung der Systemdienlichkeit für falsch. "Ein ausschließlicher Fokus auf tatsächliche Produktionsmengen an grünem Wasserstoff oder die Festlegung von sogenannten 'Ausbaugebieten' für die Systemdienlichkeit von Elektrolyseuren, wie sie zum Teil diskutiert wird, würde zweifellos zu einer erheblichen Ungleichheit zwischen den Regionen beim Wasserstoffhochlauf beitragen", schreiben sie. Unternehmen im Süden, so die Befürchtung, könnten dann keinen Wasserstoff mit Netzstrom produzieren, sondern müssten auf Lieferungen über das geplante Kernnetz warten, also bis 2032.
Förderkriterien erweitern
Die Südländer wollen daher die Elektrolyseurförderung über die "reine stromseitige Systemdienlichkeit" hinaus öffnen. Honoriert werden soll etwa die Möglichkeit der bedarfsgerechten Fahrweise von Elektrolyseuren, also je nach Grünstromangebot. Die Minister wollen zudem eine "energiewendedienliche Betriebsweise" in die Bewertung einbringen. Profitieren sollen davon Standorte, an denen auch die Abwärme des Elektrolyseurs oder der anfallende Sauerstoff genutzt wird.
"Wasserstoff muss auch dort produziert werden, wo er verbraucht wird", sagte Thekla Walker (Grüne), Umwelt- und Energieministerin von Baden-Württemberg, zu energate. Sie verwies darauf, dass das Wasserstoffkernnetz nicht alle industriellen Zentren des Südens abdecken könne. Die Elektrolyse vor Ort sei ein Instrument, um den Wandel hin zu klimaneutraler Produktion schon vor dem Anschluss an Wasserstoffpipelines in Gang zu bringen, so Walker. /kw