"Der Energiemarkt ist nicht gerade der Sweetspot für Start-ups"
Stuttgart (energate) - Die Start-up-Schmiede Enpulse soll dem Energiekonzern EnBW dabei helfen, neue Geschäftsideen früh zu erkennen und zu besetzen. Inzwischen setzt das Unternehmen neben dem klassischen Venture-Building auch auf Beteiligungen an bestehenden Start-ups. Über die anspruchsvolle Aufgabe, im Energiemarkt neue Geschäftsmodelle zur Marktreife zu bringen, sprach energate mit dem Enpulse-Geschäftsführungsteam Karin Klaus und Florian Fichter.
energate: Frau Klaus, Herr Fichter, seit zwei Jahren ist Enpulse inzwischen am Markt. Was machen Sie eigentlich genau?
Fichter: Als Venture-Builder und strategischer Frühphaseninvestor des EnBW-Konzerns entwickeln und betreuen wir Geschäftsideen im Frühstadium. Es geht um Geschäftsmodelle, bei denen noch offen ist, ob daraus tatsächlich etwas wird und wir als EnBW diese langfristig verfolgen wollen. Dafür hat die EnBW vor zwei Jahren Enpulse ausgegründet. Als eigenständige Gesellschaft ist es unsere Aufgabe, neue Impulse von außen an den Konzern heranzuführen. Wir bauen ein Start-up-Portfolio in Themenfeldern auf, die wir gemeinsam mit der EnBW definiert haben.
energate: Welche Themenfelder sind das im Einzelnen?
Klaus: Wir bewegen uns in drei Themenclustern. Zum einen geht es um Smart Grids, wobei wir diesen Begriff weit fassen. Das kann in Richtung Digitalisierung des Netzbetriebs gehen, sich aber auch mit dezentraler Stromerzeugung auseinandersetzen. Dann beschäftigen wir uns mit dem Themenbereich Mobility - immer an der Schnittstelle zum Stromsystem - also Ladeinfrastruktur und damit verbundene Geschäftsmodelle. Das dritte Cluster bezeichnen wir als "Connected Customer". Darunter fassen wir Geschäftsmodelle, die Privatkunden in ihrem Zuhause oder auch im B2B-Umfeld Mehrwerte bieten.
energate: Das klingt nach einem recht engen Themenspektrum. Wie breit ist die Spanne an Ideen und Start-ups, die sich in diesen Bereichen finden und mit denen sie sich auseinandersetzen?
Fichter: Wir sind thematisch tatsächlich eng abgesteckt und stellen fest, dass die Gründerszene im Energiebereich ein recht kleines Ökosystem ist. Das hängt auch damit zusammen, dass der Energiemarkt nicht gerade der Sweetspot für Start-ups ist. Man braucht eine gewisse Expertise in den Fachthemen. Zudem setzt das hohe Maß an Marktregulatorik gewisse Hürden. Da ist es nicht so einfach wie in anderen Bereichen wie etwa dem E-Commerce, ein Start-up hochzuziehen.
energate: Welchen Einfluss hat das auf Ihre Herangehensweise?
Fichter: Wir haben unser Vorgehen angepasst und uns deutlich breiter aufgestellt. Wir gehen inzwischen neben dem klassischen Venture-Building-Prozess auch stärker in den Bereich strategisches Frühphaseninvestment. Das heißt, dass wir Ideen und Gründerteams nicht mehr nur aus uns selbst heraus entwickeln, sondern auch frühzeitig mit externen Start-ups zusammenarbeiten und uns zunächst mit kleineren Beträgen beteiligen. So merken wir in der Regel schnell, wie strategisch relevant eine Geschäftsidee für uns ist.
energate: Die EnBW beschäftigt sich konzernintern mit der EnBW Innovation ebenfalls mit neuen Geschäftsmodellen. Warum bedarf es zusätzlich noch einer Enpulse?
Fichter: Ein zentrales Learning aus der Tätigkeit der EnBW Innovation war es, dass man interne Projekte nicht führen kann wie ein Start-up. Es braucht Gründerpersönlichkeiten, die mit unternehmerischer Freiheit und unternehmerischer Verantwortung ihr Start-up vorantreiben können. Es ist ein anderes Mindset im Gründerteam, wenn man weiß, das Unternehmen ist zunächst nur für 18 Monate finanziert. Dann gibt es einen Abbruchpunkt und das Gründerteam muss Investoren bis dahin überzeugen, weiteres Kapital zuzuschießen. In einem internen Projekt sind diese unternehmerischen Konsequenzen nicht so klar erkennbar. Wir merken auch, dass es Mitarbeiter in der EnBW gibt, die auf diese unternehmerische Herausforderung Lust haben. Dafür bieten wir einen Anlaufpunkt und begleiten sie bei dem Ausgründungsprozess.
energate: Inwieweit hat sich der inhaltliche Fokus in der Zeit, in der sie als Enpulse aktiv sind, verschoben?
Klaus: Thematisch haben wir uns nicht weit vom Startpunkt weg bewegt. Wir sehen aber gewisse Trends, wohin sich die Start-up-Szene entwickelt: weg von der eigenen Hardware und hin zu Modellen, die auf bestehender Hardware aufbauen. Es geht häufig um Software rund um vorhandene Infrastruktur wie beispielsweise Ladetechnik oder Speicher. Wir sehen auch eine starke Fokussierung auf einzelne Wertschöpfungsstufen. Es geht eher um Nischenthemen als um das ganz große Rad der Energiewirtschaft. Auch Standardisierung ist ein beliebtes Thema. Es geht häufig um Geschäftsmodelle, die darauf beruhen, einzelne hochindividuelle Marktvorgänge stärker zu standardisieren, etwa im Bereich Energiemanagement oder Solar.
energate: Woran erkennen Sie, dass eine Idee funktionieren könnte?
Klaus: Wie man den einen goldenen Nugget unterscheidet, das weiß letztendlich niemand. Aber wir versuchen kurzfristig am Markt zu lernen, ob eine Idee trägt oder nicht. Deswegen bemühen wir uns darum, eine Idee relativ schnell am Markt zu verproben. So bekommen wir in kurzer Zeit eine Vorstellung davon, welche Idee es wert ist, weiterverfolgt zu werden, weil es Interesse im Markt gibt. Das ist für uns die bestmögliche Antwort. Grob kann man sagen: Ob wir mit einer Idee weitergehen oder nicht, entscheidet sich in den ersten drei bis vier Monaten.
energate: Wie viele Ideen bleiben in diesem Prozess auf der Strecke?
Klaus: Man hört in der Gründerszene häufig von der Zehn-zu-eins-Regel: Unter zehn Geschäftsmodellen ist eines dabei, das Aussicht auf Erfolg hat. Aber die Frage ist: wo setzt man an? Für unseren Fall würde ich eher sagen: Wenn wir in 25 Themenfeldern, die wir uns anschauen, ein Start-up ausgründen, dann ist das ein guter Schnitt.
Fichter: Aber damit ist ja immer noch nichts erreicht. Der harte Teil der Arbeit beginnt ja erst mit der Ausgründung. Dann verlässt eine Geschäftsidee den sicheren Hafen und das Wettrennen gegen die Uhr beginnt. Wir statten Ausgründungen in der ersten Finanzierungsrunde mit Mitteln für die ersten 12 bis 18 Monate aus. Das heißt, ein Start-up hat ab der Ausgründung gut ein Jahr Zeit, um zu beweisen, dass es erfolgreich sein und Kunden überzeugen kann. Wenn das nicht gelingt, dann ist es vielleicht nach einem Jahr auch schon wieder zu Ende.
energate: Wie schwer ist es, eine Idee, die aussichtsreich gestartet ist, dann doch zu begraben?
Fichter: Es kann passieren, dass wir mit einem Thema nicht das erreichen, was wir uns vorgenommen haben. Dann versuchen wir, das Projekt möglichst wertschätzend gemeinsam mit dem Gründerteam zu beenden. Das gehört zu unserer Aufgabe dazu. Im besten Fall sind alle Parteien darauf vorbereitet, dass so etwas eintreten kann. Wir versuchen Insolvenzen zu vermeiden und einen angenehmeren Weg zu finden. Eine Möglichkeit kann etwa sein, unsere Anteile zu verkaufen an einen Investor, der einen größeren strategischen Mehrwert in der Beteiligung sieht. So haben wir es im vergangenen Jahr mit dem Start-up Digipark gemacht, da sich diese Ausgründung in eine andere Richtung entwickelt hat. Aber es gibt auch Fälle, wo das nicht funktioniert. Das kann auch daran liegen, dass die Idee gut ist, aber einen Bedarf adressiert, der noch zu weit in der Zukunft liegt. Dann ist es schwer, in der Praxis dafür Kunden zu finden.
energate: Wie viele Beteiligungen hält Enpulse bislang?
Fichter: Wir sind aktuell an sieben Start-ups beteiligt. Wir betreiben aber kein ständig wachsendes Portfolio, sondern übergeben Beteiligungen, die ihre strategische Relevanz bewiesen und einen gewissen Reifegrad überschritten haben, in die Hände von EnBW Innovation, also an den Konzern.
Klaus: Die Größe von sieben bis zehn Beteiligungen ist für uns als Enpulse ein sehr praktikabler Wert. Für dieses Jahr haben wir uns vorgenommen, sechs neue Beteiligungen einzugehen. Und da sind wir auch auf einen guten Weg.
energate: Mit welchen Budgets arbeiten Sie bei der Start-up-Finanzierung?
Fichter: Wir arbeiten mit festen Budgets - sowohl für die eigenen Building-Aktivitäten als auch für Start-up-Invests, möchten aber keine Details nennen.
Klaus: Geld ist ohnehin häufig gar nicht der Faktor ist, der Start-ups oder Gründer und uns zusammenbringt. Es geht häufig vielmehr um die Verknüpfung und die Kontakte in die Energiewelt, um die permanente und enge Begleitung nah am energiewirtschaftlichen Geschehen. Das sind Mehrwerte, die Start-ups ansprechen und die uns auch von anderen Geldgebern unterscheiden. Die Höhe eines Invests ist dann sicherlich Teil der Verhandlungsmasse, aber nicht der zentrale Faktor.
energate: Das Thema Innovation hat in der Vergangenheit in der Energiewirtschaft an Stellenwert gewonnen, zuletzt hat der Hype um disruptive Geschäftsmodelle aber etwas nachgelassen. Wie würden Sie das Thema im Gesamtkontext der Energiebranche einordnen?
Klaus: Ich bin der Überzeugung, dass bei den Herausforderungen, vor der wir in der Energieversorgung stehen, kein Weg an Innovationen vorbeiführt. Insofern ist aus meiner Sicht auch unvermeidbar, sich als Energiebranche damit zu beschäftigen. Und tatsächlich gibt es ja auch viele Ideen und Gründerteams. Der größte Knackpunkt ist die Umsetzung. Hier geht es nicht ums Reden, sondern ums Machen. Die Umsetzung ist und bleibt harte Arbeit und kommt mit allen Höhen und Tiefen der Start-up-Welt. Hinzu kommt ja: Geschäftsmodelle zur Marktreife zu entwickeln, ist in unserer Branche noch etwas schwieriger und anspruchsvoller als woanders, weil das Geschäft hochregulatorisch und stark ausdifferenziert ist.
energate: Wie nehmen Sie die Haltung der Energiewirtschaft gegenüber innovativen Ideen wahr?
Fichter: Ich glaube, dass sich große Player noch viel mehr trauen und Innovation noch offensiver in den Mittelpunkt stellen können. Kleine Änderungen oder Produkterneuerungen werden bereits gut umgesetzt, disruptive Ansätze sehen wir am Markt hingegen selten. Dabei zeigen uns ja bereits einige Start-ups, die klare Ambition den Markt umzukrempeln.
Klaus: Aktuell ist etwa im Wasserstoffmarkt gut zu beobachten, dass viele Akteure immer noch eine abwartende Haltung einnehmen. Es gibt viele Ideen rund um die Wertschöpfungskette Wasserstoff, aber niemand möchte vorpreschen. Aber ich sehe auch viele positive Tendenzen, dass hier ein Wandel einsetzt, sowohl bei den zahlreichen Business Units, mit denen wir zusammenarbeiten, als auch bei den jüngeren Generationen an Gründern, mit denen wir in Kontakt kommen.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.