Zum InhaltZum Cookiehinweis

RSS Feed

Bundesnetzagentur plant flexible Industrienetzentgelte

Bonn (energate) - Die Bundesnetzagentur plant eine Reform der Netzentgelte für Industrie und Gewerbe. Sie brauchen demnach nur noch reduzierte Netzentgelte zu zahlen, wenn sie in Zeiten mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen. Andersherum sinken die Netzentgelte auch dann, wenn bei knappen Stromangebot auch nur wenig Strom verbraucht wird. "Wir schlagen einen Übergang von einem starren in ein flexibles System vor", erläuterte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Hintergrund der Pläne sei die Energiewende, die zu einer "eklatant" veränderten Stromerzeugungslandschaft führe, heißt es in dem Eckpunktepapier der Regulierungsbehörde.

 

Daher sei eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden. Bisher gelten für Industrie und Gewerbe Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV, der zwei unterschiedliche Privilegierungsbestände enthält. Nach Satz 1 erhalten Letztverbraucher eine Netzentgelterleichterung, wenn sie ihre Jahreshöchstlast "erheblich außerhalb der typischen Zeit der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz legen" (Atypik). Satz 2 bis 4 hingegen fördern eine gleichbleibende Grundlast, womit eine kontinuierliche Stromabnahme für die Einspeisung durch Grundlastkraftwerke gewährleistet werden soll (auch Bandlast genannt).

 

Bisherige Regelung läuft Anforderungen der Energiewende zuwider

 

Aus Sicht der Bundesnetzagentur hat insbesondere die Bandlastanreizung "keinen Nutzen mehr im Hinblick auf Netzkostensenkungen oder Netzstabilität". Da die klassische Erzeugung aus Grundlastkraftwerken abnimmt, schwindet auch das Interesse an einer gleichmäßigen Leistungsaufnahme stromintensiver Letztverbraucher, argumentiert die Regulierungsbehörde. "Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch nachteilhaft und verschärft kritische Netzzustände", heißt es in dem Papier.

 

Die Effektivität atypischer Netznutzung ist in Netzen mit einer hohen Durchdringung an erneuerbaren Energien ebenfalls geschmälert. Netzausbau werde in solchen Regionen nicht durch die Last-, sondern die Einspeiseseite verursacht. Dementsprechend führten Verlagerungen der individuellen Jahreshöchstlast zu keinen Kosteneinsparungen. Zur Einordnung: allein im Jahr 2024 beziehen rund 400 Bandlastkunden und rund 4.200 atypische Netznutzer Netzentgeltreduzierungen in Höhe von über 1 Mrd. Euro.

 

Setzung systemdienlicher Anreize

 

Um diesen Missstand zu beheben, müssten Flexibilitätspotenziale der Letztverbraucher gehoben werden, schreibt die Bundesnetzagentur. Die Beschlusskammer 4 beabsichtige, die Bandlastreglung zum 1. Januar 2026 grundsätzlich abzuschaffen. Anstelle der wegfallenden Regelung trete ein neues Sondernetzentgelt. Dieses soll "effektiv zu systemdienlichen Verhalten von Industriekunden unter Berücksichtigung der gewandelten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen" anreizen. Um den Übergang zu erleichtern, gewährt die Bundesnetzagentur Übergangsfristen. Diese sollen es den bisherigen Nutznießern ermöglichen, ihre Produktion entsprechend umzustellen und auf Flexibilitätsanreize zu reagieren. Das neue Sondernetzentgelt soll "keiner engen zeitlichen Befristung unterliegen", wodurch die Unternehmen Planungssicherheit gewännen.

 

Die Netzentgeltprivilegierung sollen nach den Plänen der Beschlusskammer diejenigen Letztverbraucher erhalten, die ihren Strom systemdienlich verbrauchen. Dieses definiert die Behörde als ein Verhalten, das sich "positiv auf die Kosten der Energieversorgung insgesamt oder auf die Kosten eines stabilen Netzbetriebs auswirkt". Gibt es viel Strom im System, werden diejenigen belohnt, die in Zeiten niedriger Strompreise ihre Stromabnahme im Vergleich zum individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöhen. "Denn dieses Verhalten bringt Wohlfahrtseffekte auf dem Strommarkt mit sich." Ausgenommen von dieser Regelung sind Speicher, da die Behörde dieses Verhalten als prinzipielles Geschäftsmodell ansieht. Oberstes Ziel sei es, "durch den Anreiz eine spürbare Gegenleistung für das Energiesystem zu erreichen, die der Netzentgeltreduzierung gegenübersteht".

 

Unbürokratisches Verfahren

 

Der Bundesnetzagentur sei klar, dass der neue Mechanismus auch von den technischen Möglichkeiten der Industrie abhänge, Mengen- und Preisentwicklungen zu prognostizieren und flexibel darauf zu reagieren. Beleg und Prüfung der Tatbestanderfüllung soll daher sowohl für Industrie und Gewerbe, aber auch für die Netzbetreiber und die Regulierungsbehörden möglichst unbürokratisch ablaufen.

 

"Eine überkomplexe, unpraktikable Regelung wird vermieden", heißt es aus Bonn. Wesentliche Parameter seien der Lastgang des Letztverbrauchers über das Jahr, die Entwicklung der Börsenpreise und individuelle Lastveränderung in Zeiten mit besonders hohen und niedrigen Preisen.

 

Lob aus der Branche

 

Von Seiten der Energieverbände trifft das Eckpunktepapier auf Lob. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU, begrüßte die Vorschläge der Bundesnetzagentur ausdrücklich. Sie böten für Industrieunternehmen "einen ausgezeichneten Anreiz, ihren Stromverbrauch systemdienlich anzupassen". Außerdem verhinderten die Vorschläge, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen in Zeiten "mit viel Strom aus Wind- und Solarenergie abgeregelt werden müssen, weil Abnehmer fehlen", argumentierte Liebing.

 

Ähnlich äußerte sich BEE-Präsidentin Simone Peter. Sie betrachte Anreize zur Flexibilisierung des Verbrauchs als "eine der nächsten großen Aufgaben der Energiewende". Das Eckpunktepapier setze an dieser Stelle an und sende Signale an industrielle Verbraucher, sich systemdienlich zu verhalten. "Durch den Vorschlag könnten Preisschwankungen am Strommarkt reduziert, die Netze entlastet und Kosten gesenkt werden", urteilt Peter. 

 

Konsultation des Eckpunktepapiers

 

Die Bundesnetzagentur sucht den Austausch mit der Branche, um die genannten Ziele zu erreichen. Das Eckpunktepapier kann öffentlich eingesehen werden. Die Konsultation erfolgt bis zum 18.09.2024. Die Regelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten. /rh

Zurück

Privatsphäre-Einstellungen