Bundestag beschließt Reform der Schuldenbremse
Berlin (energate) - Nach stundenlanger Debatte hat der Bundestag das Finanzpaket von Union und SPD angenommen. Für die Grundgesetzänderung brauchte es eine Zweidrittelmehrheit mit mindestens 489 Stimmen. Namentlich stimmten 512 Abgeordnete für das Gesetz, 206 votierten dagegen, es gab keine Enthaltung.
Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Ausgaben ab einer bestimmten Höhe sollen künftig nicht mehr auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet werden. Darüber hinaus soll im Grundgesetz die Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Mrd. Euro "für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" ermöglicht werden. 100 Mrd. Euro davon fließen dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu. Die in diesem Rahmen aufgenommenen Kredite sollen ebenfalls von der Schuldenregel ausgenommen werden. Zudem soll den Ländern ein Verschuldungsspielraum bei der Aufstellung ihrer Haushalte eingeräumt werden.
Merz verteidigt Klimaneutralität im Grundgesetz
Zu Beginn der Bundestagsdebatte hatte CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz das geplante Schuldenprogramm mit Hinweis auf "Putins Krieg gegen Europa" verteidigt. Dabei rechtfertigte er auch die künftige Nennung des Ziels der Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz. Dieses sei kein neues Staatsziel. "Es ist möglicherweise Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen seit über 30 Jahren in Artikel 20a des Grundgesetzes ein Verfassungsauftrag ist", sagte Merz in Richtung AFD, die das Klimaziel im Grundgesetz kritisiert hatte.
Merz verwies auch auf das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2021 und auf den früheren Bundesverfassungsrichter und Staatsrechtler Udo Di Fabio. Dieser hatte in der "FAZ" gesagt, dass die geplante Verfassungsänderung zur Klimaneutralität keine neue Staatszielbestimmung sei, sondern eine finanzverfassungsrechtliche Vorschrift, die eine Zweckbindung formuliere.
Bedrohungslagen und Kriegskredite
Auch SPD-Politiker verteidigten das Schuldenpaket und die Verfassungsänderung, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius. "Bedrohungslage geht vor Kassenlage", sagte er. Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD, bezeichnete es als sinnvoll, das Schuldenmachen mit dem Klimaschutz zu verbinden. Die Schulden seien sehr wohl generationengerecht, da alles, was jetzt nicht getan werde, für die nachfolgende Generation um ein Vielfaches teurer werde. Scheer verwies ebenfalls darauf, dass es schon längst eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Klimaschutz gebe. Eine neue Verankerung von Klimaschutz als Staatsziel werde nicht vorgenommen.
"Klimaschutz gehört ins Zentrum der Politik und wir haben das mit dieser Grundgesetzänderung verankert", betonte hingegen der scheidende Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler, der als Mitglied des Haushaltsausschusses den Gesetzentwurf mitverhandelt hat. Wie die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann wertet er dies als Erfolg für die Grünen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisierte die Beschlüsse als "Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei". "Statt einer Großen Koalition haben wir jetzt eine SchuKo, eine Schuldenkoalition", sagte er. Und auch die AFD ging das Schuldenpaket scharf an: Der abgewählte Bundestag werde benutzt, um die zukünftige Bundesregierung zu zementieren, sagte Partei- und Co-Fraktionschef Tino Chrupalla. CDU-Chef Friedrich Merz habe seine Glaubwürdigkeit komplett verspielt.
Von "Kriegskrediten mit Klimasiegel" sprach BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. Nach ihrer Rede packten die Mitglieder der Gruppe BSW Plakate aus, auf denen stand: "1914 wie 2025: Nein zu Kriegskrediten!" Nach einem Ordnungsruf von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) packten die BSW-Abgeordneten die Plakate wieder ein.
Gösta Beutin: grundsätzliche Reform vom Tisch
Im Interview mit energate machte auch Lorenz Gösta Beutin, von 2017 bis 2021 klima- und energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion, inzwischen Vizevorsitzender der Fraktion, seine Bedenken zu den Beschlüssen deutlich. Denn damit sei erstens eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse vom Tisch. "Zweitens haben wir 2023 erlebt, wie das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung des KTFs über ein Sondervermögen gekippt hat. Diese Gefahr besteht jetzt erneut", sagte der ehemalige und künftige Bundestagsabgeordnete.
Nach dem Bundestag muss nun auch der Bundesrat der Grundgesetzänderung am 21. März zustimmen, ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit. Diese gilt inzwischen als relativ sicher, weil das von den Freien Wählern mitregierte Bayern seine Zustimmung zugesagt hat. Lediglich die FDP versucht noch, das Schuldenpaket im Bundesrat stoppen. Die Liberalen klagen dazu in fünf Bundesländern, in denen sie noch in den Parlamenten sitzen, damit die Landesregierungen der geplanten Grundgesetzänderung nicht zustimmen. /ck